Wochenmagazine und Wochenendausgaben von Tageszeitungen befassen sich mit der Haltung Ungarns zum russisch-ukrainischen Krieg sowie den Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland. Presseschau von budapost.de.
In Magyar Demokrata vertritt Chefredakteur András Bencsik die Auffassung, dass sich die EU mit den Sanktionen gegen Russland ins eigene Knie geschossen habe. Der regierungsnahe Publizist erinnert daran, dass mehrere EU-Länder aus Angst, Russland könnte im Winter nicht genug Gas liefern, in Panik geraten seien. Auch seien die Europäer extrem besorgt über die explodierenden Energiepreise sowie die steigende Inflation. Der Krieg und die EU-Sanktionen gegen Russland schadeten den Interessen Europas, notiert Bencsik und fragt: Hätten wohl jene ungenannten Akteure, die 2014 die Maidan-Revolution ausgelöst und russische Minderheiten in der Ukraine ins Visier genommen hätten, einen Krieg in der Ukraine auslösen wollen, um Europa zu zerstören?
Márton Gergely wirft der ungarischen Regierung und ihrem Chef Viktor Orbán die Verbreitung russischer Propaganda vor. Zudem dienten sie mit ihrem Veto gegen einige Russland-Sanktionen der EU Moskaus geopolitischen Interessen, behauptet der linksliberale Kolumnist im Wochenmagazin Heti Világgazdaság. Seit Jahren versuche Präsident Putin, den geopolitischen Einfluss seines Landes in Europa zu stärken, indem er den Kontinent von billiger russischer Energie abhängig mache. Diese Bemühungen, so Gergely, seien in Ungarn sehr erfolgreich gewesen. Anstatt den Interessen Europas zu dienen, habe sich Ungarn zum wichtigsten Verbündeten Russlands in der EU entwickelt, beobachtet Gergely.
In der Tageszeitung Népszava kritisiert András Rostoványi Außenminister Péter Szijjártó für dessen Russland-Visite vom Donnerstag, wo er um weitere Gaslieferungen für sein Land nachgesucht hatte. Der linksliberale Kolumnist ist der Meinung, dass sich Ungarn durch den Kauf von zusätzlichem russischen Gas in eine noch größere Abhängigkeit von Moskau manövrieren und Russland zudem bei der Finanzierung seiner Aggression gegen die Ukraine unter die Arme greifen würde. (Außenminister Szijjártó bat in Moskau um zusätzliche 700 Millionen Kubikmeter Gas. Außenminister Lawrow erklärte, dass Russland diese Bitte prüfen werde – Anm. d. Red.) Durch das Treffen mit Lawrow habe Außenminister Szijjártó Moskau geholfen, aus der diplomatischen Isolation auszubrechen – und Ungarn in Europa weiter zu isolieren, poltert Rostoványi.
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Außenminister reist zu Gesprächen über Energielieferungen und Frieden nach MoskauAuf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow betonte der ungarische Außenminister, Péter Szijjártó, dass die Regierung die Pflicht habe, die Vollversorgung Ungarns auch inmitten der Energiekrise in Europa sicherzustellen. Aus diesem Grund habe man beschlossen, über die in den langfristigen Verträgen festgelegten Mengen hinaus weitere 700 Millionen Kubikmeter Erdgas zu kaufen, was „ob wir wollen oder nicht, ohne Quellen aus Russland nicht möglich wäre."Weiterlesen
Der Außenpolitikexperte Máté Szalai widerspricht der weit verbreiteten Meinung, bei Ungarn handele es sich um einen wichtigen Verbündeten Russlands und Moskau werde auf internationaler Bühne zunehmend isoliert. Anhand eigener aktueller Forschungen weist Szalai auf 24.hu darauf hin, dass die nicht zum Westen zählenden Staaten die Ansichten Europas und der USA über die russische Aggression nicht teilen würden. „Die meisten Länder außerhalb Europas haben sich daran gewöhnt, dass Großmächte – einschließlich der USA und Russlands – zur Verteidigung ihrer Interessen im Ausland eingreifen, selbst wenn dies eine Verletzung internationaler Normen bedeuten sollte“, schreibt Szalai. Aus globaler Perspektive sei die ungarische Reaktion auf den Krieg keineswegs außergewöhnlich, argumentiert Szalai und konstatiert: Obwohl Ungarn weniger aktiv als die meisten westlichen Staaten die Ukraine unterstützt habe, habe es die russische Aggression trotzdem verurteilt.
László Lovászy warnt die Ungarn vor Vergesslichkeit: Ungarn habe in beiden Weltkriegen auf der Verliererseite gestanden. In einem Artikel für die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet stellt der Experte für internationale Beziehungen fest, dass Ungarn Teil der westlichen Koalition sei und die Ukraine unterstütze. Er bezeichnet den Konflikt im Nachbarland als einen Stellvertreterkrieg der Großmächte. „Die Ukraine könnte zu Russlands Vietnam werden“, fürchtet der Autor und weist darauf hin, dass sich der Krieg angesichts der in die Höhe geschossenen Energiepreise jetzt schon verheerend auf Europa ausgewirkt habe. Lovászy schließt mit der Feststellung, dass verschiedene weitere Länder ihre Beteiligung an der von Russland geführten Koalition von Brasilien, Indien, China und Südafrika (BRICS) angekündigt hätten. Damit werde es für Europa noch teurer, Russland mit Sanktionen zu belegen.
via budapost.de, Beitragsbild: Jevhen Maloletka/MTI/AP