"Wir werden nie ein Problem damit haben, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt wird, aber dass die Ehe zweier Männer erlaubt oder verboten wird, kann nicht in Frage gestellt werden" so der Kanzleramtsminister. Weiterlesen
Die Europäische Union beschloss am Dienstag gegen Ungarn den sog. „Rechtsstaatsmechanismus einzuführen. Das hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offiziell angekündigt. Dem Land droht nun unter anderem die Kürzung von EU-Geldern. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat am Sonntag die Parlamentswahl deutlich gewonnen. Mit 53 Prozent der Stimmen sicherte er sich das vierte Mal in Folge eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Ankündigung kam schnell darauf.
Als erstes Land muss sich Ungarn wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit einem Verfahren stellen, dessen Folge sogar die Kürzung von EU-Geldern sein könnten. Dies kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Straßburger Europaparlament an. Darüber hat die EU-Kommission die ungarischen Behörden schon informiert.
Laut der Kommission habe sie Ungarn die Möglichkeit gegeben, ihre Fragen zum Thema Rechtsstaatlichkeit zu beantworten. Nun haben sie die Antworten Ungarns geprüft „und unsere Schlussfolgerung ist, dass wir den nächsten Schritt machen müssen“ begründete die Präsidentin die Entscheidung.
Die Kommission hat bereits erklärt, dass sie in einem Verwaltungsschreiben an die Orbán-Regierung im vergangenen Jahr Fragen und Einwände vor allem zum öffentlichen Auftragswesen (bzw. Korruptionsfälle in Bezug der EU-Mittel) und zur unabhängigen Arbeitsweise von Justizbehörden wie der Staatsanwaltschaft erhoben hat. Die Kommission hat schon bestimmte Mittel aus dem EU-Haushalt für Polen und Ungarn blockiert.
Ein früheres Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wobei die Klagen Ungarns und Polens gegen den Mechanismus abgewiesen wurden, „bestätigt den Ansatz der Kommission voll und ganz“, sagte von der Leyen.
Bei Ungarn, wir haben uns sehr klar ausgedrückt, ist das Problem Korruption
sagte von der Leyen.
Vorgeschichte
Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bestätigte noch im Dezember 2020 die auf dem EU-Gipfel im Juli erzielte Einigung über den nächsten Siebenjahreshaushalt der Europäischen Union und den Fonds zur Bewältigung der Folgen der Coronavirus-Epidemie.
Teil des Pakets war es auch, den EU-Haushalt und die Verwendung der Gelder an eine ordnungsgemäße Kontrolle zu knüpfen, einschließlich einer Reihe von rechtsstaatlichen Kriterien für alle 27 Mitgliedsstaaten. Der Verordnung wurde eine Klausel hinzugefügt, die besagt, dass der Mechanismus zur Überwachung von EU-Geldern nur dann ausgelöst wird, wenn die Handlungen eines Mitgliedstaates den finanziellen Interessen der EU schaden. Als ersten Schritt in der Anwendung des Mechanismus kann die Europäische Kommission die Eröffnung eines Verfahrens im Zusammenhang mit der Konditionalität vorschlagen, wenn sie feststellt, dass ein Mitgliedstaat einen Verstoß begeht oder dass in diesem Land eine anhaltende und fortgesetzte Verletzung der Rechtsstaatlichkeit vorliegt.
Obwohl der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus noch nie in der EU angewandt wurde, bietet er im Wesentlichen die Möglichkeit, einem Mitgliedstaat aufgrund schlechter demokratischer Bedingungen Gelder zu entziehen.
Ungarn und Polen fochten daraufhin die Rechtsvorschriften zur Anwendung des Mechanismus vor dem Gerichtshof der Europäischen Union an, verloren den Fall jedoch im Februar dieses Jahres. In einem Blogbeitrag Ende Januar schrieb Ministerpräsident Viktor Orbán, der EuGH werde eine „politische Entscheidung“ treffen und sich für ein „föderales Europa“ und nicht für den Willen der Mitgliedstaaten entscheiden.
Was kommt jetzt?
Die Einführung des Mechanismus bedeutet nicht, dass von nun an kein Geld mehr nach Ungarn fließen wird. Ein langer Dialog zwischen Ungarn und der EU, der Monate dauern könnte, wird nun beginnen, und die Kommission wird feststellen müssen, wo und in welchem Ausmaß gegen die Grundwerte der EU und den Haushalt verstoßen wird, um dann eine Sanktion zu verhängen.
Schließlich müssen die Mitglieder des Europäischen Rates darüber abstimmen. Selbst Polen wird Ungarn hier nicht verteidigen können, da für die Annahme des Mechanismus eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.
Damit Ungarn tatsächlich EU-Mittel gekürzt werden, bedarf es im letzten Schritt noch der Zustimmung von mindestens 15 der EU-Staaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Vorher hat Budapest mehrfach die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.
(Via: mti.hu, tagesschau.de, MTI/AP)