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Ungarn wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt

Ungarn Heute 2020.05.27.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ungarn wegen Verletzung der Meinungsfreiheit verurteilt, weil dessen Parlament sechs Journalisten zeitweilig den Zutritt verboten hatte. Sie hätten 2016 Abgeordnete an Stellen des Parlamentsgebäudes mit Fragen konfrontiert und gefilmt, die nicht zur Berichterstattung vorgesehen waren, erklärte der Menschenrechtsgerichthof am Dienstag in Straßburg. Dennoch sei der Entzug der Akkreditierungen nicht angemessen. Das Pressebüro des Parlaments wies das Urteil zurück und schrieb in einer Erklärung: „Der Pressechef des Parlaments handelte rechtmäßig und aus den richtigen Gründen, als er 2016 die parlamentarische Akkreditierung mehrerer Reporter aufhob“.

Bei den Interviews oder versuchten Interviews ging es laut Gericht um vermeintliche illegale Zahlungen im Zusammenhang mit der ungarischen Nationalbank und damit um ein Thema von öffentlichem Interesse. Am folgenden Tag entzog das Parlament den Journalisten die Akkreditierung für das Gebäude, und erst nach einigen Monaten hob es die Suspendierung auf.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass die Journalisten tatsächlich gegen die Regeln zur Berichterstattung im Parlament verstoßen hätten und stellte diese auch nicht grundsätzlich infrage. Er verurteilte den Entzug der Akkreditierungen dennoch, weil die damit verbundenen Einschränkungen der Meinungsfreiheit unter anderem nicht gegen Missbrauch geschützt gewesen seien. So sei für den Entzug beispielsweise keine Einschätzung der daraus resultierenden Folgen verbunden gewesen, erklärte das Gericht. Die Journalisten hatten demnach auch keine Möglichkeit, wirksam dagegen vorzugehen.

Nach Angaben des Menschenrechtsgerichthofs hat Ungarns Parlament die entsprechenden Regeln inzwischen geändert. Unter anderem wurden demnach eine Frist für den Entzug journalistischer Akkreditierungen und die Möglichkeit des Widerspruchs eingeführt.

Das Gericht lehnte die Anträge der Journalisten auf immaterielle Schäden in Höhe von jeweils 5.000 Euro ab. Der ungarische Staat sei lediglich zur Deckung der Rechtskosten des Falles verurteilt worden.

In einer Erklärung räumte die Pressestelle der Nationalversammlung ein, dass die Aussetzung der Akkreditierung der Reporter eine „unverhältnismäßige“ Sanktion gewesen sei, da es an Verfahrensgarantien für die Presseregeln des Parlaments mangele.

Das Büro betont aber, dass die Entscheidung des Gerichtshofs anerkannt habe, dass der Schutz der ordnungsgemäßen Führung der parlamentarischen Sitzung und der Rechte des Gesetzgebers legitime Gründe für die Einschränkung des Zugangs von Journalisten zu bestimmten Bereichen des Parlaments seien.

Das Urteil verpflichtet aber die Nationalversammlung nicht, so das Pressebüro, ihre Bestimmungen bezüglich einer parlamentarischen Pressekonferenz zu überprüfen.

(Via: mti.hu, evangelisch.de, Beitragsbild: MTI – Szilárd Koszticsák)