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Jean-Claude Juncker: „Solidarität ist kein à la carte-Gericht“

Enikő Enzsöl 2017.09.06.

Die EU-Kommission sei bereit, Ungarns Forderung zu prüfen, wenn der Staat zusätzliche finanzielle Hilfe für den Grenzschutz wegen dringenden Bedarfs beantragen wolle, schrieb EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seinem Antwortbrief an Viktor Orbán. Er beharrt aber darauf, dass „Solidarität keine Einbahnstraße ist“.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte vergangene Woche in einem Brief von der EU gefordert, die Hälfte der Kosten für den Bau und den bisherigen Betrieb des ungarischen Grenzzauns zu übernehmen. „Gemäß der ungarischen Position ist es höchste Zeit dafür, dass europäische Solidarität auch im Bereich des Grenzschutzes in der Praxis obsiegt“, schrieb Orbán. „Wir würden es als vernünftig erachten, die Kosten, welche Ungarn entstanden sind, zwischen der Europäischen Union und Ungarn zu halbieren.“, so Orbán weiter.

In seinem Antwortbrief schrieb Jean-Claude Juncker, er begrüße, dass Ungarn „Solidarität als wichtiges Prinzip der Europäischen Union“ anerkenne. Ungarn habe 2015 aber ein Angebot der Kommission zurückgewiesen, damals dort angekommene Flüchtlinge auf andere Länder zu verteilen, erinnerte der Kommissionspräsident. Die ungarische Regierung habe auch schon vorab überwiesene Hilfsgelder zur Flüchtlings-Nothilfe zurückgewiesen. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe Ungarn in den Jahren 2014 und 2015 Anspruch auf EU-Notfallhilfe in Höhe von 6,26 Millionen Euro gehabt, aber nur 33 Prozent genutzt, schrieb Juncker. Außerdem stünden Ungarn 40 Millionen Euro aus EU-Mitteln für die Sicherung der EU-Außengrenzen zu.

Über sieben Jahre habe Ungarn 25 Milliarden Euro an Strukturgeldern aus dem gemeinsamen Budget erhalten, dabei zeige sich auch die europäische Solidarität, hieß es in dem Brief weiter. Das entspreche pro Jahr über drei Prozent der ungarischen Wirtschaftsleistung – mehr als bei jedem anderen EU-Land, so Juncker. Die Kommission würde Ungarns Forderung prüfen, wenn sie Staat zusätzliche finanzielle Hilfe für den Grenzschutz wegen dringenden Bedarfs beantragen wolle.

„Solidarität ist eine Zweibahnstraße. Es gibt Zeiten, in denen Mitgliedstaaten erwarten können, Solidarität zu erfahren. Und es gibt Zeiten, in denen sie im Gegenzug bereit sein sollten, einen Beitrag zu leisten“, erklärte der Kommissionspräsident.

Auf den Kommentar eines Sprechers der EU-Kommission, wonach die Kommission nicht den Bau von Zäunen unterstütze, wurde im Brief nicht verwiesen.

Im Zusammenhang mit Orbáns Brief forderte Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament in einem Interview ein Zeichen von Solidarität auch von der EU. „Ich verstehe, dass Orbán für seinen Grenzschutz finanzielle Unterstützung einfordert, weil dies ein Beitrag bei der Bewältigung der Migrationskrise war. Ungarn kontrolliert die Außengrenze für viele andere mit. Die EU-Kommission darf so eine Anfrage nicht einfach vom Tisch wischen.“, erklärte Weber.

via mit.hu, faz.net, politico.eu; Foto: consilium.europa.eu