Wöchentliche Newsletter

Sopron (Ödenburg) entschied sich vor 100 Jahren für Ungarn

Ungarn Heute 2021.12.14.
FIZETŐS

Vor 100 Jahren, am 14. Dezember 1921 fand die legendäre Volksabstimmung in der westungarischen Stadt Sopron statt. Laut dem Protokoll von Venedig entschied die Bevölkerung, ob insgesamt 257 km² zu Ungarn oder Österreich gehören sollten. Dies war die einzige größere territoriale Revision des Vertrags von Trianon, die von den Großmächten dauerhaft akzeptiert wurde. Nach einem Ergebnis von 72,8 Prozent für Ungarn wurde der Stadt der Titel „Civitas fidelissima“ (treueste Stadt) verliehen.

Vorgeschichte der Volksabstimmung

Nachdem Österreich-Ungarn den ersten Weltkrieg verloren hatte, hat überraschenderweise der Friedensvertrag von Saint-Germain am 10. September 1919 einen Teil Westungarns ohne Volksabstimmung Österreich zugesprochen. Mit dieser „Kompensation“ wollten die Großmächte den Anschluss Österreichs an Deutschland verhindern.

Es gab noch vor dem 14. Dezember 1921 mehrere Aufstände. Der erste, sog. „Westungarische Aufstand“ fand zwischen dem 28. August 1921 und dem 13. Oktober 1921 im heutigen Burgenland und Westungarn statt. Ein zweiter Versuch wurde zwischen dem 15. Juli und dem 27. Juli 1922 unternommen. Auslöser des Aufstands war eine Erklärung des österreichischen Staatsrats vom 17. November 1918, in der dieser seinen Gebietsanspruch auf Westungarn, einschließlich der Stadt Sopron, die überwiegend deutsch war, aber eine bedeutende kroatische und ungarische Minderheit hatte, auf der Grundlage ethnischer Prinzipien erklärte. Die Entente erkannte den österreichischen Anspruch an und sprach Österreich das Gebiet im Vertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 zu, was im Vertrag von Trianon vom 4. Juni 1920 bestätigt wurde.

Die ungarische Regierung protestierte ebenfalls gegen die Entscheidung und versuchte, eine Einigung mit der österreichischen Regierung zu erzielen, doch die Versuche blieben erfolglos. Zu diesem Zeitpunkt begann die Organisation einer ungarischen Rebellentruppe aus Freiwilligen

Ungarn hat am 26. August 1921 begonnen, das Gebiet zu räumen, woraufhin die österreichischen Gendarmen am 28. August die Grenze übertraten. Eine Gruppe von freiwilligen ungarischen, vor allem aus Studenten bestehenden Aufständischen hat sie jedoch bei Ágfalva (Agendorf) westlich von Ödenburg aufgehalten, sodass drei Österreicher und ein Ungar gestorben sind. Anschließend hat sich die Zahl der ungarischen Freischärler auf 3000 erhöht, sodass sie Anfang September bereits einen größeren österreichischen Angriff bewältigen konnten. Am 4. Oktober 1921 haben die Ungarn in Felsőőr (Oberwart) den autonomen Staat „Leitha-Banat“ ausgerufen, dessen Gebiet sich ungefähr auf das heutige österreichische Bundesland Burgenland erstreckte.

Die ungarische Regierung unterstützte die Aufständischen nicht offiziell, unternahm aber auch nichts, um den Aufstand niederzuschlagen.

Infolge der Erfolge der ungarischen Freischärler fand auf Initiative Italiens zwischen dem 11. und 13. Oktober eine Verhandlung in Venedig zwischen Österreich und Ungarn statt. Um die Pattsituation lösen zu können, wurde schließlich eine Volksabstimmung in Sopron und in acht umliegenden Gemeinden angeordnet.

