Ein regierungstreuer sowie ein unabhängiger Ökonom halten die staatlichen Anreize zur Ankurbelung der Wirtschaft für vernünftig und ausgewogen. Ein ehemaliger liberaler Minister sowie ein linksorientierter Kommentator werfen dem Kabinett dagegen ein schlechtes Management der Wirtschaftskrise vor. Ein Analyst aus der politischen Mitte sagt voraus, dass die Regierung nach dem Abklingen des Gesundheitsnotstands enorme Schwierigkeiten bei der Steuerung der Wirtschaft haben werde. Presseschau von budapost.de.
In Magyar Nemzet äußert sich Csaba Szajlai positiv zu den Programmen der Regierung und der Nationalbank, die die ungarische Wirtschaft ankurbeln sollen. Szajlai erinnert daran, dass das Kabinett im Sinne einer Ankurbelung der Produktion angekündigt habe, 9.000 Milliarden Forint, also 20 Prozent des BIP, zu investieren. Der konservative Volkswirt, der in der Vergangenheit die Wirtschaftspolitik der Regierung Orbán oft kritisiert hatte, geht nunmehr davon aus, dass das „Orbán-Paket“ der ungarischen Ökonomie bei ihrer Erholung helfen werde, ohne dabei langfristige systemische Risiken zu kreieren. Aufgrund der niedrigen Defizite und der rückläufigen Staatsverschuldung während der zurückliegenden zehn Jahre befinde sich die ungarische Wirtschaft in einem viel gesünderen Zustand als zur Zeit der weltweiten Finanzkrise des Jahres 2008. Damit verfüge die Regierung über mehr Spielraum, um die Volkswirtschaft mit Hilfe öffentlicher Ausgaben in Schwung zu bringen, macht Szajlai geltend.
Auch Krisztián Kertész hält die proaktive Politik der Regierung für vernünftig und ausgewogen. Allerdings macht er auf Portfolio warnend darauf aufmerksam, dass sich eine lockere Geldpolitik sowie höhere Sozialausgaben als kontraproduktiv erweisen könnten. So könnten billige Finanzmittel nicht in durch den Coronavirus-Notstand geschädigte Sektoren strömen, sondern vielmehr weniger riskante Bereiche hochgefahren werden. Kertész fügt hinzu, dass eine verstärkte staatliche Unterstützung auch Unternehmen am Leben erhalten dürfte, deren Rettung kaum lohne. Abschließend lobt Kertész das Eingreifen der Regierung zur Stützung des Forint-Wechselkurses. Gleiches gelte für das kürzlich angekündigte Moratorium bei der Rückzahlung von Krediten sowie für avisierte Steuersenkungen. Beide Maßnahmen seien die besten Hilfsmittel zur Unterstützung der Wirtschaft.
In Népszava hingegen missbilligt István Csillag die Notstandspolitik der Regierung im Bereich Wirtschaft. Csillag – in einem früheren sozialistisch-liberal geführten Kabinett als Wirtschaftsminister tätig – wirft der Regierung vor, sie bestrafe von der Opposition regierte Kommunen sowie multinationale Unternehmen, um ihre Macht zu zementieren. Der liberale Wirtschaftswissenschaftler spekuliert, dass die Regierung die Oppositionsparteien durch die Kürzung von Finanzmitteln sowie eine Kriminalisierung der Verbreitung falscher Nachrichten austrocknen wolle. Darüber hinaus wolle die Regierung auch lukrative Firmen übernehmen. Weiterhin behauptet Csillag, dass die vom Kabinett angekündigten Subventionen zur Abfederung der Coronavirus-Folgen zu spät kämen und nicht ausreichen würden, um die Pleite ungarischer Unternehmen abwenden zu helfen. Der Kommentator fordert höhere Sozialleistungen mit dem Ziel, bedürftigen Ungarn unter die Arme greifen zu können. In einer Randnotiz fordert Csillag die Opposition auf, sie möge ein Schattenkabinett benennen und die Wirtschaftskrise nutzen, um vernünftige politische Empfehlungen zu geben.
Péter Somfai befürchtet, dass die Zahl der in Armut und Entbehrung lebenden Ungarn in die Höhe schnellen werde. Der linke Kommentator des Wochenmagazins 168 Óra lässt Bewohner eines armen Dorfes auf dem flachen Land zu Wort kommen. Demnach hätten hungernde Ungarn – arbeitslos und abgeschnitten von angemessener Sozialhilfe – bereits damit begonnen, zwecks Beschaffung von Lebensmitteln in Geschäfte einzubrechen. Die öffentliche Ordnung werde laut Somfai gestört, sollten sich derlei Verfälle häufen. Um sie zu vermeiden, empfiehlt er eine Steigerung der Sozialausgaben. Und er kritisiert die Regierung dafür, dass sie diejenigen Familien im Stich lasse, die am dringendsten Hilfe benötigen würden.
In einem Interview mit Magyar Narancs sagt Gábor Török voraus, dass die Regierung selbst dann noch einen steinigen Weg vor sich habe, falls sie den Gesundheitsnotstand gut bewältigen sollte. Es dürfte sehr schwierig werden, die gravierenden Folgen der Coronavirus-bedingten Beschränkungen für die Ökonomie zu überwinden. Der in der politischen Mitte angesiedelte Analyst glaubt, dass die Regierung bis zu den Parlamentswahlen 2022 einen Ausgleich zwischen dem Verlangen der Bevölkerung nach höheren staatlichen Sozialausgaben auf der einen und der Forderung nach mehr Unterstützung für regierungsnahe Unternehmen auf der anderen Seite werde finden müssen. Török fragt sich sogar, ob die Regierung nach der Pandemie nicht vielleicht vorgezogene Parlamentswahlen ausrufen könnte, bevor sie sich mit den wirtschaftlichen Folgen auseinanderzusetzen habe.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: romanakr – Pixabay)