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Exklusives Interview mit der Künstlerin Katalin Szászné Hajdu: „Künstler sollten die eigene Stimme finden”

Enikő Enzsöl 2022.07.11.

Bildende Künstlerin, Direktorin eines Schlossmuseums, Vorsitzende der Endre-Szász-Stiftung und Homöopathin. Wir haben Katalin Szászné Hajdu über bildende Künste, Frauen in der Kunst und ihre Tätigkeiten gefragt. Interview.

Katalin Szászné Hajdu: Bienenfresser

Mit Katalin Szászné Hajdu verbindet man gewöhnlich die Witwe von Endre Szász, die als Nachlassverwalterin die Träume ihres Mannes fortführt. Aber es wird weniger darüber gesprochen, dass Sie auch Künstlerin sind, die in einem ganz anderen Stil arbeitet. Was hat Sie zu diesem Beruf geführt? Wie sind Sie Künstlerin geworden?

Mein Interesse an der Kunst begann in einem sehr jungen Alter. Natürlich malen und zeichnen die meisten Kinder gerne, aber ich wusste schon sehr früh, dass ich diesen Beruf ergreifen möchte. Als Kind war ich von den verschiedenen Wandteppichmustern fasziniert und fragte mich, wie sie hergestellt wurden. Damals wusste ich noch nicht, dass es verschiedene Techniken gibt: einige sind gewebt, andere bemalt, wieder andere bedruckt. Als ich 7 Jahre alt war, meldete ich mich beim städtischen Künstlerkreis in Hajdúszoboszló an, der, aufgeteilt in Altersgruppen ab dem Kindergarten, Möglichkeiten zur Gestaltung bot. Bis ich erwachsen war, ging ich weiterhin hierher und in die Sommerkunstlager. Borbála Fekete, die führende Künstlerin des Künstlerkreises, die Malerin war, schickte meine Bilder, die sie für gut hielt, zu nationalen und internationalen Ausstellungen. Ich hatte einige Erfolge, denn ich habe eine Silbermedaille bei einem internationalen Jugendwettbewerb in Indien, aber auch Preise zum Beispiel in der DDR gewonnen. Das Zusammentreffen mit Endre Szász war – obwohl man sagt, dass es keine Zufälle gibt – ein Zufall. Meine Mutter war auch Gastwirtin in Hajdúszoboszló, sie vermietete Zimmer, und wir hatten Gäste, die als Porzellanmaler in Hollóháza arbeiteten. Sie sahen meine Bilder an den Wänden und bemerkten, dass ich schön malte und zeichnete. Sie schlugen mir vor, mich in den Malkreis, den Endre Szász damals in Hollóháza gegründet und zu organisieren begonnen hatte, zu bewerben. Auf Ermutigungen hin vereinbarte ich einen Termin und brachte eine Auswahl meiner Arbeiten mit. Endre Szász sagte mir beim Treffen, dass er mich für talentiert hält. Er erklärte mir, was er in Hollóháza plant, woran wir gemeinsam arbeiten könnten. 20 Jahre lang schufen wir gemeinsam Porzellanteller, Vasen und Ornamente nach seinen Entwürfen, unter seiner künstlerischen und geistigen Anleitung. Ich führe diese Linie bis heute fort: Ich arbeite mit den Motiven von Endre Szász auf Dekorationsobjekten und Porzellan, und ich stelle auch Schmuck und Kleidung nach seinen Entwürfen her, bin also immer noch eine Schöpferin. Ich ziehe keine starre Grenze zwischen seiner und meiner Arbeit, ich liebe sie alle, weil sie kreativ sind.

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Heutzutage wird oft behauptet, dass die Berufsaussichten von Frauen früher begrenzt waren und sie weniger Möglichkeiten hatten, erfolgreich zu sein als ihre männlichen Kollegen. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen damit? War es vor ein paar Jahrzehnten wirklich schwieriger, eine Frau, eine Künstlerin, eine bildende Künstlerin zu sein?

Ich habe darüber noch nicht nachgedacht. Meiner Meinung nach ist jeder ein Individuum und kann sein eigenes Thema, seine eigenen Interessen, sowie die richtige Kundschaft und diejenigen finden, die sich für das interessieren, was man schöpft. Unabhängig vom Geschlecht, wenn Künstlerinnen bzw. Künstler etwas schaffen, das gefragt ist und in dem die Menschen Phantasie sehen, wird ihnen das in ihrer künstlerischen Laufbahn Bestätigung und Antrieb geben. Natürlich ist es eine andere Frage, wer welche Art von Karriere anstrebt, was eine Karriere für jemanden bedeutet, Weltruhm oder geringe Anerkennung.

Katalin Szászné Hajdu (r) und Endre Szász (l)

Sie haben bis zum Tod Ihres Mannes, Endre Szász, mit ihm zusammen gearbeitet. Ist es schwierig, nach einer so engen Zusammenarbeit wieder die eigene Stimme zu finden, die nun eine „Katalin Hajdu“ ist und nicht „Katalin Hajdu und Endre Szász“?

