Ungarn steht bereits an zweiter Stelle auf der Liste der Corona-Todesfälle gemessen an der Bevölkerungszahl, dies ergibt sich aus der Datenbank worldometers.info. Laut des Portals valaszonline.hu gibt es dafür mehrere Gründe. Weiterlesen
Die zweite Welle des Coronavirus hätte hierzulande deutlich weniger Todesfälle verursacht, wenn die Regierung strengere Maßnahmen ergriffen hätte, so eine Studie, die durch das regierungskritische Portal „Magyar Hang“ analysiert wurde. Laut der Zetischrift haben sie ein wissenschaftliches Manuskript erhalten, in dem ungarische Forscher mehrere in Ungarn sequenzierte Coronavirus-Genome analysiert haben. Sie stellten fest, dass sich die erste und die zweite Welle der Pandemie aufgrund des unterschiedlichen epidemiologischen Kontextes grundlegend unterschieden, nicht weil das Virus in der zweiten Welle infektiöser war. Magyar Hang schlussfolgert daraus, dass die in der zweiten Welle verursachten Verluste hätten verhindert werden können.
Mehrere ungarische Forscher haben während der Pandemie Studien durchgeführt, um das genaue Genom des Virusstammes zu bestimmen, der die Infektion verursacht hat, und konnten aus den zahlreichen Gensequenzen sog. molekulare Phylogenien erstellen. Warum ist das wichtig? Sie ermöglicht es, die Entwicklung des Virus, seine Abstammung nachzuvollziehen und mit großer Genauigkeit auf die Ausbreitung der Epidemie, den Ursprung der Infektion und ihren Verlauf zu schließen.
Die wichtigste Frage für die Forscher war, so das Portal Magyar Hang, was die zweite Welle im Vergleich zur ersten so verheerend machte. Sie fanden keine Hinweise darauf, dass der dominante Stamm in der zweiten Welle infektiöser war als die anderen Varianten. Das Portal warnt deswegen:
Die zweite Welle, bei der mehr als 11.000 Menschen ums Leben kamen, wäre weniger tragisch verlaufen, wenn die Regierung strengere Maßnahmen ergriffen hätte
Die Studie stützte sich auf die bekannten Fakten, dass es in Ungarn während der ersten Welle strenge Maßnahmen gab, einen vollständigen Lockdown gleich nach dem Auftreten des Virus im Land eingeführt wurde und dass die Infektions- und Sterblichkeitsraten weit unter den westeuropäischen Trends lagen. Im Gegensatz dazu wurden während der zweiten Welle entweder keine Beschränkungen verhängt oder erst sehr viel später, weswegen die Fallzahlen und die Sterblichkeitsrate sprunghaft anstiegen und auch die bevölkerungsbezogene Sterblichkeitsrate so zu den schlechtesten weltweit gehörte.
Die Forschung versuchte zu beantworten, wie diese drastische und tragische Veränderung im Verlauf der Pandemie vorkommen konnte
Es wurden die Genomsequenzen von mehr als 350 in Ungarn gefundenen Virusproben analysiert. Es wurde festgestellt, dass die genetische Vielfalt unter den Viren, die die Infektionen in der ersten Welle verursachten, relativ hoch war, was darauf hindeutet, dass das Virus bereits vor März 2020 (dem offiziellen Beginn des ungarischen Ausbruchs) mehrfach aus verschiedenen Quellen eingeschleppt worden war und sich bis zu seiner Entdeckung im Verborgenen verbreitete. Es gibt jedoch auch Belege dafür, dass diese Einschleppungen nicht zu einer Ausbreitung in der Gemeinschaft geführt haben, was die Wirksamkeit und den Nutzen strenger Maßnahmen belegt.
Im Gegensatz dazu wiesen die während der zweiten Welle isolierten Viren eine wesentlich geringere genetische Variation auf, wobei die in Europa verbreitete Variante B.1.160 vorherrschte. Diese Variante könnte irgendwann im Frühsommer 2020 ins Land gekommen sein, als aus epidemiologischer Sicht alles ruhig und friedlich schien. Es könnte sich dann zwei Monate lang unbemerkt in der Bevölkerung ausgebreitet haben, bevor die Zahl der Fälle, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle in die Höhe schnellte.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass
die genomische und epidemiologische Analyse zeigt, dass die Dominanz der B.1.160-Variante nicht auf einen inhärenten Infektiositätsvorteil oder wiederholte Einschleppung zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die für [das Virus] günstigen epidemiologischen Bedingungen während der Zeit der latenten Übertragung
Diese Dokumente mit den Forschungsergebnissen wurden noch von keiner „unabhängigen Seite“ begutachtet, Berichten zufolge wurden sie aber bei der Zeitschrift „Virus Evolution“ eingereicht. Dem Portal zufolge wurde die Studie zuvor auch beim Preprint-Server biorXiv eingereicht, der Manuskripte sammelt, die zur Veröffentlichung anstehen, dann aber aus irgendeinem Grund zurückgezogen, um eine Veröffentlichung der Studie vor den Wahlen zu verhindern. Zu den Autoren des Artikels gehören Forscher der ELTE, des Biologischen Forschungszentrums von Szeged, der Universität Pécs und der Universität Szeged.
(Via: Magyar Hang, Titelbild: MTI/Balogh Zoltán)