Der der Regierung nahestehende Oberbürgermeister von Budapest findet lobende Worte für den verstorbenen liberalen Schriftsteller, während linksliberale Autoren ihn als einen Freidenker bezeichnen, der sich gegenüber repressiven Regimes niemals auf Kompromisse eingelassen habe. Presseschau von budapost.de.
György Konrád, einer der führenden Köpfe der Dissidentenbewegung der 1980er Jahre und Gründungsmitglied der liberalen Allianz Freier Demokraten, ist am Freitag in Budapest im Alter von 86 Jahren gestorben. Er war ein entschiedener Kritiker der gegenwärtig amtierenden Regierung, stimmte jedoch in der Frage einer Begrenzung massenhafter Einwanderungsströme durchaus mit ihr überein. Konrád gehört zu den weltweit bekanntesten ungarischen Autoren und war Anfang der 1990er Jahre Präsident der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N.
Magyar Nemzet vermeldet unter einer entsprechenden Überschrift, dass der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós gegenüber der Familie Konráds sein Mitgefühl bekundet und im Namen der Hauptstadt angeboten habe, sich um dessen Beisetzung zu kümmern. Tarlós habe darauf hingewiesen, dass György Konrád 2003 zum Ehrenbürger von Budapest gewählt worden sei. (Zu jener Zeit regierte eine linksliberale Mehrheit im Stadtrat – Anm. d. Red.)
Der Holocaust-Überlebende György Konrád sei ein glühender Patriot gewesen, ruft György Simó auf 24.hu in Erinnerung. So habe er sein Land weder nach dem Holocaust, in dem mehrere sehr nahe Verwandte umgekommen seien, noch nach der von ihm unterstützten, aber niedergeschlagenen Revolution des Jahres 1956, verlassen, notiert der ehemalige liberale Kolumnist und heutige Firmenchef. Gleiches gelte für die Zeit Mitte der 1970er Jahre, als die kommunistischen Behörden ihn mit Hilfe einer Auswanderungsofferte gerne hätten loswerden wollen. Zur kritischen Haltung Konráds gegenüber dem aktuell herrschenden politischen Regime nimmt Simó nicht Stellung.
In einem weiteren gleichfalls auf diesem linksliberalen Nachrichtenportal erschienenen Nachruf bezeichnet Róbert Braun das Jahr 2019 als ein „annus horribilis“ für das intellektuelle Leben Ungarns. Der einstmals wichtige Berater der Freien Demokraten sowie kurzzeitig auch des sozialistischen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy und heutige Stipendiat des Wiener Instituts für Höhere Studien nennt im Folgenden zwei andere jüngst verstorbene prominente Liberale: die Philosophin Ágnes Heller und den Architekten und Bühnenbildner László Rajk – beides namhafte Dissidenten zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft. Braun beschreibt das heutige Ungarn als „ein unglückliches sowie unehrliches Land“ und nennt Konrád einen makellos ehrlichen Menschen, der ein Leben in „stiller, aber unerbittlicher Revolte“ geführt habe.
Auf Hírklikk erinnert die ehemalige Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Ildikó Lendvai, daran, was Konrád und der Soziologe Iván Szelényi in einem gemeinsamen Essay über die Natur des kommunistischen Regimes 1975 geschrieben hatten: Es handele sich dabei um ein Regime, das von Intellektuellen genutzt werde, um Macht über den Rest der Gesellschaft zu erlangen. (Vierzehn Jahre nachdem das Buch beschlagnahmt und Szelényi zur Auswanderung gezwungen worden war, hatte Lendvai als Direktori eines Verlages die Veröffentlichung dieses Buchs unterstützt und seinem Inhalt zugestimmt – Anm. d. Red.) Die herrschende Klasse von heute könne keinesfalls als eine Klasse von Intellektuellen bezeichnet werden, analysiert Lendvai jetzt.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – Tamás Kovács)