Ungarn ist derzeit der wahrscheinlich sicherste Ort für Juden in Europa, sagte der Oberrabbiner der Einheitlichen Ungarischen Jüdischen Kongregation (EMIH) Slomó Köves auf der internationalen Journalistenkonferenz „Hungary at first site“, die von der Stiftung „Freunde von Ungarn“ organisiert wurde. „Obwohl ein Teil der Gesellschaft antisemitische Gefühle hat, gibt es im Gegensatz zu einigen westeuropäischen Ländern keine physischen Gräueltaten“ – fügte der Rabbi hinzu.
In seinem Vortrag verwies Rabbi Köves auf die Gründung ihrer Stiftung „Foundation for Action and Defense (TVA)“. Die Inspiration für dessen Gründung kam durch die Entstehung der extremen Rechten, der wachsenden Popularität von Jobbik, den kontroversen Aussagen einiger Politiker um die Mitte des letzten Jahrzehnts und dem bloßen Gedanken, dass jüdische Gemeinden für sich selbst verantwortlich sind.
Fact
Die Organisation bietet Rechtsschutz und Hilfe für die Opfer, für Fälle im Zusammenhang mit der Leugnung des Holocaust sowie für die Erstellung von Dokumenten zur Änderung der Gesetzgebung. Die zweite Grundlage ihrer Aktivität ist Forschung und Überwachung, die kürzlich auf acht weitere Länder ausgeweitet wurden. Die dritte ist die Bildung (Programme, Lehrbücher, Kurse), welche Köves für am Wichtigsten hält.
In Bezug auf ungarische antisemitische Tendenzen gilt Ungarn im internationalen Vergleich definitiv als sicher, sagt Köves. So listete TVA 2019 nur 35 Fälle antisemitischer Vorfälle in Ungarn auf, d.h. 3,5 Fälle pro Million Einwohner. Diese Zahl ist erheblich besser als ähnliche Daten westlicher Länder (Niederlande, Frankreich, USA oder Großbritannien). Darüber hinaus verzeichnete auch das benachbarte Österreich in den Vorjahren mehr Fälle.
Related article
EMIH Rabbiner zu Roth: Ungarn ist ein besonders sicherer Ort für Juden„Es ist besonders seltsam, dass ein deutscher Politiker Ungarn kritisiert, da es 2019 in Deutschland 1 824 antisemitische Angriffe gab, während in Ungarn insgesamt 35“ – so Slomó Köves, führender Rabbiner der Einheitlichen Ungarischen Jüdischen Kongregation (EMIH). In einem Interview das auf der Website t-online.de am Freitag veröffentlicht wurde, kritisierte Michael Roth Ungarn und Polen wegen […]Weiterlesen
Dennoch sind in der ungarischen Gesellschaft auch antisemitische Neigungen vorhanden. Rund zwei Drittel der ungarischen Gesellschaft haben überhaupt keine antisemitischen Gefühle. Es ist jedoch besorgniserregend, wies der Rabbiner darauf hin, dass gemäßigte Antisemiten zum Extrem tendieren, was Köves der Entstehung der Jobbik-Partei zuschreibt, die rechtsextreme Neigung akzeptabler machte.
Ungarn ist kein antisemitisches Land und derzeit wahrscheinlich der sicherste Ort in Europa für Juden
Abgesehen von der Hilfe der ungarischen und der israelischen Regierung und in enger Zusammenarbeit mit der ungarischen Polizei verfügen beide großen jüdischen Gemeinden Ungarns über ein eigenes Bewachungssystem, einschließlich ihres eigenen Sicherheitspersonals, Kameraüberwachungssysteme und Notaufnahmen, „um auf alles vorbereitet zu sein“ verriet Köves.
Related article
Kippa: in Deutschland nicht empfohlen, in Ungarn problemlosWährend in Deutschland der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Juden davor gewarnt hat, überall in Deutschland die Kippa zu tragen, Financial Times veröffentlichte einen Meinungsartikel mit dem Titel „Das jüdische Leben in Budapest erlebt eine Renaissance“. Der bekannte Schriftsteller Adam LeBor, internationaler Korrespondent und seit Jahren wohnhaft in Budapest, gesteht: „Ich habe keine anderen ungarischen Wurzeln, als […]Weiterlesen
Als Antwort auf die Frage, ob die Anti-Soros-Kampagne der Orbán-Regierung negative Auswirkungen auf den Antisemitismus des Landes und die jüdische Gemeinde hatte, gab Köves zu, dass er die Kampagne nicht als „elegant“ empfunden habe, und verwies auf eine Umfrage seiner Organisation. Die Befragten würden „Soros nicht mit dem Judentum in Verbindung bringen“, und anscheinend hatten die „Soros-Kampagnen“ keine wesentlichen Auswirkungen auf den Antisemitismus im Land.
Related article
Judentum erlebt in Ungarn eine Renaissance„Die Juden können heute in Ungarn in Sicherheit und Ruhe leben. Wir sind stolz auf unsere Vergangenheit und Traditionen und glauben, dass die Jüdische Gemeinde in Ungarn und Budapest nicht nur eine Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch eine Zukunft hat.“ Das sagte der leitende Rabbi der Glaubensgemeinschaft der Israeliten in Ungarn (EMIH), Slomó Köves (r.), […]Weiterlesen
In Bezug auf das Gedenkprojekt „Haus des Schicksals“, das auch in der Innenpolitik heftige Debatten auslöste, sagte Köves, dass sie hart daran arbeiten. Aber solche Großprojekte brauchen viel Zeit.
Fact
2013 wurde in Ungarn beschlossen, ein weiteres Holocaust-Gedenkzentrum auf dem Gelände des ehemaligen Josefstädter Güterbahnhofs in Budapest zu errichten. Von diesem Bahnhof wurden nach dem deutschen Einmarsch Juden aus der Umgebung Budapests deportiert. In dieses „Haus des Schicksals“ sollten vor allem jüdische Kinder gedacht werden.
Nachdem das Projekt aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen der für das Konzept verantwortlichen Historikerin Mária Schmidt und den jüdischen Gemeinden im Jahr 2017 zum Stillstand gekommen war, wurde die Vereinigte Ungarische Jüdische Kongregation gebeten, die Leitung des Projekts zu übernehmen. Sie arbeiten jetzt mit Designfirmen und bekanntesten Historikern zusammen, so Köves und fügte hinzu, dass eine mögliche Eröffnung schon vor dem 80. Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (2024) verwirklicht werden kann.
(geschrieben von Hungary Today, übersetzt von Ungarn Heute, Beitragsbild: MTI – Zoltán Balogh)