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„Wir als Wiener Ungarn haben die Aufgabe, den Ruf Ungarns zu verbessern” INTERVIEW

Ungarn Heute 2020.12.26.

Zahnarzt im Praktikum, Komponist und nebenbei sogar Wochenendredakteur unserer Webseite „Ungarn Heute“. Dániel András Vargha lebt bereits seit 5 Jahren in Wien. Er sagt, es sei überhaupt nicht schwer, sich hier als Ungar durchzusetzen, aber natürlich musste er sich am Anfang an den österreichischen „Dialekt“ gewöhnen. Und was wird er in 10 Jahren machen? Da ihm Ungarn sehr fehlt, kann er sich vorstellen eines Tages wieder heimzukehren und hier zu arbeiten, zum Beispiel Musik zu komponieren. Und um das Geheimnis hinter den Kulissen zu lüften, die Namensübereinstimmung ist kein Zufall: Dániel ist mein jüngster Bruder.

(Das Interview hat die Chefredakteurin von Ungarn Heute geführt.)

Der Komponist

Was war dein letztes vollendetes Musikstück?

Es ist schwierig darauf zu antworten, da ich einerseits leider im Moment weder die Zeit noch die Energie habe um mich mit größeren Werken, wie Orchester- oder Chorwerken zu befassen, andererseits arbeite ich immer an mehreren Kompositionen gleichzeitig. Da Improvisation meine größte Stärke ist, werden kleinere und größere Klavierstücke oder Improvisationen (welche nur für den Moment sind) natürlicher geboren.

In letzter Zeit habe ich hauptsächlich kurze musikalische Instagram Videos angefertigt. Sie enthalten mehrere Stilrichtungen: Jazz, Klassik oder Blues.

Mein letztes vollendetes Werk, welches ich von Anfang bis Ende niedergeschrieben habe, war eine Klavierelegie; es gehört zur klassischen Musik; in der Unterhaltungsmusik wurde das Lied, das mit „I woke up in the morning” begann, zu einem wirklich vollständigen Stück. Es wird bald auf Instagramm verfügbar sein.

Hast du für die Weihnachtszeit auch festliche Improvisationen?

Letztes Jahr um Weihnachten habe ich zwei Stilübungen geschrieben.

Das Lied „Jingle Bells” habe ich im Stile von Bach und auch von Mozart gespielt. Sowas mache ich nicht zum ersten Mal.

Közzétette: Zsuzsa Simon – 2019. december 25., szerda

 

 

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Der vielleicht kühnste Moment war, als ich noch zur Musikschule ging: Ich weigerte mich ein Stück für ein Studentenkonzert beim Liszt-Festival 2011 zu lernen, welches ich nicht mochte. Zwei Tage vor dem Konzert, sagte ich meiner Lehrerin, die das Stück festgelegt hatte, dass mir vor dem Stück schaudert. Sie brach in Tränen aus und ich beruhigte sie daraufhin, dass ich mir was einfallen lassen würde.

Als ich zu Hause ankam, schrieb ich sofort ein Pseudo-Liszt Stück, welches ich vorgetragen habe, als wäre es eines seiner älteren Werke.

Diese Komposition hatte bei dem Konzert so einen großen Erfolg, dass ich dieses Werk auch später in meiner Prüfung gespielt habe, als wäre es ein originales Liszt Stück. Niemandem ist es aufgefallen. Ein einziger Lehrer kam nach der Prüfung zu mir und fragte mich, ob dieses Stück ein früherer Liszt wäre? Ich habe ihn natürlich korrigiert und gesagt, dass dies ein spätes Werk sei, da es voller Elemente war, die der junge Liszt nicht verwendet hat. Zurzeit mache ich auch solche Sachen. Letztens habe ich die weltberühmte Musik „coffin dance meme” in verschieden Stilrichtungen ausgearbeitet. Zwei davon sind schon auf Instagram, aber es gibt noch ein paar die auch fertig sind, nur habe ich diese noch nicht hochgeladen.

