Der Premierminister sprach in seinem gewöhnlichen Freitagsinterview unter anderem über das Kinderschutz-Referendum, über den Wiederaufbaufonds der EU, die dritte Impfung sowie die Olympischen Spiele in Tokio. Weiterlesen
Die ungarische Regierung hat ein Schreiben an die Europäische Kommission geschickt, um auf das Vertragsverletzungsverfahren zu reagieren, das wegen des ungarischen Kinderschutzgesetzes eingeleitet wurde. In dem Dokument argumentiert Justizministerin Judit Varga, warum sie der Meinung ist, dass das Gesetz, das die Regierung ursprünglich als Anti-Pädophilen-Gesetz bezeichnete, nicht der Kritik ausgesetzt werden sollte, berichtet das regierungskritische Portal 444.
Dieser Artikel erschien original auf unserer Schwesternseite Hungary Today.
Um die Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes und die Verwirklichung der Rechte des Kindes zu gewährleisten, ist es verboten, Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Inhalte zugänglich zu machen, die pornografisch sind oder die Sexualität in unangemessener Weise darstellen oder die eine Abweichung von der dem Geburtsgeschlecht entsprechenden Selbstidentität, eine Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität propagieren oder darstellen
unter anderem dies steht im sog. ungarischen „Kinderschutzgestz“.
Die Verabschiedung des Kinderschutzgesetzes wurde nicht nur in Ungarn, sondern auch im Ausland heftig kritisiert, da es von seinen Kritikern als eindeutig gegen sexuelle Minderheiten gerichtet angesehen wurde. Viktor Orbán und viele Fidesz-Politiker behaupteten sogar, dass Brüssel Ungarn wegen des Gesetzes Gelder aus dem EU-Wideraufbaufonds vorenthält. Diese Behauptung wurde von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiederholt zurückgewiesen, da es der EU offiziell in erster Linie um das hohe Maß an Korruption in Ungarn geht.
Es ist jedoch unbestreitbar, dass das im Sommer verabschiedete Gesetz auch bei der EU nicht gut angekommen ist. Kommissionspräsidentin von der Leyen nannte das Gesetz eine „Schande“, und die EU hat auch schriftlich mehrmals Einwände gegen dieses erhoben und sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet.
Während des Verfahrens hat jedoch die ungarische Regierung die Möglichkeit, auf die Einwände zu reagieren. Sollte dies die Europäische Kommission nicht überzeugen, wird das Gesetz vor Gericht gebracht, was zu einer Geldstrafe für Ungarn führen könnte.
Einige der Kritikpunkte der Kommission richten sich gegen „den Geist des Gesetzes im Allgemeinen“, da es laut ihnen diskriminierend sei und gegen grundlegende EU-Werte verstoße. Andereseits sehen die Kritiker den freien Handel innerhalb der EU durch das Gesetz bedroht, da es Mediendienstleister oder Werbeunternehmen unverhältnismäßig stark einschränke.
In einer Antwort der ungarischen Regierung auf das Vertragsverletzungsverfahren erklärt Judit Varga, dass sie das gesamte Verfahren für unfair hält und dass die Kommission Ungarn „unter einem rechtlichen Deckmantel, aber auf einer eindeutig politischen Grundlage“ angreift.
Gleichzeitig geht sie aber auch ausführlich auf alle neun Hauptvorwürfe der Kommission ein.
Varga verteidigt die Verabschiedung des Gesetzes unter anderem mit dem Argument, dass das ungarische Parlament keine andere Wahl gehabt hat, als es zu verabschieden, da die 9. Verfassungsänderung (2020) auch besagt, dass „die Mutter eine Frau und der Vater ein Mann“ ist.
Und da auch das Geburtsgeschlecht von Kindern in der Verfassung festgelegt sei, müsse ein entsprechendes Gesetz erlassen werden, so Varga. In der Verfassung steht unter anderem:
„Ungarn schützt das Recht der Kinder auf Selbstidentität gemäß ihrem Geburtsgeschlecht und gewährleistet eine Erziehung gemäß den Werten, die auf der verfassungsmäßigen Identität und der christlichen Kultur unseres Landes beruhen“.
Da die Verfassung eines Landes kein Rechtsdokument ist, kann die EU dagegen nicht vorgehen.
Laut 444.hu geht Varga dann in einer ausführlichen rechtsphilosophischen Diskussion auf das Verhältnis zwischen EU-Recht und nationalen Verfassungen ein und verweist dabei auch auf das letztjährige Urteil des ungarischen Verfassungsgerichts, wonach in Zweifelsfällen die ungarische Verfassung Vorrang hat.
Sie weist auch darauf hin, dass das bevorstehende „Kinderschutz-Referendum“ der Regierung, sollte es erfolgreich sein, bedeuten wird, dass die ungarische Bevölkerung ihren Willen für dieses Gesetz zum Ausdruck bringt (obwohl es bei dem Referendum eher um die Geschlechtsumwandlung von Minderjährigen als um die Förderung der Homosexualität geht).
Die Ministerin schreibt in dem Brief auch, dass das Gesetz bei weitem nicht so streng ist, wie die Kommission es sieht und betont, dass Medieninhalte nur dann im Sinne des Gesetzes eingeschränkt werden sollten, wenn sie von der Förderung von Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität dominiert werden. Sie argumentierte, dass die Europäische Kommission fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Regierung eine Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität für falsch hält und deshalb ihre Anzeige einschränkt. Varga zufolge hat der ungarische Gesetzgeber dazu nicht Stellung genommen, sondern lediglich erklärt, dass Inhalte, die das Thema ausführlich behandeln, schädliche Auswirkungen auf Minderjährige haben könnten.
(Beitragsbild: MTI/Koszticsák Szilárd)