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Hochburg der Volkskunst in Ungarn: Nationaler Stickerei-Wettbewerb in Mezőkövesd

Judit Szlovák 2022.06.25.

Dieses Jahr wurde der landesweit berühmte und auch auf internationaler Ebene bekannte „Bori Kisjankó Nationale Stickerei-Wettbewerb“ zum 30-sten Mal in Ungarn ausgeschrieben. Die Eröffnung der Ausstellung der schönsten Stickereiarbeiten und die Preisverleihung finden am 1. Juli 2022, um 11 Uhr in der nordungarischen Kleinstadt Mezőkövesd statt.

Wer sind die Matyós, und was macht die Matyó-Stickerei so besonders und wertvoll?

Der Legende nach gab es einmal einen Matyó-Jungen, der vom Teufel entführt wurde. Seine Geliebte war sehr verzweifelt und flehte den Teufel an, ihren Gefährten zurückzugeben. Der Teufel aber bot einen Handel an: Er würde den Jungen gehen lassen, wenn sie ihm die schönsten Blumen des Sommers in ihrer Schürze mitbrächte. Das Mädchen war sehr traurig und verzweifelt, denn es war mitten im Winter. Schließlich fand sie einen Weg, den Teufel zu überlisten, bestickte ihre Schürze mit schönen Rosen und nahm sie im Tausch gegen ihren Geliebten mit. So lautet die Legende der fast zweihundert Jahre alten Stickerei der Matyós. Im Jahr 2012 wurde diese farbenprächtige und motivenreiche Handarbeit von UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Fact

Das Land der Matyós liegt in Nordungarn, südöstlich von Eger und etwa 130 km von Budapest. Mezőkövesd bildet mit den Dörfern Tard und Szentistván das Herz der Matyó Kultur. In der “Volksstickerei” von Tard und Szentistván dominieren andere Motive, sie werden jedoch auch zum Matyó-Land gezählt. Der mögliche Grund für diesen Zusammenhang ist, dass die Menschen hier eine römisch-katholische Insel in einem Umfeld der Kalvinisten bildeten. Laut einer Vermutung ist das Wort Matyó ein Spottname. Die Einwohner von Mezőkövesd waren und sind überwiegend katholisch, die von den Kalvinisten mit diesem Spottnamen betitelt wurden. Dieser Spottname ist allerdings in Vergessenheit geraten. Andere meinen, dass der Name Matyó mit dem berühmten ungarischen König Matthias (in Ungarisch Mátyás) zusammenhängt. Dafür spricht auch, dass Mezőkövesd von ihm den Status einer Feldstadt im Jahre 1472 erhielt. Das Besondere an den Matyós ist ihre tiefe Religiosität, ihre reiche Welt der Rituale und Traditionen und ihre spektakuläre Volkskunst.

Wie ist diese wunderschöne Stickereikultur entstanden?

Die Matyó-Stickerei ist etwa 200 Jahre alt. Die ältesten Stickereien wurden auf verzierten Bettdecken gefunden, da man sie bei wichtigen Anlässen wie Geburten, Hochzeiten und Todesfällen verwendet hatte. Sie nutzten sich so nicht ab, sondern blieben erhalten, und wurden in der Familie weitergegeben. In Mezőkövesd tauchten in den 1850er Jahren die in roter und blauer Farbe gestickten „cipés-madaras“-Motive (cipe: umgekehrte Stiefelform; madaras: Vogelmotive) auf, womit die Bettlakenränder geschmückt wurden. Die Farbe Rot war vorherrschend.

