Die Freunde von Ungarn Stiftung (MOBA) organisierte eine Konferenz mit dem Titel "Dekret unseres Ungarentums - unser zivilisatorisches Erbe".Weiterlesen
Éva Marton ist eine mit dem Kossuth-Preis ausgezeichnete ungarische Opernsängerin und ein dramatischer Sopran, Trägerin des St. Stephan Ordens und des Titels „Künstler der Nation“. 2017 wurde sie von Forbes als fünfteinflussreichste ungarische Frau in der Kultur bezeichnet. Sie ist die meistausgezeichnete Künstlerin der ungarischen Opernwelt. Das untenstehende Interview entstand nach der Konferenz der Freunde von Ungarn Stiftung mit dem Titel „Dekret unseres Ungarntums – unser zivilisatorisches Erbe“ („Decretum of our Hungarianness – our civilizational heritage”), welche im Károlyi-Csekonics Palast in Budapest am Montag abgehalten wurde.
Sie sind Mitbegründerin der Freunde von Ungarn Stiftung. Was hat Sie als vielbeschäftigte Künstlerin, die die ganze Welt bereist, dazu verleitet, sich an der Gründung einer Stiftung zu beteiligen, die sich mit unseren nationalen Minderheiten, der ungarischen Diaspora, beschäftigt?
Ich habe mich nie von meinem Heimatland distanziert. Egal wo ich auf der Welt aufgetreten bin, hatte ich immer das Gefühl, eine Art Botschafterin unseres Landes, für die ungarische Kunst, zu sein. Ich habe nie geglaubt, dass ich nur für mich selbst arbeitete. Es war eine Ehre für mich, die Welt bereisen zu dürfen und zu sagen, dass ich Ungarin bin, dass ich Ungarn repräsentiere, sei es in Japan, Brasilien oder Australien.
Ich bin ständiges Mitglied der Wiener Staatsoper und eine österreichische Kammersängerin, was eine sehr große Ehre ist. Ich war besonders bewegt, als ich vor ein paar Tagen gefragt wurde, ob ich Ehrenmitglied der ungarischen Staatsoper werden möchte. Ich habe mit Freude zugestimmt und sagte ihnen: „Danke, ich bin endlich angekommen“. Ich lebe seit 2005 wieder in Ungarn. Ich bin dorthin zurückgekehrt, wo ich angefangen habe, aber ich habe all die Dinge, die ich während meiner langen Karriere erfahren habe, behalten, um sie hier zu Hause weiterzugeben.
Gab es einen Gedanken, der Ihnen auf der Konferenz, auf der die Goldene Bulle von 1222 diskutiert wurde, in den Sinn kam, dass Sie sagten: „Ja, wir sollten das weiter entwickeln“?
Die Goldene Bulle an sich. Wir leben schon seit über tausend Jahren im Karpatenbecken. Die Goldene Bulle war womöglich noch nie so relevant wie heute. Ihr Wert, ihr Gefühl von Gerechtigkeit, welches mich beeindruckte, oder die Tatsache, dass wir Rechte haben, ungeachtet der Tatsache, dass Ungarn nicht groß ist, aber es gehört uns, wir leben hier, wir haben das Recht unsere eigene Sprache und Kunst zu pflegen. Die Goldene Bulle symbolisiert die Wahrheit und die Notwendigkeit, sie auszusprechen, da sie außer uns niemand sonst in Europa und der ganzen Welt ausspricht. Diejenigen, die nicht mit uns einverstanden sind, sollten sich – sofern wir sie nicht darum bitten – nicht in unser Leben einmischen, sollten unsere Entscheidungen nicht kommentieren und sollten sie nicht beeinflussen wollen.
Auf der Konferenz wurde auch diskutiert, wie wichtig es für Ungarn ist, Freunde zu finden. Sie sind jemand, der die Welt gesehen hat, Sie haben sich mit einflussreichen Personen vor einem vielfältigen Publikum unterhalten. Was würden Sie mit dem Wissen, das Sie haben, vorschlagen, wie wir besser Freundschaften in der Welt schließen können?
Seit September 2014 organisieren wir alle zwei Jahre den Internationalen Éva Marton Gesangswettbewerb. Dank unseres Erfolgs wurden wir 2019 in den Weltverband der internationalen Musikwettbewerbe aufgenommen, als einziger aus Ungarn zu diesem Zeitpunkt. Das bedeutet, dass wir akzeptiert worden sind. Die internationale Musikgemeinschaft hat die Musikakademie an sich akzeptiert, aber sie haben auch meine Ideen akzeptiert. Wie laden jedoch nicht einfach nur junge Talente zum Wettbewerb ein, wir präsentieren auch unser Land, zeigen Budapest, wo wir leben, wo wir lernen. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen. Ich denke, dass man Freundschaften nicht nur bei förmlichen Empfängen, sondern auch auf der Arbeit bis hin zum Vergnügen schließen kann: wir können auf eine Ausstellung gehen, wir können zusammen auf ein Konzert gehen.
Man muss füreinander arbeiten; man muss Menschen zusammenbringen. Zum Beispiel habe ich die ausländischen Jury-Mitglieder des internationalen Gesangwettbewerbs ins Haus der Musik mitgenommen. Sie waren erstaunt und sagten, sie hätten so etwas noch nie gesehen, dass ein Glaspalast in einer so schönen Baumlandschaft gebaut werden könnte. Ein ungarischer Junge aus Balassagyarmat spielte Rachmaninow auf dem Klavier auf eine atemberaubende Weise. Am Ende glänzten die Augen unserer internationalen Gäste vor Tränen. Ich nahm sie danach ins Gundel Restaurant mit, wo sie ebenfalls eine wunderschöne Erfahrung gemacht haben. Ich zeigte ihnen, wie wir leben, wie wir Spaß haben.
Wo kommen diese Gäste her?
Aus London, Barcelona, Moskau, Mailand, sogar aus der Mongolei – eine wirklich internationale Gruppe. Nach dem Programm sagten sie, sie hätten nicht gewusst, dass wir Ungarn so sensibel und anspruchsvoll sind. Im Ausland hält man uns oft für ein einfaches Volk: Gulasch, Paprika, Puszta (ungarisches Flachland), Pferde… Nun, das alles liegt jetzt hinter uns. Auch wir sind sensibel für das Schöne und Gute, auch wir haben hohe Ansprüche.
Wie entsteht in der internationalen Gemeinschaft der Eindruck, dass wir ein ungebildetes Volk sind?
Leider gibt es eine ganze Reihe von Leuten, auch in unseren Reihen, die dies propagieren. Diesen Vorurteilen sollte man mit Liebe und Gelassenheit entgegentreten und nicht mit simplen, plumpen und vulgären Ausdrücken zurückschlagen, denn das ist es, was man von uns erwartet. Wir sollten mit Freundlichkeit zeigen, wer wir sind. Dazu können das Theater, die Oper, die Musik und die gestaltende Kraft der anderen Künste eine große Hilfe sein, das ist die Aufgabe der Kunst.
Via: Hungary Today – geschrieben von Dániel Deme ; Foto: mit freundlicher Genehmigung von Éva Marton, Hungary Today