Dániel mit seinem Patensohn

Erscheinen auch Einflüsse ungarischer Komponisten in deinen Werken? Erkennt man in Wien, dass du „ungarisch” Klavier spielst?

In den Stücken aus meiner frühen Jugendzeit kann man oft den Einfluss Bartóks heraushören, was kein Wunder ist, da meine musikalische Erziehung im Musikhören nicht mit Mozart begann, sondern mit Bartók, Prokofjew und Debussy.

Dank meines Vaters ist die moderne Musik des 20. Jahrhunderts praktisch seit meiner Kindheit in mir verwurzelt. Das kann man bis heute aus meiner Musik heraushören.

Natürlich tauchen ungarische Elemente auch auf direkte Weise auf, zum Beispiel die „Hommage á Bartók”. Schon im Namen beziehe ich mich auf den Stil: Hommage heißt Würdigung, eine Würdigung Bartóks. Viele Komponisten haben Hommagen für ihre großen Vorgänger geschrieben. Obwohl es nicht im Titel des Werkes enthalten ist, ist mein Werk, das ich zum 80. Geburtstag von Sándor Szokolay, meinem geliebten und angesehenen Meister, Mentor und väterlichen Freund komponiert habe, und welches ich auch bei der für ihn organisierten Zeremonie aufgeführt habe, ebenfalls eine klassische Hommage. In dieser Arbeit tauchen eher Kodály-Elemente als Merkmale von Szokolay auf. Doch dies kann auch kein Zufall sein, da Szokolay ein Schüler Kodálys war.

Dániel als noch junger Lehrling mit seinem Mentor, Meister Sándor Szokolay

Der Mediziner

Du studierst an der Fakultät für Zahnmedizin der Medizinischen Universität in Wien und arbeitest bereits in einer Klinik als Arzt im Praktikum. Auf den ersten Blick sind Musik und Medizin sehr weit voneinander entfernt. Gibt es Berührungspunkte?

Beide Bereiche erfordern einerseits ernsthaftes wissenschaftliches Denken und andererseits ein hohes Maß an Kreativität.

Was mich am Zahnarztberuf am meisten beeindruckt ist, dass man gleichzeitig kreieren und heilen kann, und das gilt schließlich auch für die Musik. Bei dem einen schafft der Mensch durch Heilung, bei dem anderen heilt er durch sein Schaffen.

Außerdem interessiere ich mich sehr für die Physiologie der Musik und habe bereits begonnen daran zu forschen. Ich arbeite an einer Musiktheorie, die auf menschlicher Physiologie basiert. Durch die Kombination der klassischen und meiner selbst entwickelten Musiktheorie kann der Komponist beim Publikum auf noch direktere Weise eine Wirkung erzielen.

Um dies an einem Beispiel verständlicher zu machen:

Bestimmte Töne, Infraschall, können Vibrationen im Innenohr auslösen, die zu Übelkeit führen. In dieser Hinsicht symbolisiert der Komponist mit seinen musikalischen Elementen nicht nur Ekel, wie zum Beispiel in einem Bühnenwerk, sondern wirkt auch physisch direkt auf den menschlichen Körper.

Das Ziel ist natürlich nicht, das Publikum zum Erbrechen zu bringen. (lacht) Andere Gefühle können hervorgebracht werden, aber dieses Beispiel macht es anschaulicher.

In einer meiner zukünftigen Forschungen wird das wahrscheinlich das zentrale Thema sein.

Was sind deine langfristigen Pläne? Kannst du dir vorstellen, dass deine selbstkomponierte und beruhigende Musik in deiner Praxis während einer Behandlung leise im Hintergrund spielt?