Fact

Den ersten nationalen Stickerei-Wettbewerb hat Mezőkövesd im September 1962 zum Gedenken an Bori Kisjankó, an die berühmte Stickerin und Musterzeichnerin veranstaltet. Dieser Wettbewerb ist nach Bori Kisjankó benannt worden, weil das kreative Talent dieser begabten Frau von allen Stickerinnen und Musterzeichnerinnen von Mezőkövesd und der weiteren Umgebung anerkannt wurde. Sie war daher die erste, die man 1953 mit dem damals gegründeten Preis „Meisterin der Volkskunst“ ausgezeichnet hatte. In den letzten Jahrzehnten hat diese Veranstaltung nicht nur auf städtischer, sondern auch auf nationaler Ebene ein hohes Ansehen erlangt und ist zum renommiertesten Wettbewerb für Stickerinnen in Ungarn geworden.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden die lockeren Strukturen durch einen stark naturalistischen Darstellungsstil ersetzt: Die Frauen stickten eine zunehmende Vielfalt von Motiven auf die zu bestickende Fläche, darunter die Pfingstrose, die als Matyó-Rose zum bekanntesten Mezőkövesd-Motiv wurde. Die wunderbaren Stickereien sind jedoch nicht nur eine Hommage an die Stickerinnen, sondern auch an die „Schreiber“, die die Entwürfe zeichneten. Viele von ihnen, darunter der vielleicht bekannteste und erfolgreichste Bori Kisjankó, stammten aus Kürschner-Familien, wo die reich bestickten Lederkleider hergestellt wurden. Es ist daher kein Zufall, dass Farbe und Form des neuen Stils von der Ornamentik der Kürschner-Stickereien inspiriert sind.

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Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Kleidungsstücke immer bunter, man hat sie mit verschiedenen Rosen, Margeriten, Tulpen, Kornblumen oder Maiglöckchen voll bereichert.  Bei der Verwendung von Farben dominierte nach wie vor die Farbe Rot, sie wurde aber zunehmend von Grün-, Blau-, Gelb-, Violett- und Rosatönen begleitet. Es wurden immer größere Flächen auf Heimtextilien und Kleidungsstücken bestickt, oft ohne symmetrische Wiederholung von Mustern, die den verfügbaren Raum frei ausfüllten. Matte Baumwollgarne wurden durch glänzende Seiden- und farbenfrohe Wollgarne ersetzt.

Fact

Bori Kisjankó – die berühmteste Matyó-Frau (1876-1954)
Zusammen mit ihrer Mutter, der alten Bori Kisjankó (1854-1927), galt sie als die beste Zeichnerin in Mezőkövesd. Ihr Talent hatte sie von ihrem Vater bzw. Großvater, dem Kürschnermeister János Nagy geerbt. Die alte Bori Kisjankó begann damit, gestickte Schürzen, Festtagshemden und Bettdecken für sich und ihre Brüder zu entwerfen, und fing dann an auf Wunsch ihrer Nachbarn zu „schreiben“. Ihre Tochter Bori Kisjankó wuchs in der Werkstatt ihres Großvaters auf, und half ihrer Mutter regelmäßig beim Besticken von Mädchenschürzen und Jungenhemden.

Bori Kis Jankó

Ihr individueller Stil zeichnete sich durch die axiale Anordnung der Motive, die sich nie der Symmetrie bedienten, die totale Ausfüllung des Raumes und die Vogelmotive aus. Sie war eine akribische Zeichnerin und liebte es, auf Papier zu malen. Auch die anderen Mädchen und Frauen der Familie Kis Jankó beschäftigten sich mit der Stickerei.

Der Entwurf, die Verwaltung und die Verhandlungen mit den Kunden lagen in der Verantwortung der älteren und dann der jüngeren Bori Kisjankó. Bori Kisjankó konnte erleben, dass ihr kreatives Talent und ihre liebenswerte Persönlichkeit sowohl in Ungarn als auch über unsere Grenzen hinaus anerkannt und respektiert wurden.

Gemalte Matyó-Rosen von Bori Kisjankó

Heute wird ihr Andenken in Mezőkövesd durch den 1963 gegründeten Nationalen Bori Kisjankó-Stickerei-Wettbewerb bewahrt. An sie erinnern noch ihre Statue vor dem Matyó-Museum, das Bori-Kisjankó-Gedenkhaus und die nach ihr benannte Straße.

„Ragyogóégetés“ in Mezőkövesd (Verbrennung von Schmuckstücken – 1925).
”Der Magen kann knurren, aber die Volkstracht und die Haube sollen glänzen!”

