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Kampf gegen den demographischen Winter: Wohin sind eine Million Ungarn verschwunden?

Daniel Vargha 2021.11.06.

Seit den 1980er Jahren ist in Ungarn ein drastischer Rückgang beim Bevölkerungswachstum zu beobachten. In nur knapp 40 Jahren sind fast 1 Million Ungarn aus dem Land verschwunden. Die Gesellschaft altert, ähnlich zu den meisten europäischen Ländern, in einem dramatischen Tempo. Es werden immer weniger Kinder geboren und es ist nicht nur schwierig, diesen Trend zu bremsen, sondern es könnte Jahrzehnte dauern, ihn umzukehren. Wohin sind eine Million Ungarn verschwunden und was sagen die Experten: können die Familien-Maßnahmen der Orbán-Regierung diesen Prozess stoppen oder sogar umkehren?

Dank des Babybooms nach der Ratkó-Ära konnte sich das von Kriegen und Epidemien heimgesuchte Ungarn im 20. Jahrhundert erholen. Die Ratkó-Enkelkinder, also die Generationen x und auch y, hatten ebenfalls einen signifikant positiven Einfluss auf das Bevölkerungswachstum. Seit den 1980er Jahren ist jedoch ein drastischer Rückgang zu beobachten. Allein zwischen 1982 und 2020 ist die Bevölkerung Ungarns von 10,71 Millionen auf 9,75 Millionen gesunken.

Fact

Die nach der ehemaligen Volkskommissarin für Gesundheit Anna Ratkó benannte „Ratkó-Ära“ umfasst die Jahre 1949-1953 (im weiteren Sinne bis 1956) und das damit verbundene Geburtenkontrollgesetz.

Das Gesetz hat den Schwangerschaftsabbruch verboten. Kinderhaben wurde propagiert. Es wurde eine Geburtensteuer eingeführt, die von Männern zwischen 20 und 50 Jahren und Frauen zwischen 20 und 45 Jahren zu zahlen war, die bereits ein Einkommen hatten, aber noch keine Kinder bekommen haben.

Gleichzeitig wurde der Schutz für Mütter, Schwangere und Kinder festgelegt. Das Gesetz sah einen 12-wöchigen, bezahlten Urlaub vor der Geburt und einen sechsmonatigen Stillurlaub nach der Geburt vor. Das Dekret hat sich in der Tat erheblich auf das Bevölkerungswachstum ausgewirkt: In zehn Jahren ist die Bevölkerung um fast 600.000 Menschen gestiegen. Wenn man die Auswanderung nach der Revolution 1956 dazu zählt, so ergibt sich ein Zuwachs von mindestens 800.000 Menschen.

/Quelle: Wikipedia/

Es ist sicher, dass das Europa unseres Jahrhunderts ein Europa der Überalterung und Entvölkerung sein wird. Dies lässt sich durch den Rückgang der Zahl der geborenen Kinder und den Anstieg des Durchschnittsalters erklären. Die Überalterung der Bevölkerung bedeutet auch eine wachsende Belastung des Versorgungssystems (Renten, Gesundheitsfürsorge für ältere Menschen, usw.) die die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Der Prozess könnte sogar zum Aussterben führen. Das Problem ist also ernst zu nehmen, denn die Fertilitätsrate beträgt in Europa durschnittlich 1,6. Damit die Bevölkerung mittelfristig überleben kann, muss die Rate bei ca. 2,1 liegen. Unterhalb von 1,3 wird die Bevölkerung wahrscheinlich schnell abnehmen und in absehbarer Zukunft möglicherweise ganz verschwinden. 2010 war diese Zahl in Ungarn 1,25. Es ist gar nicht erstaunlich warum die Orbán-Regierung aus der Familienpolitik eine zentrale Frage macht.

