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Nikolaus Bethlen (1642-1716): Pragmatismus und Friedenstraum in Siebenbürgen

Ungarn Heute 2023.09.01.

An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert saß er in den höchsten Ämtern und in Gefängnissen. Nikolaus Bethlen, siebenbürgischer Schriftsteller und Staatsmann, war ein weitsichtiger, nüchterner, öffentlichkeitswirksamer und gebildeter Mann, ein Anhänger des Friedens und ein pragmatischer Politiker.

Nach der Renaissance und vor der Aufklärung war er einer der europäischsten Ungarn und einer der besten ungarischen Prosaschriftsteller. Seine Autobiographie ist fast wie eine Enzyklopädie der zweiten Hälfte des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts.

Nikolaus Bethlen de Bethlen wurde am 1. September 1642 geboren. Sein Vater, Johann Bethlen, einst Generalkanzler von Siebenbürgen, war selbst ein gebildeter Mann, der als Aristokrat ein wohlhabendes bürgerliches Mädchen, Barbara Váradi, heiratete. Nikolaus Bethlen wurde oft vorgeworfen, dass in seinen Adern „Kaufmannsblut“ fließe.

Zweifellos hat er viel von der praktischen Nüchternheit seiner Klausenburger Kaufmannsahnen geerbt.

Seine Herkunft hat ihn wohl auch in seiner Tugend bestärkt, keine Standesdünkel zu hegen.

Foto: Gaus Péter Facebook

Er war ein ausgezeichneter Schüler: Sein Lehrer, Vorbild und Mentor war Johann Csere Apáczai, der erste ungarische Vertreter und Verfechter des Cartesianismus. An deutschen und später niederländischen Universitäten erreichte er das höchste Bildungsniveau seines Jahrhunderts. Er besuchte Italien, Frankreich und England. Was er sah, notierte er, zog Lehren daraus und verarbeitete es mit der Zeit in seinem auf Ungarisch geschriebenen Hauptwerk, seiner Autobiographie, die voller Bekenntnisse, Reflexionen und historischer Quellen steckt. Ein Großteil seines politischen Werks wurde auf Latein verfasst, seine umfangreiche Korrespondenz auf Ungarisch und Latein. Aber er sprach und schrieb auch auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch und Englisch. Er war mit der theologischen Literatur und den Bibelkommentaren des Calvinismus bestens vertraut und verstand auch griechische und hebräische Texte.

Das Schloss von Betelsdorf (2014). Foto: Csedő Attila, Facebook

Im Jahr 1664 nahm er an der tödlichen Jagd von Nikolaus Zrínyi in Csáktornya (heute:  Čakovec, Kroatien) teil: Er war Zeuge des verhängnisvollen  Unfalls. Von ihm wissen wir, wie das verwundete Wildschwein den bedeutenden Dichter, den größten ungarischen Staatsmann des Jahrhunderts, tötete. Auch diese Geschichte ist in der Autobiographie enthalten. Ebenso wie das Bild der großen europäischen Städte, der bedeutenden Persönlichkeiten von Paris und Venedig der damaligen Zeit.

Zeitgenössische Darstellung des tragischen Jagdunfalls Zrínyis. Foto: Wikipedia

Als siebenbürgischer Aristokrat war er überall willkommen.

Er kannte sich in wirtschaftlichen Angelegenheiten besser aus als irgendjemand sonst in Mitteleuropa zu dieser Zeit.

Er beschäftigte sich intensiv mit Problemen der Architektur: Er selbst entwarf das Schloss von Betelsdorf (Bethlenszentmiklós, Sânmiclăuș), heute im rumänischen Landkreis Alba (Weißenburg), eines der wichtigsten Denkmäler der Spätrenaissance in Siebenbürgen. Man sagte, er habe in Siebenbürgen „auf französische Art“ gelebt.

Das Schloss in Betelsdorf (August 2023). Foto: Gauss Péter, Facebook

Er widmete sein Leben der großen Aufgabe, Frieden und Sicherheit für die Menschen in Siebenbürgen zwischen Deutschen, Türken, Kurutzen und den Anhängern der Habsburger, Katholiken und Protestanten, zu erreichen. In seinen politischen Überlegungen, die er mit dem Titel „Noahs Taube mit dem Olivenzweig“ versah, definierte er sein Ziel:

die Erreichung eines ewigen und vollkommenen Friedens mit den Türken, den Wallachen und den Moldauern.“

Foto: Drăgan-George Basarabă Facebook

Der Parteienstreit während der Herrschaft des Fürsten Michael I. Apafi, wurde Bethlen fast zum Verhängnis. Der große Meister der „Schaukel-Politik“, Michael Teleki, ließ Bethlen 1676 verhaften und hielt ihn ein Jahr lang im Gefängnis fest. Am Ende hielt Teleki es für angebracht, den gebildeten und geschickten Diplomaten freizulassen und einzusetzen. Von da an arbeitete er mit Teleki zusammen, aber sie beobachteten einander misstrauisch. Nachdem Teleki inmitten des Bankrotts seiner doppelzüngigen Politik umkam, wurde der umsichtige Bethlen Kanzler von Siebenbürgen, zu einem Zeitpunkt, als eine habsburgische Besetzung nicht mehr zu verhindern war.

Trinkbecher mit den Wappen von Nikolaus Bethlen und seiner Frau Julia Rhédey (Arbeit des berühmten siebenbürgischen Goldschmieds Sebastian Hann). Foto: Maria Rosu Facebook

In Wien erreichte er die Formulierung des „Diploma Leopoldinum“ (1690), eines Verfassungsdokuments, das Siebenbürgen unter den gegebenen Umständen die größte Freiheit gewährte, und zwar nicht nur den Adeligen, sondern auch der nicht-adeligen Bevölkerung.

Erstes Blatt des Diploma Leopoldinum. Foto: Wikipedia

In Siebenbürgen wurde die Situation der Leibeigenen erträglicher und die Bürger freier als zur gleichen Zeit oder später in Ungarn.

Doch Bethlen träumte von noch mehr und formulierte 1704 – in der Hoffnung auf Frieden – den Wunsch nach einer Niederschlagung der Rákóczi-Bewegung. Sein Ziel war ein unabhängiges Siebenbürgen, unter der Herrschaft eines Fürsten aus deutschem Hause.

Der Wiener Hof sah darin eine Rebellion und eine Beleidigung seiner Souveränität. Feldmarschall Rabutin ließ ihn verhaften und nach Wien bringen. Er war zwei Jahre lang inhaftiert, bis er für unschuldig befunden wurde. Als älterer Mann schrieb er im Gefängnis den größten Teil seiner Autobiographie, die er zusammen mit seinem „Gebetsbuch“ nach seiner Entlassung fertigstellte. Es ist ein interessantes Buch: die Summe der Weltanschauung eines Mannes, der sich zum Rationalismus eines Descartes bekannte, den Glauben der anderen nicht hasste, der aber in seinem Calvinismus tief verwurzelt war.

Er starb am 17. Oktober 1716 im Alter von vierundsiebzig Jahren in Wien.

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Via múlt-kor. Beitragsbild: Wikipedia