Ein liberaler Kolumnist wirft dem Kabinett vor, unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie eine Diktatur etablieren zu wollen. Und so fordert er die Opposition auf, gegen den Gesetzentwurf über eine zeitlich unbefristete Übertragung von Sondervollmachten auf die Regierung zu stimmen. Ein regierungsnaher Kommentator dagegen vermutet, dass die Opposition die Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie torpedieren wolle, um auf diese Weise der Regierung Unfähigkeit nachweisen zu können. Presseschau von budapost.de.
Die Opposition hat sich gegen einen Vorschlag der Regierung ausgesprochen, wonach die Gültigkeit der im Rahmen des Coronavirus-Notstands erlassenen Sondervollmachten sowie die Berechtigung zur Erteilung neuer Befugnisse in einem „Schnellverfahren“ auf unbestimmte Zeit verlängert werden sollen. Ein entsprechender erster Erlass ist bis Mittwoch befristet. Die Regierung benötigt das beschleunigte Verfahren, weil das normale eine Woche in Anspruch nehmen würde. Die Verabschiedung im beschleunigten Verfahren würde eine parlamentarische Vier-Fünftel-Mehrheit erfordern, während die zweite Variante mit einer Zweidrittelmehrheit – also ohne Stimmen der Opposition – beschlossen werden könnte.
Auf dem Internetportal von Heti Világgazdaság wendet sich Tamás Gomperz nachdrücklich an die Oppositionsparteien: Sollten sie für die Vorlage der Regierung votieren, „werden wir in Zukunft nicht mehr für euch stimmen“. Der Autor weist das Argument zurück, dem zufolge man der Opposition beim „Nein“ eine Behinderung des Kampfes gegen die Pandemie vorwerfen könnte.
„Mit Scheiße in der Hose kann man keine Politik machen“, wettert Gomperz und fährt fort: Obwohl die Regierenden den gleichen Gesetzentwurf nächste Woche auch ohne Zutun der Opposition verabschieden könnten, werde es „in einem zukünftigen Prozess“ von Bedeutung sein, zu zeigen, dass es sich um ein willkürliches Vorgehen handele.
Der liberale Kommentator fordert die Opposition auf, eine Frist zu verlangen, nach deren Ablauf die der Regierung übertragenen Sondervollmachten entweder ungültig würden oder erneut verlängert werden müssten. Darüber hinaus müsse auf die Klausel verzichtet werden, die sich gegen die Presse richte. (Sie sieht vor, dass den Verbreitern von Fake News, die den Kampf gegen die Epidemie torpedieren, Gefängnisstrafen drohen können – Anm. d. Red.)
Origo fasst die Resultate einer Umfrage zusammen. Demnach würden 94 Prozent der Ungarn der Absicht zustimmen, den am 11. März ausgerufenen Ausnahmezustand zu verlängern. In einem Kommentar betont der Politologe Miklós Szánthó, dass die Regierung den „Ausnahmezustand“ völlig im Einklang mit dem Grundgesetz verhängt habe. Was das Parlament nunmehr genehmigen müsse, seien die speziellen Regierungserlasse, die die Bewegungsfreiheit einschränken und Abläufe in verschiedenen Lebensbereichen vorschreiben würden. Diese blieben 15 Tage lang in Kraft – es sei denn, das Parlament verlängere ihre Gültigkeit. Laut Szánthó könnte das Parlament möglicherweise nicht in der Lage sein, alle 15 Tage zu tagen, sollte sich die Pandemie wie erwartet weiter ausbreiten. Daher wäre es unklug, den Ausnahmezustand zu befristen.
Auf der anderen Seite könne das Parlament jederzeit auf Antrag eines Fünftels der Abgeordneten einberufen werden und die Sondervollmachten streichen. Nach Ansicht des Politologen versuchen die Oppositionsparteien also, durch Ablehnung des Gesetzes politisch zu punkten: So würden sie die Anstrengungen der Regierung bei der Bekämpfung der Epidemie behindern und ihr dann vorwerfen, sie „falsch gehandhabt“ zu haben.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – Tamás Kovács)