Fact

Fertilitätsrate ist ein in der Demografie verwendetes Maß, das angibt, wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich im Laufe des Lebens hätte, wenn die zu einem einheitlichen Zeitpunkt ermittelten altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern für den gesamten Zeitraum ihrer fruchtbaren Lebensphase gelten würden.
/Quelle: Wikipedia/

Um das Problem zu verstehen, ist es wichtig, gleich zu Beginn einige grundlegende Begriffe zu klären. Das Problem hat prinzipiell zwei Seiten. Auf einer Seite sind die soziologischen und auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Ursachen und zusätzlich eine dritte Seite: die Auswanderung. Diese zwei bzw. drei haben einen engen Zusammenhang und wirken gegenseitig aufeinander. In den vergangenen Jahrhunderten wurden viele soziologische Theorien entwickelt, eine der wichtigsten ist die Theorie des demografischen Übergangs von Frank W. Notestein. Demnach befinden sich die modernen Gesellschaften (in erster Linie die europäische Gesellschaft) im 3./4. Übergang.

Fact

Die erste Phase ist durch eine lange Periode mit hoher und gleichbleibender Sterblichkeit und Fruchtbarkeit gekennzeichnet. Agrargesellschaften, in denen die Ursachen für die hohe Fruchtbarkeit in der Wirtschaftsstruktur, der Heirat und der  Institution der Ehe und der Familie, im Bildungssystem und der religiösen Einstellung liegen.

In der zweiten Phase geht die Sterblichkeit deutlich zurück, während die Fruchtbarkeit unverändert bleibt. Diese beschleunigt das Bevölkerungswachstum, so dass es irgendwann zu einer Bevölkerungsexplosion kommt. Dies geschah im 19. Jahrhundert in den heute entwickelten Regionen (Nord- und Westeuropa später im ganzen Europa und Nordamerika) und wird oft als die erste demografische Revolution bezeichnet. Der Rückgang der Sterblichkeit ist weitgehend auf die Verstädterung und die Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens zurückzuführen.

In der dritten Phase geht die Sterblichkeitsrate weiter zurück und die Fruchtbarkeitsrate sinkt, was zu einem Bevölkerungsrückgang führt. Die technologische Revolution hat die Lebensqualität der Gesellschaft verändert. Es entstehen neue Normen, die Menschen (Familien) haben weniger Kinder, aber bessere Bildung, bessere Lebensbedingungen und schnelleren sozialen Aufstieg. Die Folge ist, dass in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Geburtenrate in den Industrieländern zu sinken beginnt.

Die letzte, also vierte Phase ist sowohl durch eine niedrige Sterblichkeit als auch durch eine niederige Fruchtbarkeit gekennzeichnet.
/Quelle: https://borbelypecze.wesley.hu/ 

Quelle: Wikimedia Commons

Was sind die Hauptgründe für die Veränderung?
Die Auflösung der klassischen Geschlechterrollen, moderne Methoden der Empfängnisverhütung. Selbstverwirklichung statt Selbsterhaltung. Das Entstehen einer Konsumgesellschaft, in der der Konsum wichtiger wird als die Wohlfahrtsproduktion. Einkommensunsicherheit, Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen, ungünstige Wohn-, Verkehrs- und Bildungsbedingungen, Auswanderung. Die Säkularisierung, die Ablehnung der Spiritualität und der daraus abgeleiteten ethischen Gesellschaft und stattdessen die Betonung der Selbstbezogenheit. „Mein Körper, mein Leben“. Späte und wenige Kinder als Folge der verlängerten Schulzeit der zukünftigen Eltern. Wie wir sehen, ist das Problem äußerst komplex und dies ist nur eine Seite, und zwar nur die soziale Seite. 

Welche Maßnahmen können das Problem des „demographischen Winters“ langfristig lösen?
Die Orbán-Regierung versucht seit 2010 in erster Linie die soziologische und ideologische Seite der Ursachen zu bewältigen. Man hat den ersten Schritt mit der neuen Verfassung gemacht. Gleich im ersten Teil, im Nationalen Glaubensbekenntnis steht:

Der wichtigste Rahmen unseres Zusammenlebens ist die Familie und die Nation, und die Grundwerte unserer Zugehörigkeit sind Loyalität, Glaube und Liebe.

