Die fristlose Entlassung von Zsolt Petry als direkte Folge einiger Interview-Aussagen des Torwarttrainers von Hertha BSC hat in Ungarn für erheblichen Wirbel bis hinauf zur Regierungsebene gesorgt. Nachdem das Auswärtige Amt in Berlin ungarische Proteste gegen die Entlassung des Ungarn durch den Berliner Bundesligaklub zurückgewiesen hatte, gehen die Meinungen der Kommentatoren darüber auseinander, wer in dieser Angelegenheit richtig und wer falsch gehandelt habe. Immerhin neigen selbst regierungskritische Kolumnisten zu der Ansicht, dass die Suspendierung des Torwarttrainers eine unverhältnismäßig harte Strafe gewesen sei. Presseschau von budapost.de.
Zsolt Petry, der ungarische Torwarttrainer von Hertha BSC Berlin, wurde am Dienstag vergangener Woche von seinen Pflichten entbunden. Zum Hintergrund: Petry hatte der Zeitung Magyar Nemzet ein Interview gegeben, in dem er – so die weit verbreitete Wahrnehmung – homophobe und einwanderungskritische Ansichten vertrat. In dem Interview stellte sich Petry grundsätzlich an die Seite des Torhüters der ungarischen Nationalmannschaft, Péter Gulácsi, der aufgrund eines Facebook-Posts zugunsten von „Regenbogenfamilien“ in den sozialen Medien massiv kritisiert worden war. Der Nationaltorwart hatte damit deutlich auf die Debatte um Trans- und Schwulenrechte in Ungarn reagiert (siehe beispielsweise BudaPost vom 17. Dezember 2020).
Petry erklärte gegenüber Magyar Nemzet, dass niemand für die Äußerung seiner Meinung angegriffen werden sollte. Gleichzeitig jedoch äußerte er Unverständnis dafür, dass der in Deutschland lebende Gulácsi bei einem so kontroversen Thema öffentlich Partei ergriffen habe. Er selbst sei anderer Meinung, fügte Petry hinzu und beklagte, dass im Westen solche Menschen sofort als Rassisten gebrandmarkt würden, die sich gegen die massenhafte Einwanderung aussprächen, „weil mit den Migranten zahlreiche Kriminelle gekommen sind“.
Petrys Äußerungen standen im Widerspruch zu den Werten des Vereins, woraufhin er fristlos entlassen wurde. Zwei Tage später stellte Gergely Gulyás, der für das Büro des Regierungschefs zuständige Minister, die Frage, ob in Deutschland noch Rechtsstaatlichkeit herrsche und fügte hinzu: „Von Deutschland ging einmal Totalitarismus aus, was sich nicht wiederholen sollte.“ Als Ausdruck der Empörung wurde der deutsche Geschäftsträger ins Außenministerium in Budapest zitiert. Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums wies den ungarischen Protest zurück. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Die Anspielung insbesondere auf den Nationalsozialismus weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.“
In der Wochenzeitschrift Demokrata interpretiert Gábor Bencsik den Fall als Hinweis darauf, dass im Westen so etwas wie die Französische Revolution im Gange sei – wenn auch „im Zeitlupentempo“. Die linke Intelligenz, so erklärt der regierungsnahe Publizist, habe mittlerweile dem Big Business ihre ideologischen Präferenzen aufgezwungen. Diese Geschäftswelt der großen Unternehmer erkaufe sich die Freiheit, nach ihren eigenen finanziellen Interessen zu handeln, indem sie solche Stimmen im Keim ersticke, die den Linken missfielen. Auf diese Weise reproduziere sich die linke Intelligenzia nahtlos in ihrer herrschenden Position, weil alle ihre Gegner zu Ausgestoßenen erklärt würden, ärgert sich Bencsik.
Related article
Orbán über Fall-Petry: "Ich bewerte Deutschland nicht"„Ich bewerte Deutschland nicht. Es ist nur schlimm genug, dass Deutschland uns immer bewertet“ sagte der Ministerpräsident darüber, dass der ungarische Torwarttrainer von Hertha wegen eines Interviews kürzlich freigestellt wurde. Orbán erklärte jedoch, dass „die europäische liberale Politik eine unterdrückende Politik ist, was nun zum Verlust des Arbeitsplatzes eines ungarischen Mannes führte.“ „Es ist nicht […]Weiterlesen
Die deutsche Presse vertrete in wichtigen Fragen weitgehend die gleiche Meinung, unabhängig davon, ob die einzelnen Blätter als konservativ oder links eingestuft würden, beobachtet Dániel Bohár auf 888. In einer solchen Atmosphäre könne eine abweichende Haltung leicht absurde Konsequenzen nach sich ziehen. Vor allem bei der Hertha, die als erster deutscher Verein ihren Spielern befohlen habe, vor den Spielen niederzuknien.
Zsolt Bayer zitiert in Magyar Nemzet Hertha-Geschäftsführer Carsten Schmidt: Er habe Petry als einen aufgeschlossenen und stets hilfsbereiten, sich niemals homophob oder fremdenfeindlich äußernden Menschen charakterisiert, dessen berufliche Leistung stets hoch geschätzt worden sei. Mit anderen Worten: Petry habe seinen Job, in dem er zugegebenermaßen brilliert habe, verloren, obwohl seine Chefs gewusst hätten, dass er weder homophob noch fremdenfeindlich gewesen sei. Angesichts all dessen sollte sich Gulácsi zu Wort melden und Petrys Stellungnahme zu dessen eigener Verteidigung erwidern, empfiehlt Bayer.
Gulácsi müsse sich wegen seiner fehlenden Solidarität mit Petry unwohl fühlen, habe der ihn doch gegen üble Angriffe im Internet verteidigt, schreibt der altgediente linke Kolumnist Ervin Tamás in Jelen. Aber er glaubt auch, dass Petry genau das getan habe, was er Gulácsi vorgeworfen habe – nämlich öffentlich zu kontroversen Themen Stellung zu beziehen, die in Deutschland angesichts von Millionen von Einwanderern besonders heikel seien. Alles in allem ist es für Tamás keineswegs überraschend, dass Petry von seinem Verein gefeuert wurde.
In Heti Világgazdaság bemerkt Márton Gergely, dass Petrys Worte in Deutschland einfach eine ganz andere Bedeutung hätten als in Ungarn. 21 Prozent der Berliner seien keine deutschen Staatsbürger, weitere 36 Prozent Kinder von mindestens einem zugewanderten Elternteil. Die Aussage des Torwarttrainers könnte in Deutschland leicht als Aufruf zu sozialer Ausgrenzung von Massen von Einwohnern interpretiert werden, während sie in Ungarn den Wunsch ausdrücke, die Zusammensetzung der Bevölkerung möge so bleiben, wie sie sei. Deshalb findet Gergely die Suspendierung Petrys verständlich, meint aber, dass der Verein mit der Entlassung seines Torwarttrainers die falsche Botschaft gesendet habe. Toleranz sollte man auch gegenüber Menschen üben, mit denen man nicht einer Meinung sei, mahnt Gergely.
(Via: budapost.de, Titelbild: MTI/EPA/Felipe Trueba)