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Trianon – Das blutende Herz Ungarns

Daniel Vargha 2020.06.04.

100 Jahre sind schon vergangen seit dem der Trianon-Vertrag durch die ungarische Delegation, durch Ágost Benárd und Alfréd Drasche-Lázár unterschrieben wurde. Durch die erzwungenen Unterschriften wurden Tausende von Familien voneinander getrennt, eine ganze Nation wurde unschuldig auseinander gerissen, während die anderen Nationen, die auch zu den besiegten Ländern gehörten, davon nichts gespürt haben. Wir tragen die Lasten bis heute, was die Industrie, die Wirtschaft und den Zusammenhalt des Volkes betrifft. Der 04. Juni ist seit 2010 der Tag des Zusammenhaltes. Die Generationen nach 1920 konnten und können sich dieses Trauma nicht vorstellen, trotzdem lebt der Schmerz in den meisten Ungarn weiter.

Die erste Frage, die uns immer einfällt, wenn wir das Wort „Trianon“ hören: Warum? Was für Ereignisse haben zu dieser vernichtenden Entscheidung geführt?

Es gibt mehrere Faktoren, die bei der Schicksalstragödie Ungarns mitgespielt haben. Eine innenpolitische Impotenz, Dummheit, eine chaotische Politik, sowie außenpolitische Manipulationen, die die immer größer werdende nationalistischen Bewegungen unterstützten.

Welche Schritte führten zum Trianon? 

Kein Bestimmungsrecht in einer Kriegssituation. Staatsrechtlich gesehen bestand die österreich-ungarische Monarchie aus zwei selbständigen Staaten. Kaiser Franz Joseph I. war das gemeinsame konstitutionelle Staatsoberhaupt. Unter seiner Leitung wurden die drei gemeinsamen Gebiete, die Außenpolitik, das Kriegswesen und das Finanzwesen gemeinsam mit den k.u.k (kaiserlichen und königlichen) Ministerien mit Sitz in Wien verwaltet. Nur der Herrscher durfte über Krieg und Frieden entscheiden. Im Falle eines Krieges stand die Königlich Ungarische Armee unter der Oberherrschaft des Kaisers. Eine souveräne Entscheidung in diesem Thema war ausgeschlossen. Warum hat aber gerade Ungarn wegen einer Reihe, von der ungarischen Nation unabhängigen, falschen Entscheidungen am meisten gelitten?

Nach den geheimen Verhandlungen zwischen Rumänien und der Entente wurde eine Vereinbarung getroffen. Laut dieser Vereinbarung sollte Rumänien Siebenbürgen und östliche Gebiete von Ungarn bekommen, falls das rumänische Königreich der Monarchie den Krieg erklärt. Nachdem Rumänien kurz nach der Kriegserklärung besiegt wurde, hat das Königreich mit der Monarchie Frieden geschlossen. Mit diesem Ereignis sollte der Kriegspakt seine Wirksamkeit verloren haben, aber Rumänien hat die chaotische Lage (die unter anderem auf die falschen Entscheidungen des ungarischen Präsidenten Graf Mihály Károlyi zurückgeführt werden können) ausgenutzt, und das Land hat in den letzten Tagen des ersten Weltkrieges der Monarchie den Krieg erneut erklärt.

Die Rolle des tschechoslowakischen Nationalisten Edvard Benes. Von Anfang an hat er versucht eine gute Beziehung zu den Entent-Mächten (Frankreich, England, Russland) aufzubauen um sein einziges Ziel, das ihn motiviert hatte, zu erreichen: die Monarchie und in erster Linie Ungarn zu vernichten. Er hat selbst gesagt:

Das Habsburgerreich muss zerstört und die tschechoslowakische Nation wiederhergestellt werden!

Während der Friedensverhandlung in Paris hat er über sich selbst gesagt: “Ich suche überhaupt nicht nach der Wahrheit, ich mache Politik. Und deshalb begehe ich manchmal absichtlich Fehlverhalten, im Interesse des Staates und in meinem persönlichen Interesse.“ In Rom haben am 10. April 1918 die Vorstellungen des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten, die nur von unverständlichen Rache geführt wurden, über die Vorstellungen des US – Präsidenten (dass die wirtschaftliche und politische Einheit der Monarchie geschützt werden muss) Woodrow Wilson gesiegt. Weitere Meinungen von Benes über die damalige ungarische Situation lautete:

Das ungarische Volk…wird von allen Verbündeten einstimmig als der Haupthelfer des Weltkrieges angesehen, wenn nicht sogar als die Nummer eins der Verantwortlichen. (…) Die ganze Welt war erschrocken von diesen tief verwurzelten mongolischen politischen Verhältnissen… Der Krieg war viel besser in Budapest als in Wien vorbereitet.

Die Rolle des ungarischen Staatspräsidenten Graf Mihály Károlyi. Nach einer Reihe von Niederlagen über die Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich, Bulgarien) hat der ungarische Präsident Mihály Károlyi über die Aufhebung der Armee entschieden. In dieser Zeit hat schon eine katastrophale, chaotische, innenpolitische Lage und Revolutionen (siehe Asternrevolution in Ungarn) die Monarchie charakterisiert. Mit dieser Aktion hat Károlyi einen Schritt zum Selbstmord der Nation gemacht. So konnten die Rumänen, Serben und die Tschechoslowaken ohne Gewalt neue Teile von Ungarn erobern. Damit wurde das Zerreißen des Landes vorbereitet. Die ungarische Regierung befehligte am 20. Dezember die Szekler-Division der Armee aus Kolozsvár raus, so dass die Rumänen die Stadt ohne Widerstand besetzen konnten. Man hätte aber die kleine, uneinheitliche rumänische Armee leicht besiegen können, und so hätte Ungarn für die territoriale Autonomie aus einer besseren Lage heraus kämpfen können.

