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Cătălin Cherecheș, der Bürgermeister von Neustadt (Baia Mare, Nagybánya), verdeckte mit rumänischen Flaggen die Aufschriften in ungarischer Sprache an einem Stand, an dem Baumstriezel hergestellt wurde, auf dem Kastanienfest am Wochenende. Als sich der stellvertretende Bürgermeister Zsolt István Pap über seine Maßnahmen hinwegsetzte und die rumänischen Nationalsymbole entfernte, kündigte Cherecheș an, alle Befugnisse seines Stellvertreters mit sofortiger Wirkung aufzuheben, berichtete die siebenbürgische Tageszeitung Krónika am Sonntag.
Der Baumstriezel, ein Dauerrenner auf siebenbürgischen Jahrmärkten, oder – zeitgemäßer ausgedrückt – „Festivals“, wird von Szekler und Siebenbürger Sachsen gleichermaßen als ihr traditionelles Gebäck beansprucht. Aus Hefeteig über offener Feuerstelle gebacken, erfreut sich der glasige und goldbraune Kuchen auch bei den Rumänen großer Beliebtheit.
Ausgerechnet dieser Leckerbissen steht im Mittelpunkt einer Provinzposse, die einiges über den zerbrechlichen Frieden zwischen der rumänischen Mehrheit und der ungarischen Minderheit verrät.
Die Protagonisten des Zwischenfalls sind der rumänische Bürgermeister der Kreishauptstadt und sein Stellvertreter, der von der ungarischen Partei RMDSZ nominiert wurde. Nebendarsteller ist der Kandidat der Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten bei den ungarischen Wahlen im Frühjahr, Péter Márki Zay.
Die von Szeklern betriebenen Verkaufsstände bieten den Kuchen als „kürtös kalács“ an, die meisten Rumänen kennen den allgegenwärtigen Gaumenschmaus unter diesem ungarischen Namen, da die rumänische Bezeichnung „cozonac secuiesc“ ein süßes Hefegebäck der rumänischen und bulgarischen Küche bezeichnet, das anders aussieht, anders schmeckt und mit Siebenbürgen oder gar Szeklerland nichts zu tun hat.
Da gutes Essen und Trinken bekanntlich Menschen und Völker verbinden, gab es in den 32 Jahren seit der Wende keine Beanstandung wegen der ungarischen Markenbezeichnung, zumindest nicht von Seiten der rumänischen Jahrmarktbesucher. Die Siebenbürgen Sachsen sind größtenteils ausgewandert, sie kommen, wenn überhaupt, nur in Sommer vorbei und haben andere Sorgen, z. B. die schleppende Rückgabe ihrer während des Kommunismus verstaatlichten Immobilien oder die amtliche Anerkennung der „malenkij robot“ (russisch: „kleine Arbeit“, euphemistische Bezeichnung der Zwangsarbeit) in der Sowjetunion.
Der wachsame Stadtvater, der das dritte Bürgermeister-Mandat wahrnimmt, bei der vierten Partei in seiner politischen Karriere gelandet ist und von fünf Firmen Bestechungsgelder angenommen hat, nahm Anstoß an der ungarischen Bezeichnung und ordnete kurzerhand die Überklebung der „fremdsprachigen“ Produktangabe mit der rumänischer Trikolore. Die Bediensteten des Rathauses milderten die Maßnahme ab, in dem sie lediglich die Markenbezeichnung rumänisierten und diese dann mit den „richtigen“ Nationalfarben umrahmten.
Der ungarische Vizebürgermeister ließ das nicht auf sich sitzen und ordnete seinerseits die Entfernung der rumänischen Nationalfarben von den Buden.
Der Vorgesetzte konterte mit der eigenmächtigen Amtsenthebung seines Stellvertreters und einer trotzigen Betonung seiner mehrmals wiederholten Position, dass der offizielle Name der Stadt Baia Mare laute, „auch wenn wir aus Höflichkeit und Eleganz akzeptieren, dass hier und da der Name Nagybánya auftaucht“.
Die Kirsche auf der Torte: Der Bürgermeister der ungarischen Partnerstadt Hódmezővásárhely, Péter Márki-Zay, deutschen Lesern besser bekannt als Herausforderer Viktor Orbáns, zeigte sich mehrmals mit seinem rumänischen Amtskollegen und assistierte bei seinem „Kreuzzug“ gegen das Szekler Gebäck.
Und die Lehre von der Geschichte: Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte im Bereich der Minderheitenrechte sind für viele Entscheidungsträger in Rumänien lediglich Konzessionen, die jederzeit widerrufen werden können. Nicht mehr und nicht weniger.
Beitragsbild: Kürtös kalács Facebook Adrian Szelmenczi Facebook