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Liberale wollen rumänische Extremisten als Verbündete gegen ungarischen Bürgermeister

MTI - Ungarn Heute 2023.10.19.

PNL-Kreisverbandchef Dobre beim Bad in der (rumänischen) Menge

Der Kreisverband Mieresch (Maros, Mureș) der Ungarischen Demokratischen Allianz Rumäniens (RMDSZ) betrachtet den Aufruf der Nationalliberalen Partei (PNL) zu einer rumänischen Koalition in Neumarkt (Marosvásárhely, Târgu Mureș) als nationalistische Aufwiegelung und lehnt es entschieden ab, dass die Wahlen im nächsten Jahr in einer solchen Stimmung abgehalten werden, so die Organisation in einer Erklärung.

Die siebenbürgisch-ungarische Interessenvertretung ist der Ansicht, dass die Ankündigung des Kreisvorsitzenden der kleineren rumänischen Regierungspartei, Ciprian Dobre, als „übereilter Wahlkampfauftakt“ interpretiert werden kann, „der lediglich darauf abzielt, eine nationalistische Stimmung für die kommende Zeit zu schaffen“. Am Dienstag kündigte der PNL-Kreisvorsitzende, der auch das Amt des Präfekten des Kreises Mieresch innehat, an, dass seine Partei alle politischen und zivilen Organisationen sowie Vertreter der akademischen Welt einladen werde, einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten gegen Zoltán Soós, den derzeitigen Bürgermeister der Stadt und RMDSZ-Mitglied, aufzustellen.

Zoltán Soós. Foto: Zoltán Soós Facebook

„Während der nationale Sprecher der PNL die Bürger vor einer ultranationalistischen Bedrohung durch die extremistische nationalistische Partei AUR warnt, spricht der Kreisvorsitzende derselben Partei davon, sich bei den Wahlen im nächsten Jahr mit den Extremisten zu verbünden, nur um Neumarkt zu übernehmen“, schrieb die RMDSZ und deutete an, dass Dobre auch bereit ist, mit der AUR über einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten zu verhandeln.

Hauptplatz von Neumarkt. Foto: Mircea Badulescu Facebook

In der Erklärung heißt es, dass die einzige Priorität der PNL darin bestehe, „die Stadt zurückzuerobern“ und den Sitz des Bürgermeisters „um jeden Preis“ zu gewinnen. Es wird daran erinnert, dass die kleinere Regierungspartei sich gegen die derzeitige Stadtverwaltung verbünden würde, in der sie  einen stellvertretenden Bürgermeister hat, und dass der stellvertretende Kreisratsvorsitzende ebenfalls ein liberaler Politiker ist, wobei die RMDSZ sowohl den Stadtrat als auch den Kreisrat in Zusammenarbeit mit der PNL anführt.

Ciprian Dobre. Foto: Ciprian Dobre Facebook

Es wird hinzugefügt, dass man von Ciprian Dobres „politischer Skrupellosigkeit“ nicht überrascht sei: Man wirft dem Politiker, der den Kreis Mieresch zwischen 2012 und 2016 vier Jahre lang führte, vor, „den Flughafen zerschlagen“ und die Entwicklung der Region behindert zu haben.

„Sein aktueller Aufruf zeigt lediglich, dass die PNL auch  dieses Mal weder einen Kandidaten, noch ein politisches Programm, noch eine Strategie für die Entwicklung von Neumarkt und des Kreises Mieresch im Interesse der Gemeinschaft haben“, betont der RMDSZ-Kreisverband.

Fact

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regime war Neumarkt Schauplatz der ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen in Osteuropa. Im März 1991 verlangten die ungarischsprachigen Einwohner (damals noch 52% der Stadtbevölkerung) auf friedlichen Kundgebungen die Wiedererrichtung der muttersprachlichen Schulen. Daraufhin brachte die chauvinistische Organisation „Vatra Românească“, unterstützt von Regierungsbehörden, Rumänen aus dem Umland, welche die Innenstadt verwüsteten und Demonstranten angriffen. Das Einschreiten der Streitkräfte beendete den blutigen Konflikt, der mit fünf Toten und 278 Verletzten dazu geführt hat, dass die verunsicherten Ungarn scharenweise die Stadt und das Land verließen. Die einstige „Szekler Haupststadt“ verlor damals ihre ungarische Bevölkerungsmehrheit.

Nach Ansicht des RMDSZ-Kreisverbands ist das Reden über einen Zusammenschluss mit der AUR „ein weiteres deutliches Zeichen für den fehlenden Respekt gegenüber der ungarischen Gemeinschaft“. Sie fordern den stellvertretenden Bürgermeister der PNL, Alexandru György, zum Rücktritt auf, denn

die Bürger von Neumarkt haben deutlich gemacht, dass sie keinen Nationalismus wollen: Sie wollen keine ethnischen Konflikte und vor allem wollen sie keine Führer, die die Zukunft der Stadt einer ultranationalistischen Partei anvertrauen wollen“.

Bei den letzten Wahlen im September 2020 erhielt Zoltán Soós, der als Unabhängiger, aber mit der Unterstützung ungarischer Parteien kandidierte, 50,54 % der Stimmen. Laut der Volkszählung von 2021 hat die 116.000 Einwohner zählende Stadt Neumarkt die größte ungarische Stadtgemeinschaft in Siebenbürgen (etwa 40.000 Einwohnern).

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Via MTI Beitragsbild: Ciprian Dobre Facebook