Am vergangenen Freitag wurde der ungarische Parlamentswahlkampf offiziell eingeläutet. Angesichts dieser Tatsache analysieren die Wochenzeitungen und -magazine die politische Landschaft sowie verschiedene Faktoren, die im Vorfeld des für den 3. April angesetzten Urnenganges eine Rolle spielen könnten. Presseschau von budapost.de.
Milán Constantinovits benennt drei Gründe für seine Vermutung, der zufolge die Opposition die Wahlen verlieren wird. Erstens, so der Leitartikler von Mandiner, schleppe sie mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány eine große Last aus der Vergangenheit in ihren Reihen mit sich herum. Durch ihre Kooperation hätten die übrigen Oppositionsparteien das Erbe der Ära Gyurcsány angetreten. Zweitens habe die Opposition noch immer keine Vorstellung davon, was sie nach einer Übernahme der Regierungsgeschäfte tun würde.
Laut Constantinovits haben es die Erfolge Viktor Orbáns bei der Lösung der wichtigsten Probleme der Opposition schwer gemacht, eine Alternative zu umreißen. Zu diesen Erfolgen gehörten der unbestreitbare Gewinn an Spielraum im Bereich der Diplomatie, eine verbesserte demografische Entwicklung sowie die Unterstützung von Familien samt der Bereitstellung von Finanzhilfen zur Förderung von Wohnraum für junge Paare. Der dritte Schwachpunkt, den der regierungsnahe Analyst in der Oppositionskampagne zu erkennen glaubt, ist das Fehlen einer glaubwürdigen und charismatischen Führungspersönlichkeit.
Szabolcs Szerető von Magyar Hang hingegen hält den Spitzenkandidaten der Opposition, Péter Márki-Zay, für einen überzeugenden Bewerber. Allerdings fehle es an einem klaren Programm, räumt der Redakteur der Wochenzeitung ein und notiert: Die Aufgabe, eine kohärente Zukunftsvision zu formulieren, sei für die heterogenen Kräfte der Opposition äußerst schwierig umzusetzen. Dennoch sollten sie sich rasch auf ein gemeinsames Programm und einen Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten einigen, wenn sie die Wahlen wirklich ernst nehmen wollten. Darüber hinaus fordert er die führenden Oppositionspolitiker auf, ihr Programm in wenigen kurzen Botschaften zusammenzufassen – etwas, was der Fidesz stets ausgezeichnet hinbekommen habe. „Jeder, der den Fidesz besiegen will, muss in der Lage sein, ein oder zwei Dinge von ihm zu lernen“, lautet das Resümee des regierungskritischen Journalisten.
In Jelen äußert der liberale Analyst Bulcsu Hunyadi die Ansicht, dass die rechtsextreme Partei „Unser Land“ (Mi Hazánk) die Fünfprozenthürde überspringen und einige Sitze gewinnen könnte. Deren Spitzenpersonal, das sich von Jobbik nach deren Schwenk Richtung politischer Mitte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts abgespalten habe, verträte Verschwörungstheorien, darunter Impf- und Lockdown-kritische Haltungen, um eine verunsicherte Klientel anzulocken. Bei der Beschreibung der allgemeinen Ausrichtung von Mi Hazánk verweist Hunyadi auf deren Vorwurf an die Adresse des Fidesz, die Partei würde sich ihrer Ideologie bedienen und ihnen Themen „stehlen“, ohne sich jedoch ernsthaft für eines davon zu engagieren.
In einem ungewöhnlich langen Leitartikel unterstützt Magyar Narancs die Nominierung des methodistischen Pastors Gábor Iványi als Kandidat der Opposition für das Amt des ungarischen Staatspräsidenten. (Der ehemalige liberale Abgeordnete, der seit zehn Jahren mit den Behörden um die erneute Anerkennung seiner Gemeinschaft als voll anerkannte Kirche ringt, leitet darüber hinaus Einrichtungen zur Unterstützung armer und obdachloser Bevölkerungsschichten – Anm. d. Red.) Iványi, so das liberale Wochenmagazin, sei ein klarer Gegenpol zum amtierenden Regime. Die Redaktion räumt ein, dass er niemals von der regierungsfreundlichen Mehrheit gewählt werden würde, glaubt aber, dass das Ergebnis durchaus anders ausfallen könnte, wenn der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt werden würde.
Árpád W. Tóta kritisiert, dass die staatlich finanzierten Medien (zusammengefasst in der Holding MTVA) einseitig die Regierungsseite unterstützen würden. Im Falle eines Wahlsieges sollte sich die Opposition dieser Frage widmen, empfiehlt der Autor in einem Artikel für Heti Világgazdaság. Er bezweifelt jedoch, dass die Fidesz-Anhänger mit einer ausgewogenen Medienberichterstattung zufrieden wären, da sie seiner Meinung nach eher auf Propaganda als auf Nachrichten fixiert seien. Eine künftige neue Regierung sollte ihnen in diesen Medien einen Platz zuweisen, wo sie dies ausleben könnten, empfiehlt Tóta.
Der linke Analyst Balázs Böcskei macht sich in 168 Óra seine Gedanken über TV-Debatten zwischen Kandidatinnen und Kandidaten beider Lager und meint, dass die Beteiligten in der Regel versuchen würden, ihr eigenes Publikum zu mobilisieren und Risiken zu vermeiden. Was die Regierenden beträfe, so erfülle die Ablehnung eines Duells zwischen den Spitzenbewerbern Orbán und Márki-Zay genau diese Aufgabe der Risikovermeidung. Folglich sei es eher unwahrscheinlich, dass eine solche Debatte noch vor den Wahlen stattfinden werde, bedauert der Politologe. Allerdings würde ein Duell zwischen dem Spitzenkandidaten der Opposition und dem amtierenden Ministerpräsidenten keinen großen Einfluss auf das Wahlergebnis haben können, glaubt Böcskei und ergänzt: Inwiefern die Opposition von einer solchen Veranstaltung profitieren könnte, lasse sich unmöglich beurteilen.
(Via: budapost.de, Titelbild: MTI)