Im Artikel L wird festgelegt:

Ungarn schützt die Institution der Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, die auf einer freiwilligen Entscheidung beruht, und die Familie als Grundlage für das Überleben der Nation. Die familiäre Beziehung basiert auf der Ehe und der Eltern-Kind-Beziehung.

Die Regierung wollte schon von Anfang an im säkularisierten Europa die grundlegenden Werte befestigen. Gott, Heimat, Familie. Teil dieser Politik ist der Kampf gegen LMBTQ-Ideen. Dieser Kampf äußerte sich in den Medien (durch bezahlte staatliche Werbungen) und in Form von Gesetzen. Die Symbolik und das positive Beispiel spielen auch eine sehr wichtige Rolle, denn führende Politikerinnen in Ungarn (Judit Varga, Katalin Novák) haben eine große Familie mit vielen Kindern. Die Verstärkung des Programms „Woche der Ehe“ gehört auch zu dieser Politik, das in Ungarn seit 2008 besteht. Ziel der Bewegung ist es, die Menschen über die traditionellen Werte aufzuklären, die eine glückliche und erfolgreiche Ehe ermöglichen und der gesamten Gesellschaft zugute kommen können.

Orbán: "Es kann sein, dass die Deutschen die LMBTQ-Aktivisten in ihre Schulen lassen, ich will das aber nicht"
Orbán:

Der Premierminister sprach in seinem gewöhnlichen Freitagsinterview unter anderem über das Kinderschutz-Referendum, über den Wiederaufbaufonds der EU, die dritte Impfung sowie die Olympischen Spiele in Tokio. Weiterlesen

Die Idee eines zusätzlichen Wahlrechts in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder wurde bereits in der Vergangenheit angesprochen aber in der sog. nationalen Konsultation (Umfrage) von der Öffentlichkeit abgelehnt. Die rechtliche Tragfähigkeit des Gesetzes wäre fraglich gewesen. Trotz der klaren Absicht, das Kinderkriegen zu fördern, hätten die großen sozialen Unterschiede in Ungarn (verarmtes Land, mehr Kinder, wenig Kinder in der bürgerlichen Schicht) zu ernsthaften Konflikten geführt.

Ein weiteres entscheidendes Gesetz wurde 2011 von der Regierung erlassen, und zwar das Gesetz zum Schutz der Familien.

Die Familie ist die wichtigste nationale Ressource Ungarns. Als Grundeinheit der Gesellschaft ist die Familie der Garant für das Überleben der Nation und das natürliche Umfeld für die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, das der Staat respektieren muss.

An mehreren Stellen werden die väterlichen und mütterlichen Geschlechterrollen betont, wie z.B. im Teil „Zielsetzungen und Grundsätze“:

Der Staat schützt die Familie und die Ehe aufgrund ihrer Würde und ihres Wertes und insbesondere die Eltern-Kind-Beziehung, in der die Mutter eine Frau und der Vater ein Mann ist und die die Grundlage der familiären Beziehung bildet.

Am 12. Februar 2012 wurde eine Experten-Arbeitsgruppe „Familienfreundliches Ungarn“ mit dem Ziel gegründet, den neuen Baby-Boom der Mittelschicht zu verwirklichen. Der Plan verknüpft den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes mit einer Erhöhung der Kinderzahl und erklärt, dass „Kinder zu haben im nationalen wirtschaftlichen Interesse liegt. Sie misst der Entwicklung einer familienfreundlichen Einstellung der Öffentlichkeit und der Einleitung einer Medienkampagne zur Förderung des Kinderkriegens besondere Bedeutung bei.