Das ist etwas ganz anderes. Wenn ich als Katalin male, habe ich eine unabhängige Stimme, ich schaffe, was ich fühle, mit der Absicht, dass mich etwas inspiriert und ich es als Katalin Hajdu male. Mein Stil war immer ganz anders als der Stil von Endre Szász und ist es immer noch. Wenn ich jedoch eine Adaption machen will, dann führe ich den „Brand Endre Szász“ weiter, indem ich seinen Stil beibehalte, seine Werke verwende oder adaptiere. Ich betrachte dies als eine schöpferische Arbeit, die gleichwertig mit meiner eigenen Schöpfung ist. Vielleicht könnte ich es mit einem Familienunternehmen vergleichen, das von den Familienmitgliedern weitergeführt wird.  Manchmal nehme ich ein Motiv aus einem Gemälde, verändere es nicht, sondern passe es nur an die Anforderungen der Kleidung, des Schmucks oder des jeweiligen Gegenstands an, womit ich arbeite, ohne dass das Motiv seinen wesentlichen Charakter verliert. Bei mir war es oft so, dass ich gemalt habe und dann eine längere oder kürzere Pause gehalten habe. Mein Mann hat mich dann immer gefragt: „Warum hast du aufgehört, warum malst du nicht mehr?“ Als ich dann wieder anfing zu malen, sagte er, es sei interessant, wie sehr ich mich während der Pause verbessert hätte. Nicht bewusst, aber dennoch tauchte eine neue Stimme in mir auf. Er bemerkte auch, dass sich die Stimmung unserer Farben in ähnlicher Weise verändert hatte. Nicht nur er beeinflusste meine Kunst, sondern auch ich beeinflusste seine, obwohl wir völlig unabhängig voneinander, in getrennten Ateliers, mit unterschiedlichen Paletten und Farben arbeiteten.

Katalin Szászné Hajdu: Porzellan-Ornament-Teller mit Lilie- und Herzenmotiv

Woran arbeiten Sie derzeit? Planen Sie in naher Zukunft eine Ausstellung im In- oder Ausland? Wo können wir Ihre Werke sehen?

Vor der Corona-Pandemie haben wir Modenschauen, sogar Modenschauen mit Ausstellungen veranstaltet. Jetzt plane ich, in einem Monat wieder temporäre Ausstellungen in Várda zu organisieren. Wir werden nicht nur meine Werke zeigen, sondern auch die von anderen Künstlern. Ich stelle auch unter bestimmten Bedingungen Ausstellungsmaterial zur Verfügung, aber dafür habe ich nicht mehr viel Kapazität. Ich habe die Endre-Szász-Stiftung (Szász Endre Életművét Gondozó Közhasznú Egyesület) gegründet, die das Ziel verfolgt, das künstlerische Lebenswerk von Endre Szász darzustellen und zu pflegen. Hier schreibe und setze ich Wettbewerbe um, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Wir betreiben auch das Schlossmuseum in Várda. Für all diese Aufgaben bräuchte man eigentlich jeweils eine Person: ich bin auch selbst eine Schöpferin, ich bearbeite die Werke von Endre Szász, ganz zu schweigen von der Katalogisierungs- und Werbearbeit, die wir auch machen. Meine Arbeit ist sehr vielfältig, aber es sind alles kreative Aufgaben. Die Homöopathie liegt mir auch sehr am Herzen, ich beschäftige mich seit mehr als einem Jahrzehnt ernsthaft damit, war einige Jahre lang Studentin eines Hochschulkurses und habe seither mit Begeisterung verschiedene nationale und internationale Online-Kurse besucht.

Katalin Szászné Hajdu: Geige

Was würden Sie jungen Künstlern, die am Anfang ihrer Karriere stehen, mit auf den Weg geben?

Das klingt vielleicht seltsam, aber ich habe keine Botschaft. Jeder sollte seine eigene Stimme finden und dem folgen, was man in sich spürt. Nicht auf andere hören und niemanden kopieren oder nachahmen. Folgen Sie, junge Künstlerinnen und Künstler, keinen Modetrends, diese sind immer flüchtig und Sie laufen Gefahr, sich in etwas zu verlieben und darin stecken zu bleiben. Jeder sollte versuchen, seine eigene Individualität zum Ausdruck zu bringen, aber nur, wenn man wirklich Spaß am Gestalten hat. Falls nicht, kann man ein verbitterter Mensch werden. Und das gilt nicht nur für Künstlerinnen und Künstler, sondern für jeden. Wenn man nicht das tut, was man liebt, oder zumindest einen Teil davon, werden Sie unglücklich sein. Ich denke, das Gleiche gilt für künstlerische Trends, dass jeder ein eigenes Feld und einen individuellen Stil finden soll.

Beitragsbild und Bilder im Artikel freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Katalin Szászné Hajdu