Der Jahresbericht des Imre-Mikó-Rechtsschutzdienstes dokumentiert neue Formen der Intoleranz gegenüber der ungarischen MinderheitWeiterlesen
Rumänisches ungarfeindliches Graffiti: „Wir hassen die ungarische Rasse“
In den letzten Jahren haben ungarische NGOs bei den Staatsanwaltschaften eine Reihe von Beschwerden über Übergriffe gegen Ungarn eingereicht, aber die Justiz hat noch niemanden verurteilt. Das Nachrichtenportal Krónika.ro hat die Klausenburger Anwältin Julia Kis zu dieser seltsamen Situation befragt.
Als Entscheidungsgremium stimmte das Unterhaus kürzlich für eine Änderung von Artikel 369 des rumänischen Strafgesetzbuchs, der die Definition und Strafbarkeit von Hassreden regelt.
Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wurden im Gesetzestext unverändert gelassen:
Wer eine rassische, sprachliche, religiöse oder sonstige Minderheit beleidigt und öffentlich zum Hass gegen diese Gemeinschaft aufstachelt, kann zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe verurteilt werden.
Bevor man sich jedoch darüber freut, dass das Strafgesetzbuch der wachsenden Ungarfeindlichkeit in Rumänien endlich einen Riegel vorschiebt, sollte man die Erfahrungen von Anwälten berücksichtigen, die sich mit der Materie gut auskennen.
Júlia Kis zufolge liegt das Problem nicht in der gesetzlichen Bestimmung, sondern in ihrer Anwendung. Genauer gesagt ist die Umsetzung des betreffenden Abschnitts des Strafgesetzbuchs nicht möglich, weil es in Rumänien keine angemessene Rechtsprechung in diesem Bereich gibt. Dies räumte auch der rumänische Generalstaatsanwalt ein, als Staatschef Klaus Iohannis im April 2020 von drei ungarischen NGOs aus Siebenbürgen wegen seiner anti-ungarischen Hassrede bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde.
Die Anwältin, die im Namen ungarischer Rechtsorganisationen wiederholt Strafanzeige wegen anti-ungarischer Hassreden erstattet hat, erklärte gegenüber dem Portal, dass alle derartigen Anzeigen von Rechtsorganisationen von der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen werden. Die Staatsanwaltschaft untersucht den Fall, nachdem die Anzeige eingereicht wurde. Die Praxis zeigt jedoch, dass der Fall in den meisten Fällen bereits in der Ermittlungsphase abgeschlossen wird. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Hassreden nicht schwerwiegend genug sind, um eine Straftat darzustellen: „Die Anwendung des Artikels des Strafgesetzbuches wird durch die Frage erschwert, wer eine Anzeige wegen Aufwiegelung gegen die Gemeinschaft erstattet oder erstatten kann.
In der Regel erstatten NGOs Strafanzeige, aber das rumänische Rechtssystem lässt es nicht zu, dass sie Berufung einlegen, wenn die Staatsanwaltschaft die Akte schließt,
d. h. das Strafverfahren einstellt oder nicht einleitet“, erklärte die Expertin. Im Prinzip ist es möglich, gegen die Entscheidung des Staatsanwalts beim Generalstaatsanwalt oder beim Gericht Berufung einzulegen, aber die Anträge auf Strafverfolgung werden in der ersten Phase, bei der örtlichen Staatsanwaltschaft, abgewürgt, und die NGOs haben nicht die Möglichkeit, weiterzumachen.
Júlia Kis teilte auch mit, dass nach den Statistiken der Staatsanwaltschaft, zwischen 2014 und 2022 bei den rumänischen Staatsanwaltschaften mindestens 19 und höchstens 58 Strafanzeigen wegen Hassreden pro Jahr eingegangen sind. Diese wurden von der rumänischen Justiz bereits in der Grundphase der Strafverfolgung eingestellt. In acht Jahren wurden insgesamt sechs Angeklagte vor Gericht gestellt und entweder freigesprochen oder zu milderen Strafen verurteilt, aber kein einziger Fall von anti-ungarischer Aufwiegelung wurde vor Gericht gebracht.
Laut Júlia Kis besteht grundsätzlich die Möglichkeit, im Falle einer Ablehnung durch die nationale Staatsanwaltschaft den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen, aber die Chancen, dass das Aktenbündel angenommen wird, sind minimal. Der Vorwurf der Aufwiegelung gegen die Gemeinschaft kann nicht in eine Zivilklage „umgewandelt“ werden, und die NGO kann keinen Schadenersatz fordern. Mit anderen Worten:
In Rumänien ist es möglich, die ungarische Gemeinschaft oder andere nationale Minderheiten in der Öffentlichkeit ungestraft zu beleidigen.
Und das, obwohl das rumänische Strafgesetzbuch dies als Straftat einstuft. Nach Ansicht der Sachverständigen könnte ein Durchbruch erzielt werden, wenn den NGOs im rumänischen Justizsystem mehr Spielraum eingeräumt würde, um die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen und Strafanzeige gegen die Opfer von Beleidigungen der Gemeinschaft zu erstatten.
Beitragsbild: Mikó Imre Jogvédelmi Szolgálat Facebook