Die Volksabstimmung wurde in und um Ödenburg zwischen dem 14-16. Dezember 1921 organisiert

Auf den Stimmzetteln standen die Namen der beiden Staaten in ungarischer, deutscher und kroatischer Sprache. Mit dem blauen Zettel konnte man für Ungarn und mit dem gelben für Österreich stimmen. Obwohl die Stadt zu beinahe 50 Prozent von Deutschen bewohnt war, haben 72,8 Prozent für den Verbleib in Ungarn und 27,2 Prozent für den Anschluss an Österreich gestimmt. Wenn man auch die anderen acht Gemeinden rund um die Stadt dazurechnet, in denen das Referendum zwei Tage später, am 16. Dezember stattfand, dann ergibt sich ein Ergebnis von 65,16 Prozent für Ungarn und 34,84 Prozent für Österreich. Das Ergebnis wurde in der Stadt mit einer riesigen Freude seitens der Bevölkerung begrüßt. Trotz des Versammlungsverbots gingen tausende auf die Straßen, um zu jubeln. Damit wurde zwar Westungarn an Österreich angeschlossen und mit dem Namen „Burgenland“ als ein neues Bundesland organisiert, jedoch konnte die wichtigste Stadt in der Region dank der Freischärler für Ungarn beibehalten werden.

Sopron / Ödenburg 1919 – Quelle: Fortepan / Vargha Zsuzsa

Sopron/Ödenburg 1920 – Quelle: Fortepan / Vargha Zsuzsa

Bevölkerung  Volksabstimmung
Ungarn 48,7% insgesamt für Ungarn 72,8%
Deutsche 48,0% insgesamt für Österreich 27,2%

Sopron/Ödenburg mit dem Feuerturm und dem Tor der Treue 1930 – Quelle: Fortepan / Gara Andor

Die Entente hat Ödenburg am 1. Januar 1922 Ungarn übergeben und ihre Truppen verließen die Stadt am 5. Januar. Das ungarische Parlament hat der Stadt im Jahre 1922 im Artikel XXIX. den Titel „Civitas fidelissima“ (treueste Stadt) verliehen. Das barocke Stadtwappen wurde daraufhin mit dieser Schrift ergänzt.

Die ungarische Regierung hat den 14. Dezember im Jahre 2001 für den Tag der Treue in Sopron erklärt, sodass die größten Auszeichnungen der Stadt jedes Jahr an diesem Tag verliehen werden

Obwohl sich Österreich einen Tag vor der Volksabstimmung die Entscheidung getroffen hatte, keine Beobachter nach Sopron zu schicken, hat die österreichische Regierung das Ergebnis nicht akzeptiert und wollte sich zur Botschafterkonferenz wenden. In der österreichischen Geschichtsschreibung wird über das Ergebnis bis heute gestritten. Ursprünglich war nämlich Ödenburg als Hauptstadt des neuen Bundeslandes Burgenland vorgesehen.

Nach der erfolgreichen Volksabstimmung um Sopron, kam es später in zehn westungarischen Dörfern in den Gebieten, die Österreich im Rahmen des Vertrags von Trianon zugesprochen worden waren, zu Protesten. Infolgedessen wurden auch in diesen Ortschaften Volksabstimmungen durchgeführt, und zwischen dem 10. Januar und dem 9. März 1923 wurden diese Dörfer auch an Ungarn zurückgegeben. Es handelte sich um die Dörfer Narda (damals Kisnarda und Nagynarda), Felsőcsatár (damals Alsócsatár und Felsőcsatár), Vaskeresztes (damals Németkeresztes und Magyarkeresztes), Horvátlövő, Pornóapáti, Szentpéterfa, Ólmod, nordöstlich von Kőszeg, und Fertőújlak (damals Mekszikópuszta), östlich von Fertő, westlich und südwestlich von Szombathely. Szentpéterfa, das in diesem Prozess eine führende Rolle spielte, wurde später mit dem Titel „Communitas Fidelissima“, d. h. „treueste Gemeinde“, ausgezeichnet.

Karácsfa, Lovászad und Nagysároslak hingegen stimmten für den Beitritt zu Österreich.

Quelle: mnl.gov.hu  mult-kor.hu  demokrata.hu  Bild: MTI – Molnár-Bernáth László