Ungarn ist Spitzenreiter bei der Familienförderung
Ungarn ist Spitzenreiter bei der Familienförderung

Ungarn wird in diesem Jahr mehr als 5 Prozent des BIP für Familienunterstützung ausgeben. Das ist mehr als in jedem anderen Land der Welt, sagte Familienministerin Katalin Novák in einer Videobotschaft, die am Samstag auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht wurde. Die Ausgaben der Regierung für Familienunterstützung werden in diesem Jahr 2.600 Milliarden Forint (7,1 Mrd. Euro) […]Weiterlesen

Infolgedessen hat die Regierung in den letzten Jahren eine Reihe von Programmen zur Unterstützung von Familien und Steuergutschriften aufgelegt, die direkt versuchen, dem demografischen Rückgang entgegenzuwirken. Zu den Maßnahmen gehört die Reform des GYED (Kindergeld), das das erste mal 1985 eingeführt wurde, um Eltern für Einkommensverluste zu entschädigen. Nach der neuen Regelung können Eltern (in der Regel Mütter) ab dem ersten Lebensjahr Vollzeit arbeiten und erhalten gleichzeitig den vollen Betrag von GYED.

Eine andere Neuigkeit, das Geschwister-GYED gibt GYED und GYES (Kinderbetreuungsgeld seit 1967) zur gleichen Zeit für jedes Kind, das im Abstand von einem oder zwei Jahren geboren wird. Graduiertes-GYED, das den garantierten Mindestlohn bis zum Alter von einem Jahr (ab 2018 zwei Jahren) für Mütter mit Hochschulabschluss zahlt. Nach einer Reform aus dem Jahr 2016 ist es möglich, ab dem sechsten Lebensmonat zusätzlich zur GYED zu arbeiten. Das bedeutet in der Praxis, dass Mütter nach Ablauf des Kinderbetreuungsgeldes wieder Vollzeit arbeiten gehen können, ohne einen Cent ihrer Leistungen zu verlieren.

2015 wurde die CSOK (Familienheimgründungsbeihilfe) eingeführt. Die CSOK war ebenso wie die GYED Extra nicht die Einführung einer neuen Leistung, sondern eine radikale Reform einer bestehenden Regelung, in diesem Fall die Reform der sozialpolitischen Unterstützung.

Laut Regierungsmitteilung soll das CSOK demografischen und wirtschaftlichen Zielen dienen: Es soll die Zahl der Kinder und die Geburt dritter Kinder erhöhen und die Bauwirtschaft ankurbeln. Um diese staatliche Unterstützung zu erhalten, muss man zwei Jahre Vollzeitbeschäftigung oder gleichwertige Beiträge nachweisen können. Öffentliche Arbeiten werden nicht als Beschäftigung anerkannt.

Eine weitere Neuerung des CSOK besteht darin, dass nicht nur Paare mit drei Kindern, sondern auch junge Paare, die Kinder „versprechen“, den Höchstbetrag von 10+10 Millionen Forint (insgesamt ca 57 000 EUR) Unterstützung erhalten können. Diejenigen jungen Paare, die noch kinderlos sind, aber den Anspruch auf die Unterstützung haben, müssen zuerst heiraten, um CSOK erhalten zu dürfen. Während für diejenigen, die bereits drei oder mehr Kinder haben, ist eine Heirat nicht vorausgesetzt.

Eine weitere neue Kategorie unterstützt diejenigen, die in den Dörfern leben (Falusi-CSOK). Ab dem 1. Juli 2019 können bis Mitte 2022 in 2.486 kleinen Siedlungen 600.000 HUF für ein Kind, 2,6 Millionen HUF für zwei Kinder und 10 Millionen HUF für drei oder mehr Kinder für den Kauf einer gebrauchten Wohnung aufgenommen werden.

