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Rumänische Wahlumfrage verheißt nichts Gutes für die ungarische Minderheit

Ferenc Rieger 2024.01.11.

AUR-Chef George Simion

In Rumänien würden die Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), die von anderen parlamentarischen Parteien als extremistisch bezeichnet wird, und eine weitere neu gegründete nationalistische Partei, SOS Rumänien, ebenfalls Sitze im Europäischen Parlament gewinnen, wenn die EP-Wahlen jetzt stattfinden würden, so eine am Mittwoch vorgestellte Umfrage.

Die Daten der von der Nationalliberalen Partei (PNL) in Auftrag gegebenen und vom Center for International Research and Analyses (CIRA) im Dezember durchgeführten Umfrage, bei der 1.000 Personen befragt wurden, wurden vom Nachrichtenportal Hotnews vorgestellt.

Wenn an diesem Sonntag in Rumänien die Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden würden, würde der Umfrage zufolge die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Premierminister Marcel Ciolacu mit 30 % der Stimmen die meisten Stimmen erhalten. Ihr Koalitionspartner, die PNL von Nicolae Ciucă, wäre mit 20 % der Stimmen in Brüssel vertreten.

Hinter der PNL folgt mit zwei Punkten Abstand die von George Simion geführte Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR). Die Partei, die 2020 in das Bukarester Parlament eingezogen ist, würde mit 18 % der Stimmen ins Europäische Parlament einziehen. Die AUR-Abspaltung SOS Rumänien, die neue Partei der Senatorin Diana Șoșoacă, die regelmäßig für Skandale im rumänischen Parlament sorgt, könnte mit 6 % der Stimmen ebenfalls Abgeordnete nach Brüssel schicken.

Die Ungarische Demokratische Allianz Rumäniens (RMDSZ) käme der Umfrage zufolge auf 5 % der Stimmen.

Die liberale Allianz zur Rettung Rumäniens (USR), die den traditionellen Parteien kritisch gegenübersteht, würde 14 % der Stimmen erhalten.

Diese Umfrageergebnisse verheißen nichts Gutes für die ungarische Minderheit in Rumänien, zumal ihre legitimen, mehrmals seit der Wende vorgetragenen Anliegen, nicht nur bei den nationalistischen Parteien auf taube Ohren stoßen. Wie von Ungarn Heute berichtet, hat das rumänische Unterhaus nach Weihnachten mit überwältigender Mehrheit die drei Autonomieentwürfe für das Szeklerland und die siebenbürgischen Ungarn abgelehnt.

Die Scheindebatte im Parlament über die drei Autonomiegesetze war eine neue Gelegenheit für die Bukarester Abgeordneten, ihr „unerschütterliches Festhalten“ an den Obsessionen zu beweisen, die die politische Klasse Rumäniens seit mehr als hundert Jahren pflegt.

Nach den traditionellen Essgelagen zum Jahresende war es unwahrscheinlich, dass die gewählten Volksvertreter, mit der Verdauung beschäftigt, noch über genügend sauerstoffreiches Blut für intellektuelle Aktivitäten wie das Studium anspruchsvoller Projekte verfügen würden.

Premierminister Marcel Ciolacu, der in der nicht allzu fernen Vergangenheit ein gern gesehener Gast üppiger Festmähler war, kennt die Psychologie des Partygängers gut genug, um zu wissen, dass die jähe Unterbrechung lukullischer Genüsse Gereiztheit hervorruft.

Marcel Ciolacu. Foto: Marcel Ciolacu Facebook

Die Nervosität, die Schreie und die Unruhen, die die vorhersehbare Ablehnung verschiedener Formen der Autonomie begleiteten, waren wahrscheinlich nicht nur erwartet, sondern sogar von dem PSD-Chef, dessen Bauernschläue über jeden Zweifel erhaben ist, gewünscht. Marcel Ciolacu gelingt es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:

Zum einen wird die parlamentarische Debatte abgehakt, zum anderen entgeht die politische Klasse Rumäniens auf Jahre hinaus der Auseinandersetzung mit einem unbequemen Thema.

Die Autonomie, seit Jahrzehnten gelebte Realität in vielen EU-Ländern, ist in Rumänien nach wie vor Parteien übergreifend ein rotes Tuch. Gemeinhin wird die Forderung nach Selbstbestimmung als Angriff auf das Wesen des rumänischen Staates angesehen und dem Hochverrat gleichgesetzt. Die Bukarester Machtelite ist größtenteils orthodoxer Konfession und ignoriert die Subsidiarität, jenes Prinzip der katholischen Soziallehre, das jedweder politischen Autonomie zugrunde liegt und nach dem Zweiten Weltkrieg Wohlstand geschaffen hat, indem es von den regierenden christdemokratischen Parteien in die politische Praxis umgesetzt wurde.

Hätte Rumänien als Ganzes eine Tradition der bürgerlichen Selbstbestimmung, gäbe es keine überzogenen Reaktionen, wie diejenigen der rumänischen Parlamentarier. Leider gibt es diesbezüglich nur in Siebenbürgen und im Banat historische Vorbilder: Die Nationsuniversität der Siebenbürger Sachsen (Universitas Saxonum), die reformierten Presbyterien der kalvinistischen Ungarn und Szekler, die demokratischen Gremien der Unitarier und Sabbatarier, die römisch-katholische Laienselbstverwaltung (Siebenbürgischer Status), die Gebietskörperschaften der rumänischen, serbischen und Szekler Grenzhüter.

Ein Rumänien der verschiedenen Geschwindigkeiten könnte die unterschiedlichen historischen Erfahrungen leichter handhaben als ein monolithischer Staat, der nach dem Grundsatz des kleinsten gemeinsamen Nenners mehr schlecht als recht funktioniert.

Die Reaktion der ultranationalistischen Parteien und der Abgeordneten anderer Parteien, die sich nur graduell oder rhetorisch von ihren Kollegen aus der AUR unterscheiden, kam für niemanden überraschend. Diejenigen, die auch nach der Koalition mit der Partei der Volksbewegung (PMP) des früheren Staatspräsidenten Traian Băsescu und der PNL-Abspaltung Kraft der Rechte noch Illusionen über die Allianz zur Rettung Rumäniens hegten, durften kurz nach Weihnachten das wahre Gesicht einer Partei kennen lernen, die viele naive Wähler für systemfeindlich halten. Einen Gesetzesentwurf, der nach einem sorgfältigen Studium der europäischen Gesetzgebung zu diesem Thema ausgearbeitet wurde, als „giftig“ zu bezeichnen, so wie die USR es tat, zeugt bestenfalls von der Heuchelei dieser so genannten „Retter“ Rumäniens. Das einzige, was sie retten, sind die Stimmen eines Teils der Wählerschaft mit chauvinistischen Reflexen.

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Via MTI Beitragsbild: George Simion Facebook