Ob ich in einer Klinik oder in einer Praxis arbeiten werde? Oder werde ich nach einer Weile, als Einsiedler abgeschnitten von der Welt, in meinem Studio meine Musikaufnahmen nacheinander am laufenden Band produzieren? Oder werde ich als Klinik- oder Forschungsarzt, und nebenbei als „Wochenendkomponist”, leben?

Das weiß nur der Liebe Gott. Ich habe viele Pläne, die Ausführung werden wir dann sehen.

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Wie schwer fällt es dir, dich als Ungar in Wien durchzusetzen?

Überhaupt nicht schwer. Am Anfang kommt man natürlich mit großer Selbstsicherheit nach dem Abschluss aus einem deutschen Gymnasium an und wird plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass die Österreicher nicht wirklich Deutsch sind und die gesprochene Sprache nicht wirklich der entspricht, die man gelernt hat. Da muss man erstmal reinkommen. Für mich ging es relativ schnell und in der Zwischenzeit habe ich sehr viele Freunde gefunden.

Und die Klinik, in der ich arbeite, ist so multikulturell, dass es dort eher auffällt, wenn man Österreicher ist.

Hälst du es für denkbar irgendwann in Ungarn zu leben?

Absolut. Ungarn fehlt mir sehr. Ich freue mich immer riesig mein Zuhause zu besuchen.

Zuerst möchte ich hier in Österreich meine Karriere ausbauen, aber ich möchte auf alle Fälle auch in Ungarn arbeiten, später sogar dauerhaft.

 

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Der Journalist

Am Wochenende redigierst du „Ungarn Heute“. Warum hast du diesen Job angenommen?

Noch zum Zeitpunkt der ersten Corona Welle hast du mich als Chefredakteurin gefragt, ob ich Lust hätte, auszuhelfen. Ich war zu der Zeit schon MOBA-Mitglied und da ich gerne schreibe und auch Zeit hatte, habe ich das Angebot angenommen.

Fact

Die Freunde von Ungarn Stiftung wurde im Jahr 2011 mit dem Ziel gegründet, die Öffentlichkeit werteorientiert aber objektiv über die Ereignisse und Ergebnisse aus Ungarn und von Ungarn aus aller Herren Ländern zu informieren. Die Stiftung verfolgt und dokumentiert die erfolgreiche gesellschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Tätigkeit der Ungarn, und festigt die Beziehungen zwischen den Ungarn innerhalb sowie außerhalb des Vaterlandes. Sie trägt zur würdigen Anerkennung Ungarns und der Ungarn in den Augen der Welt für ihre Leistungen bei und engagiert sich für die Stärkung der Zusammengehörigkeit der Ungarn. Sie bildet eine Brücke in der Welt der Wissenschaften und zwischen den Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens. In der Mitgliedschaft der Gemeinschaft sind Leute ungarischer Herkunft bzw. Leute, die mit den Ungarn sympathisieren, die in ihrem eigenen Umfeld bzw. in ihrem eigenen Land relevante Persönlichkeiten sind. Mitglieder sind sowohl Chemie-Nobelpreisträger als auch erfolgreiche Bankvorstandsvorsitzende, ehemalige Botschafter, ausländische Journalisten, Akademiker und Opernsänger.

Die Arbeit ist geradezu optimal neben der wöchentlich 35-40 Stunden kostenlosen Arbeit in der Klinik. Darüber hinaus arbeite ich seit mehr als 2 Jahren an Wochentagen, natürlich nicht jede Woche und nicht jeden Tag, als Lehrassistent am Institut für Histologie der Medizinischen Universität Wien. Weiterhin unterrichte ich angehende Zahnarzthelfer an der österreichischen Zahnärztekammer.

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Wie siehst du die Beurteilung Ungarns in der österreichischen Hauptstadt?

Der allererste Facebook-Kommentar im Jahr 2015, den ich von meinem ersten österreichischen Studienkollegen gelesen habe, war, dass Ungarn in eine Diktatur eintritt. Das war also meine erste Erfahrung.

