Regierungsnahe Kommentatoren sehen Ungarn als letzten Verteidiger traditioneller europäischer Werte. Ihr liberales Gegenüber dagegen wirft den ungarischen Regierungsparteien vor, an verstörenden strategischen Partnerschaftsplänen innerhalb und außerhalb der EU zu arbeiten.
Zsolt Bayer von Magyar Nemzet sieht die ungarische Regierung als eine der letzten Verteidigerinnen Europas. Nach Ansicht des regierungsnahen Kolumnisten „sind diejenigen, die keine religiöse, nationale oder sexuelle Identität haben, krank“. Der Westen habe die traditionellen Werte schon vor langer Zeit aufgegeben und wolle nunmehr Osteuropa seine fortschrittliche Ideologie, einschließlich der Homosexualität, aufzwingen. Dazu behaupte er fälschlicherweise, die von ihm vertretenen Werte seien „europäische Werte“. Die westlichen Progressiven wollten auf diese Weise die göttliche und biologische Ordnung entstellen und sie durch eine „abnorme, kranke und verzerrte“ Ideologie ersetzen, behauptet Bayer.
András Bencsik beschuldigt Großbritannien, Europa spalten zu wollen. Der Chefredakteur des Wochenmagazins Magyar Demokrata erinnert daran, dass die BBC dem öffentlichen ungarischen Fernsehen die Ausstrahlung eines Interviews mit Außenminister Péter Szijjártó untersagt habe. Szijjártó habe in dem Interview der Sendereihe Hard Talk das ungarische Gesetz gegen Kindesmissbrauch verteidigt, das von seinen Gegnern als Anti-LGBTQ-Gesetz bezeichnet wird.
Bencsik vermutet, dass die BBC die Ausstrahlung des Interviews aufgrund der überzeugenden Verteidigung des ungarischen Gesetzes durch den Außenminister nicht genehmigt habe. Der konservative Kolumnist versteigt sich gar zu der Behauptung, die BBC wolle die Ungarn nicht erkennen lassen, dass sie das Ziel einer „der Gehirnwäsche dienenden LGBTQ-Propagandakampagne“ seien, die von „liberalen und homosexuellen EU-Führern“ gesteuert werde. Indem sie Spannungen zwischen Ungarn und der EU schürten, würden die BBC und Großbritannien die Europäische Union zerschlagen wollen, anstatt die Demokratie zu verteidigen, schlussfolgert Bencsik.
Die ungarische Regierung schlage symbolische Ideologie-Schlachten, anstatt das Land richtig zu regieren, notiert der Chefredakteur von Élet és Irodalom, Zoltán Kovács. Der liberale Publizist ist der Meinung, dass die Regierung nicht in der Lage gewesen sei, die großen systemischen Probleme zu lösen, darunter die Reform des Gesundheitswesens. Zudem habe sie auch das Coronavirus nicht richtig in den Griff bekommen. Laut Kovács ist der ständige Kampf der Regierung mit der Europäischen Union Teil ihrer Bemühungen, einen Staatsfeind ausfindig zu machen und präzise zu lokalisieren. Die Konflikte des Fidesz innerhalb der EU würden dem ganzen Land schaden. Besonders beunruhigend sei, so Kovács, dass Ministerpräsident Orbán im Europäischen Parlament ein Bündnis „rechtsextremer und neonazistischer“ Parteien schmieden wolle und zugleich die Zusammenarbeit mit Russland und China suche.
(via budapost.de, Beitragsbild: pixabay.com)