Kommentatoren aus dem regierungsnahen Spektrum werfen der EU vor, Gender- und LGBTQ-Ideologien zu unterstützen, die dem normalen Europäer fremd seien. Ein liberales Nachrichtenportal ist der Meinung, dass der Fidesz die Anti-LGBTQ-Gesetzgebung missbrauche, um die öffentliche Aufmerksamkeit von Themen abzulenken, die der Regierungspartei größere Unannehmlichkeiten bescherten. Presseschau von budapost.de.
Am Donnerstag hat das Europäische Parlament das ungarische Gesetz verurteilt, das die „Förderung und mutwillige Darstellung von Pädophilie, Sexualität und Homosexualität“ unter Minderjährigen untersagt. Laut Resolution verletzt das Gesetz Werte und Bestimmungen der EU. Das Parlament fordert die Europäische Kommission auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen – darunter als eine mögliche Option die Aussetzung von EU-Zahlungen an Ungarn.
Ohne das Europaparlament ausdrücklich zu erwähnen, wirft Zsolt Bayer den europäischen Progressiven die Verinnerlichung abwegiger Werte vor. Der regierungsnahe Publizist der Tageszeitung Magyar Nemzet beschuldigt Europas „Reformisten, Progressive, Neomarxisten, liberale Nazis“ und ihre „NGO-Netzwerke“, sie würden sexuelle und andere Normen fördern, die den meisten Europäern fremd seien. Bayer zitiert eine Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstituts IFOP, wonach 80 Prozent der Franzosen mehr nationale Souveränität befürworten würden und 52 Prozent die traditionelle Identität verteidigen wollten.
Für den Autor sind diese Werte ein Beweis dafür, dass die Menschen auch in den westlichen Geburtsstätten progressiver Ideologien die „Normalität“ einschließlich des Nationalstaates und traditioneller Geschlechterrollen zu verteidigen wünschten. Abschließend ruft Bayer die eine Mehrheit der Europäer repräsentierenden Gegner progressiver Politik auf, ihre Bräuche und Kultur zu verteidigen, und regt an, dass diejenigen, die diese Werte zerstören möchten, „freiwillig gehen sollten, solange sie das noch können“.
Auf Mozgástér bezeichnet Zoltán Kiszelly es als betrüblich, dass die LGBTQ-Werte sogar von den europäischen Mitte-Rechts-Parteien, einschließlich der Europäischen Volkspartei, akzeptiert würden. Der regierungsfreundliche Analyst geht davon aus, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen das ungarische Bildungsgesetz entscheiden werde, das die Darstellung von Homosexualität in Anwesenheit Minderjähriger verbiete. Das endgültige Urteil werde jedoch nicht vom EuGH oder von Politikern der Union gefällt werden, sondern von der europäischen Bevölkerung, die progressive Gender-Werte mehrheitlich ablehne, so Kiszelly.
In einem Videobericht macht Telex geltend, dass die Regierung mit der Anti-LGBTQ-Kampagne die öffentliche Aufmerksamkeit von anderen Themen ablenken wolle, darunter auch von ihren Plänen, der chinesischen Fudan-Universität einen Campus in Budapest zu errichten. Das liberale Nachrichtenportal vermutet, dass es für die Regierung besser sei, wenn die Opposition für die Verteidigung von LGBTQ-Rechten demonstriere, als wenn sie gegen das unpopuläre Projekt der Fudan-Universität auf die Straße ginge, das unter anderem einen Kredit im Volumen von 500 Milliarden Forint (etwa 1,4 Milliarden Euro) beinhalte.
Während sich dies kurzfristig als vorteilhaft für den Fidesz erweisen könnte, so Telex, könnte die Strategie später nach hinten losgehen. Obwohl Homosexualität gemäß den Bekundungen von Fidesz-Politikern unproblematisch für die eigene Partei sei, würde es der Popularität des Fidesz schaden, sollte einer ihrer Politiker als schwul geoutet werden.
Telex glaubt auch, dass der Fidesz die Anti-LGBTQ-Gesetzgebung benutze, um die eigene gegen Brüssel gerichtete Rhetorik auf der Agenda zu halten. Sollte jedoch die EU mittels Einbehalt von Finanzmitteln eine Bestrafung der ungarischen Regierung beschließen, könnte die gegen LGBTQ gerichtete Gesetzgebung auch mehr Schaden als Nutzen für den Fidesz verursachen, warnt Telex abschließend.
(Via: budapost.de, Titelbild: MTI – Máthé Zoltán)