Alles was ich dazu sagen kann ist, dass man von Tag zu Tag sehr viel Unsinn korrigieren muss. Leider ist die österreichische Presse nicht immer die authentischste Quelle, wenn es um Ungarn geht. Natürlich gibt es auch Situationen, bei denen ich kritischen Stimmen recht geben muss. Doch für Ungarn stehe ich immer auf und habe eine feste Meinung zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Künstlern, die in der ausländischen Presse schmutzig über ihre Heimat reden.

Der erste Eindruck ist demnach schlecht gewesen. Was erlebst du nun in deiner unmittelbaren Umgebung?

Es sollte viel mehr geredet werden. Es gibt ein großes Durcheinander. Viele Dinge müssen in ihren Köpfen richtiggestellt werden. Leider fällt die politische Beurteilung Ungarns in österreichischen Kreisen sehr negativ aus.

Für uns Wiener Ungarn wäre genau das die Aufgabe: Ungarns Ruf durch Kunst und Wissenschaft zu verbessern.

Damit kann man beständige Werte schaffen. Nicht durch Skandale oder erniedrigende Kampagnen. Tag für Tag arbeite ich hart daran.

Deshalb wurde vor 10 Jahren die Stiftung „Freunde für Ungarn” von renommierten Wissenschaftlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gegründet. Wie du bereits erwähnt hast, bist du auch ein Mitglied dieser Organisation. Wie kann die Stiftung mit ihren Aktivitäten deiner Meinung noch helfen?

Die Ziele der Stiftung sind grundsätzlich gut, ich stimme ihnen zu, weshalb ich das ehrenwerte Angebot, ebenfalls Mitglied zu werden, angenommen habe. Mehrere im Ausland organisierte Programme, ich denke hier auch an die Konferenzen, die auf Grund der Epidemie leider ausgefallen sind, oder Stipendien und Ausschreibungen helfen den Ungarn im Ausland, kulturelle, wissenschaftliche und politische Veranstaltungen aktiver zu organisieren und daran teilzunehmen.

Es könnten Foren und Diskussionsrunden initiiert werden, in denen junge aufstrebende intellektuelle Ungarn aus dem Ausland ihre Erfahrungen austauschen können. Auf dieser Grundlage können sie Ungarn im Ausland fördern.

Weihnachten

Wie verlaufen die Feiertage während des Coronavirus´?

Auf unorthodoxe Art und Weise. Am 23. Dezember bin ich nach Hause zu meinen Eltern gefahren. Sie testen uns in der Klinik wöchentlich, und bisher war ich immer negativ. Zum Glück auch jetzt. Für mich war klar, dass die Gesundheit meiner Eltern wichtiger ist, als gemeinsam verbrachte Feiertage. Ich habe mit all meinen Kräften daran gearbeitet, dass ein Treffen und ein normales Fest stattfinden kann.

Die Familie ist groß und verstreut. Wien, London, Budapest, Gödöllő, Sopron. Leider gab es dieses Jahr kein gemeinsames Weihnachten. Nur online.

Was sind eure Gewohnheiten zu Weihnachten/Neujahr in Nicht-Corona-Zeiten, zum Beispiel auch Speisen, welche während der Feiertage nicht fehlen dürfen?

Das von unserem Vater zusammengestellte mehrgängige Menü mit Michelin-Sternen-Niveau hat es immer gegeben.

 

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Genauso wie die immer leckeren gebackenen Kuchen unserer Mutter. Zu meinem Geburtstag am 26. Dezember gibt es immer Kohlroulade (töltött káposzta). Normalerweise verbringen wir Silvester immer bei dir wo das von dir zusammengestellte Familienquiz noch nie ausgefallen ist. Ich werde das in diesem Jahr alles sehr vermissen.

(geschrieben von Zsófia Nagy-Vargha, übersetzt von Katharina Haffner, Foto: Márk Péter Vargha)