Die chaotische Lage Ungarns haben die bolschewistische Mächte ausgenutzt und konnten so die Macht ergreifen, danach wurde die neue ungarische Regierung mit der Leitung von Sándor Garbai gebildet, aber die richtige führende Rolle hat im Hintergrund Béla Kun übernommen. Die Räterepublik hat es sich zum Ziel gesetzt, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Mit der Leitung des Generalstabschefs Aurél Stromfeld hat das rote Heer einen großen Teil von Oberungarn wiedererobert (hellrote Farbe).

Quelle: Wikimedia Commons, Szajci – from: Nepkoztarsasag.png: Kovács Ádám, and Hungarian Soviet Republic 1919 RO.svg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73439434

Während das rote Heer in Oberungarn erfolgreiche Aktionen durchgeführt hat, konnten die Rumänen im Osten ganz bis zur Theiß vordringen (braune Farbe), später haben sie sogar die Hauptstadt erobert und wollten einen nach dem österreich-ungarischen Modell funktionierenden Dualismus mit einem gemeinsamen rumänischen König verwirklichen. Parallel zu diesen Ereignissen hat sich die gegenrevolutionäre Regierung mit der Leitung von Gyula Károlyi gebildet, deren Kriegsminister Miklós Horthy war.

Der Friedensvertrag und dessen Folgen. Am Anfang des Jahres 1919 hat der Friedensrat „unabhängige“ Kommissionen ernannt mit dem Ziel, die ethnische Grenzen zu bestimmen. Eine dieser Kommissionen bestand aus Jan Karmezin und Robert Kamev, die amerikanische Staatsbürger aber tschechischer Abstammung waren. Sie waren die „unabhängigen“ Experten, die für die Bestimmung der tschechoslowakischen ethnischen Grenzen zuständig waren. Das von ihnen geschriebene und verfälschte Protokoll wurde bei den Verhandlungen verwendet.

Die ungarische Delegation (Graf Albert Apponyi, Graf Pál Teleki, Graf István Bethlen, Sándor Popovics, Vilmos Lers, Graf László Somssich, Béla Zoltán, Iván Ottlyk) ist am 07. Januar 1920 in Paris angekommen. Die Delegation war in einem Hotel unter Hausarrest gestellt, während die Entscheidungen über die Zukunft der ungarischen Nation getroffen wurden. An der Friedenskonferenz durfte die ungarische Delegation erst am 16. Januar 1920 teilnehmen, nachdem die Vereinbarung schon abgeschlossen war. Unter diesen Umständen hat Graf Albert Apponyi seine historische Rede gehalten, obwohl seine Worte die Entscheidung nicht mehr beeinflussen konnten.

…das Urteil kann nicht über eine Nation verkündet werden, die zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs keine vollständige Unabhängigkeit hatte und höchstens die Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie beeinflussen konnte.

Apponyi weigerte sich den Vertrag zu unterschreiben, weil seine Vorstellung über eine Volksabstimmung nicht akzeptiert wurde.
Apponyi vertraute dem Anschreiben von Millerand, dass das offizielle französische Versprechen enthalten hat. Nach der Unterzeichnung des Vertrags erklärte Millerand jedoch, dass die im Namen der Großmächte eingegangenen formellen Verpflichtungen ungültig seien.

Fact

Das Anschreiben von Millerand ist ein Anhang zum Vertrag von Trianon, der von dem französischen Ministerpräsidenten Alexandre Millerand verfasst wurde. Inhaltlich ist es ein Versprechen, dass die in dem Trianon-Vertrag verhängten Grenzänderungen und Sanktionen geändert werden können. Weiterhin wurde versprochen, dass der französische Premierminister dabei Partner und Helfer der ungarischen Regierung sein wird.

Das Todesurteil für Ungarn wurde jedoch von der Delegation der Simonyi-Semadam Sándor-Regierung, nämlich von Ágost Benárd und Alfréd Drasche-Lázár unterschrieben.

Infolge des Vertrags hat Ungarn mehr als 2/3 seines Gebiets verloren, Städte und die wichtigsten Eisenbahnlinien wurden zerschnitten, sodass das Land unübersehbarem wirtschaftlichen, politischen und psychischen Schaden ausgesetzt wurde. Der erste Weltkrieg hat sein Ziel erreicht. Die großen Dynastien (welche eine Familie waren) haben einander geschwächt und abgebaut, damit ist die Epoche der großen Reiche zu einem Ende gekommen und die Welt hat die ersten kleinen Schritte in Richtung der Globalisierung unternommen.

Der immer stärker werdende Nationalismus ist nach dem Vertrag noch stärker geworden und hat die neugebildeten Nationen gegeneinander aufgehetzt, die am Ende zu solchen Konflikten geführt haben, die man nur mit einem weiteren Krieg hat lösen können. So folgte der Zweite Weltkrieg…

(Beitragsbild: MTI/Tamás Kovács)