Die erste schriftliche Erwähnung der Stickereikultur in Mezőkövesd stammt aus dem Jahr 1857, was darauf hindeutet, dass es lange gedauert hat, bis sich die Stickerei zu der Form entwickelte, die wir heute kennen. Die Gruppe von Matyó-Stickern und -Malern wurde gegründet, um die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu erfüllen. Der Verfall des künstlerischen Wertes begann in den 1920er Jahren mit dem Aufsticken von sogenannten Flittern (Glasperlen, Pailletten, Kupferornamenten, Goldspitzen usw.) auf die Kleidung. Dadurch wurden die Preise für Kleidung sehr teuer. Die Kosten für den Kauf von Lebensmitteln für Familien, die in der Regel viele Kinder hatten, wurden ein großes Problem. Damals wurde der Spruch berühmt: „Der Magen kann knurren, aber die Volkstracht und die Haube sollen glänzen“. In vielen Fällen waren sie am Rande des Verhungerns, weshalb 1925 ein großer Teil der Kirche und der Intelligenz der Stadt aktiv wurde. Sie machten es zur Pflicht, diese Dekorelemente auf dem Hauptplatz der Stadt zu sammeln und dort zu verbrennen. Das war die berühmte „Ragyogóégetés“.

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Der Weg zur Berühmtheit

Die prächtigen Stickereien und die Eleganz der Mezőkövesd-Volkstracht, die sich deutlich von den bäuerlichen Trachten abhebt, standen schon früh im Mittelpunkt des Interesses. Die Nationale Handwerksausstellung von 1885, das 1896 zu Ehren des Millenniums errichtete ethnografische Dorf, das Matyó-Hochzeitstanzspiel, der 1911 auf dem Isabella-Ball im Opernhaus in Budapest aufgeführt wurde, die Weltausstellung in Turin 1908 (Kanada), um nur einige der erfolgreichen Vorstellungen der Matyó-Volkskunst zu nennen. Sie tauchte in den Salons des Adels und des Bürgertums auf, in den Folklorekollektionen berühmter Modeschöpfer, auf Titelseiten und Postkarten. Die Matyó-Stickerei ist zum Markenzeichen des Landes geworden, und auch wenn einige über ihre „Kunterbuntheit“ streiten, so hat sie doch einen unbestreitbaren Verdienst daran, die ungarische Kultur und Volkskunst weltweit bekannt und anerkannt zu machen.

Matyó-Hochzeitstanz

Die markantesten Kleidungsstücke der Matyó-Männer, die unverwechselbaren Hemden mit „flatternden Ärmeln“, waren anfangs mit dezenten weißen Lochstickereien versehen. Diese wurden später durch breite, bunte Stickereien ersetzt. Ein weiterer eindrucksvoller Teil der Tracht ist die lange Schürze, der „surc“, reich bestickt auf schwarzem Grund, mit kupfernen „Glanz“- und Seidenbroschen, die von Männern und Frauen getragen wird. Fast jedes Stück hat ein anderes Muster.

Die Form der Matyó-Frauenkleidung unterscheidet sich stark von der landesweit üblichen bäuerlichen Kleidung in Ungarn. Der knöchellange, glockenförmige Matyó-Rock mit einer engen „litya“, die die Schlankheit des Oberkörpers betont, verleiht der Trägerin eine prächtige Figur. Die bereits erwähnten Schürzen sind aus edlen Materialien gefertigt und reich verziert. Die Farben, Verzierungen und nicht zuletzt die unterschiedlichen Formen der Hauben spiegelten deutlich das Alter und den Familienstand der Trägerin wider und verdeckten gleichzeitig soziale Unterschiede. Der Satz „Lass es rauschen, lass es leuchten“ war kein äußerer Befehl, sondern ein innerer Drang, dem schöpferischen Drang der Matyós, ihrem Lebenswillen zu dienen.

Wir freuen uns, Sie bei unserer Ausstellung am 1. Juli 2022, um 11 Uhr in Mezőkövesd begrüßen zu können!

(Quellen: matyofolk.hu, femina.hu, reiseninungarn, mezokovesd.hu, matyohimzes.info, Fotos: Facebook: Matyó Múzeum, Szlovák Sándorné, MTI Fotó: Bruzák Noémi)