Natürlich hat auch der Immobilienmarkt auf die CSOK reagiert, und zwar mit einem drastischen Anstieg der Immobilienpreise. Wenn ein Käufer mehr Geld ausgeben kann, wird der Verkäufer logischerweise mit einer Preiserhöhung reagieren. Das ist eine schlechte Nachricht für diejenigen, die gefördert sind, aber noch schlimmer für diejenigen, die kein Recht auf die Förderung haben, aber trotzdem eine Immobilie kaufen möchten. Zwischen Frühjahr 2015 und Frühjahr 2021 stieg der durchschnittliche Quadratmeterpreis auf dem Angebotsmarkt in Budapest um das 2,5-fache und in den Komitatssitzen um das 2,3-fache. Das ist natürlich nicht nur auf die CSOK zurückzuführen, aber sie hat die Preise stark in die Höhe getrieben.

Die Maßnahme hat auch schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen, denn laut der Daten des ungarischen statistischen Zentralamts war der Bestand an Wohnungsbaudarlehen in Höhe von über 4.000 Mrd. Forint bis zum 31. Dezember 2020 um 10 % höher als im Jahr 2019 und machte 8,4 % des BIP aus. Die Zahl der CSOK-Subventionen betrug  im Jahr 2020 41 000.

Regierung will nächstes Jahr 3.500 Milliarden Forint für Familienhilfe ausgeben
Regierung will nächstes Jahr 3.500 Milliarden Forint für Familienhilfe ausgeben

Die Ausgaben für familienunterstützende Maßnahmen werden im nächsten Jahr auf rund 3.500 Milliarden Forint ansteigen, im Jahr 2010 waren es nur 960 Milliarden." Das bedeutet, dass die Regierung 6,2 Prozent des BIP für die Unterstützung von Familien ausgeben wird.Weiterlesen

Die Regierung unterstützt nicht nur Menschen, die bereit sind eine Familie zu gründen, sondern auch diejenigen, die sich noch in der Planungsphase befinden. Die Befreiung der unter 25-Jährigen von der Einkommenssteuer dürfte ebenfalls zur Erleichterung der Familienplanung beitragen, da die dadurch erzielten Einsparungen dazu beitragen werden, dass künftige Väter und Mütter, die über eine stabilere Grundlage verfügen, stärker motiviert sind, eine Familie zu gründen.

Demnach kann das jährliche Nettoeinkommen junger Menschen ab 2022 um maximal 720.000 Forint steigen. Es ist auch wichtig zu betonen, dass die Leistung im Falle einer Beschäftigung auf Einkommen (z. B. Prämien) angewendet werden kann, das für 2021 nachgezahlt wird.

Auf diese Weise hat die Steuergutschrift sowohl eine direkte als auch eine indirekte Auswirkung auf das Bevölkerungswachstum, da es sich nicht mehr nur um eine soziale Steuergutschrift handelt, sondern um einen Versuch durch die Wirtschaft den Bevölkerungswachstums zu fördern. Je mehr ein Bürger verdient, je wohlhabender er ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er mehr Kinder bekommt. Hohe Einkommen, steigende Fruchtbarkeit, niedrige Einkommen, niedrige Fruchtbarkeit.

Fact

Die Lebensqualität kann anhand einer gemeinsamen Umrechnungsgrundlage, der so genannten Kaufkraftparität (KKS), verglichen werden, die den Preis einer Reihe von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen in jedem Land misst. Ein Vergleich des Pro-Kopf-BIP gemessen an der Kaufkraftparität gibt einen Überblick über die Unterschiede im Lebensstandard in der EU.
Quelle: europa.eu

Quelle: Eurostat

Was könnte noch den Wachstum fördern?
Viele andere Faktoren wirken sich ebenfalls auf den Bevölkerungswachstum aus und ohne eine ernsthafte Entwicklung dieser Faktoren und Bereiche können wir keinen langfristigen demografischen Erfolg erwarten. Die begrenzte Wirksamkeit des Gesundheitswesens und der ungesunde Lebensstil der Ungarn sind ein Bereich, der stark verbesserungs- und entwicklungsbedürftig ist.

Seit 2010 Ungarn zeigt die größte Entwicklung unter den EU-Ländern, aber die Lebenserwartung bei der Geburt ist immer noch sehr niedrig.

