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Warum Standard and Poor’s den Ausblick für Ungarn herabgestuft hat

Ferenc Rieger 2022.08.22.

Nach Ansicht der Rating-Agentur bedeutet ein BBB-Level, dass das Land seinen Schuldenverpflichtungen nachkommen kann, aber auch ungünstigen externen Schocks und internen Schwächen ausgesetzt ist.

In einem am Donnerstag in Világgazdaság veröffentlichten Artikel dämpft die Wirtschaftswissenschaftlerin Magdolna Csath die vorsichtig optimistischen Prognosen der inländischen Analysten und nimmt das BBB-Rating von Standard and Poor’s genauer unter die Lupe, besonders die Änderung des Ausblicks von positiv auf negativ. Vor allem zwei externe Unwägbarkeiten fallen dabei ins Gewicht: Die starke Abhängigkeit vom russischen Gas und eine weitere Blockierung der EU-„Rettungsgelder“. Die energieintensive ungarische Wirtschaft wäre in der Tat im Falle einer Versorgungskrise extrem gefährdet, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Was die Ratingagentur allerdings nicht berücksichtigt, ist die Tatsache, dass Ungarn unter allen EU-Ländern durch entsprechende Verträge mit den russischen Lieferanten am besten abgesichert ist. Das Tauziehen rund um den Wiederaufbaufonds hingegen birgt tatsächlich Gefahren in sich: Offensichtlich wollen die Entscheidungsträger in Brüssel das damit verbundene politische Druckpotential voll ausschöpfen, um ideologische Zugeständnisse von Seiten der ungarischen Regierung zu erzielen.

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Auch die Ratingagentur bescheinigt Ungarn, dass das Land seinen Schuldenverpflichtungen nachkommen kann, nur würde eine andauernde Einfrierung der EU-Gelder mit einer weiteren Erhöhung der Staatsverschuldung einhergehen. Die auffällig unterschiedliche Handhabung der „Kreditwürdigkeit“ des nördlichen Nachbars Slowakei (vier Stufen über  den „nicht mehr für Investitionen empfohlenen“ Level höher als Ungarn), der eine durchaus vergleichbare Wirtschaftsstruktur, mit einer ähnlich energieintensiven Montage-Industrie, aufweist, legt die Vermutung nahe, dass dabei die „richtige“ politische Ausrichtung der Pressburger Regierung zumindest indirekt berücksichtigt wird.

Das Warnsignal der Professorin bezüglich des niedrigen Anteils der Sektoren mit hoher Wertschöpfung und der relativ niedrigen Produktivität wird vermutlich nicht ohne Widerhall in Ungarn bleiben. Dass der übergroße Anteil des Autosektors (28 Prozent der verarbeitenden Industrie) die Wachstumsaussichten der ungarische Volkswirtschaft gefährden könnte, dürfte sich auch in Budapest herumgesprochen haben. Die Mega-Investition von Debrecen kann als Schritt in Richtung Differenzierung der Wirtschaftspartner angesehen werden, auch wenn weiterhin die Autoindustrie dominiert.

Die Schlussfolgerung Csaths,

„dass wir keine staatlichen Beihilfen mehr einsetzen sollten, um die Verlagerung von energieintensiven Montageunternehmen mit geringer Produktivität zu fördern“

muss sich für die ungarische Regierung wie ein Menetekel anhören. Man darf zuversichtlich sein, dass die Entscheidungsträger in Budapest die Zeichen der Zeit verstehen werden und auf Investoren setzen, die Ungarn nicht nur als verlängerte Werkbank Europas, sondern auch als Land mit im europäischen Vergleich überdurchschnittlich gut ausgebildeten Fachkräften und innovativem Potenzial ansehen.

Beitragsfoto: Magdolna Csáth Facebook