Die Lebenserwartung bei der Geburt liegt in Ungarn im Durchschnitt bei 76,1 Jahren und damit 5 Jahre unter dem EU-Durchschnitt von 80,9 Jahren. Die Fettleibigkeit bei Erwachsenen ist eine der höchsten in der EU. Auch bei Kindern ist sie ein ernstes Problem, obwohl die Regierung den obligatorischen Sportunterricht ausgeweitet und zahlreiche Programme zur Förderung der körperlichen Beschäftigung aufgelegt hat. Diese Zahlen zeigen, dass die Primärversorgung innerhalb des Gesundheitswesens wesentlich verbessert werden muss.

In Ungarn wird die Hälfte aller Todesfälle auf eine ungesunde Lebensweise zurückgeführt, darunter übermäßiger Alkoholkonsum, schlechte Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel.

Auch die Auswanderung von Ungarn ist ein negativer Faktor, der glücklicherweise wieder rückgängig gemacht werden konnte. Nach Angaben des Statistischen Zentralamtes (KSH) kehrten im Jahr 2020 23,2 Tausend Ungarn in ihre Heimat zurück, während 21,9 Tausend das Land verließen. Laut KSH erreichte die Auswanderung 2015 ihren Höhepunkt, als fast 33.000 Ungarn ins Ausland zogen. Nach früheren Statistiken leben derzeit etwa 600 000 Ungarn in Westeuropa. Sie sind ein bevorzugtes Ziel für die Zuwanderung, da sie eine große Zahl junger Hochschulabsolventen umfassen, die zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen würden, was sich unmittelbar positiv auf die Bevölkerungszahlen auswirken würde.

Wie hat sich die Situation unter der Orbán-Regierung verändert?
Bislang wurden in Ungarn vier Demografiegipfel organisiert. Ministerpräsident Viktor Orbán betonte in seiner Rede auf der jüngsten Veranstaltung, dass das Ziel der Regierung ist, die Geburt von Kindern zu einem finanziellen Vorteil für die Familie zu machen und den Familien den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern. Die Familienpolitik muss sich an den Müttern orientieren und das ganze Land muss familienfreundlich gestaltet werden. Die Gesetze müssen auch zum Schutz der Familie und der Kinder eingesetzt werden.

Orbán betonte, dass die Unterstützung der Familien in einer Weise erfolgen muss, die ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gewährleistet. Wir geben 5 % des ungarischen BIP für die Unterstützung von Familien aus (ab 2022 6,2%), wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, wir sind auf halbem Wege, aber wir kennen zumindest die Richtung, in die wir gehen.

Dank der Familienpolitik hat sich die Zahl der Eheschließungen seit 2010 fast verdoppelt und die Zahl der Abtreibungen ist in Ungarn um 41 % zurückgegangen. Eine weitere gute Nachricht ist, dass die Fertilitätsrate eine eindeutige positive Veränderung zeigt und derzeit 1,55 beträgt. Als die 2. Orbán-Regierung an die Macht gekommen ist, war diese Zahlt 1,25.

Pessimistische oder eher optimistische Aussichten?
Nur durch feste Grundlagen wie den ernsthaften Ausbau des Gesundheitswesens (einschließlich einer Gehaltserhöhung für das Gesundheitspersonal), den Bau von Kinderkrippen und Kindergärten (einschließlich einer drastischen Anhebung der Gehälter der Pädagogen und einer Steigerung der Attraktivität des Berufs), die Entwicklung der heimischen Forschung und Industrie, die Entwicklung unserer Gesundheitskultur und die Zuwanderung von Ungarn aus dem Ausland können ernsthafte Fortschritte im Bereich der Demografie erzielt werden. Solange die Grundlagen nicht gestärkt sind, können wir bei der sozialen Unterstützung keine ernsthaften Fortschritte erreichen, sondern nur stagnieren. In jedem Fall sollten wir zuversichtlich sein, dass wir bis 2030 den Wert von 2,1 erreichen werden.

(Beitragsbild: MTI/János Vajda)