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Regierung: „Es geht um das Kinderschutzgesetz, nicht um Rechtsstaatlichkeit“

Ungarn Heute 2022.02.16.

„Der Europäische Gerichtshof hat eine politische Entscheidung über das ungarische Kinderschutzgesetz getroffen“ reagierte Justizministerin Judit Varga darauf, dass Luxemburg die Klagen von Polen und Ungarn gegen den Rechtsstaatsmechanismus zurückgewiesen hatte. Nach Ansicht der Justizministerin ist der EU-Gerichtshof damit zu einem politischen Akteur geworden. Laut dem Kanzleramtsminister besteht keine Gefahr, dass EU-Mittel vom Land entzogen werden, solange es in Ungarn eine bürgerliche Regierung gibt. 

„Die Entscheidung kam für die Regierung nicht überraschend“ sagte Justizministerin Judit Varga bei einer außerordentlichen Pressekonferenz, nachdem der Europäische Gerichtshof gegen Ungarn und Polen über den Rechtsstaatsmechanismus entschieden hatte.

Es ist ein unglaublicher Angriff auf das Land

so Varga. Die Regierung wird sich in dieser Frage an das Volk wenden, und ein Referendum wird die Debatte abschließen. „Kinder müssen vor sexueller Propaganda geschützt werden“ sagte die Ministerin und fügte hinzu: „Wir haben ein separates Schreiben aus Brüssel erhalten, in dem wir aufgefordert werden, unsere Gesetze zu ändern, die ansonsten in die nationale Zuständigkeit fallen.

 Kinder müssen vor jeder Art von sexueller Propaganda geschützt werden. Der Schutz der Kinder ist das Problem, nicht die Rechtsstaatlichkeit

schloss die Ministerin ihre Gedanken und verließ den Saal, so konnten die Journalisten ihr keine Fragen stellen.

Der Kanzleramtsminister Gulyás stand jedoch mehrere Stunden lang für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung.

Fact

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Ungarns und Polens Klage abgelehnt, wonach die EU Mitgliedsländern bei Rechtsstaatsverstößen Gelder kürzen darf. Der Entscheidung zufolge ist der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus rechtens. Das in Luxemburg ansässige Gremium verkündete am frühen Mittwochmorgen sein Urteil, die beiden Länder tragen auch die Kosten des Verfahrens. Das regierungskritische Portal Népszava behauptet, dass das Gericht das Urteil zum ersten Mal in seiner Geschichte live übertragen habe, was ein Zeichen für die Bedeutung des Falles sein könnte. 

Gulyás: „Solange es eine bürgerliche Regierung gibt, besteht keine Gefahr, dass EU-Mittel vom Land entzogen werden“

„Ich möchte alle davor warnen, die heutige Entscheidung überzubewerten, aber wenn man sie richtig einschätzt, betrachtet Ungarn die Rechtsstaatlichkeit als einen vorrangigen Bereich, und deshalb ist das Kinderschutzgesetz so wichtig. Ungarn hat seit 12 Jahren eine bürgerliche Regierung, und wir gehören zu den erfolgreichsten Ländern bei der Inanspruchnahme von EU-Mitteln: Allein in diesem Zyklus haben wir 2018 4,5 Mrd. EUR, 2019 3,5 Mrd. EUR, 2020 4,5 Mrd. EUR und 2021 4 Mrd. EUR abgerufen. Dieses Geld ist nicht das Geld der Nationen, es ist unser Geld. Solange Ungarn eine bürgerliche Regierung hat, kann man kein Geld von Ungarn wegnehmen. Damit ist auch der Einsatz für das Referendum gestiegen“

Laut Gulyás hat das Kabinett eine demokratischste Antwort gewählt, als es für das Referndum über das Kinderschutzgesetz entschieden hat. „Ungarn misst den Grundwerten der Rechtsstaatlichkeit größte Bedeutung bei, und das Kinderschutzgesetz ist eine Priorität“ so Gulyás und fügte hinzu, wenn der Oppositionskandidat glaube, dass „Kommunisten und Faschisten an die Macht kämen, wäre dies mit den Grundprinzipien der EU sicherlich unvereinbar“.

Er betonte erneut folgendes

Wir werden nie ein Problem damit haben, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt wird, aber dass die Ehe zweier Männer erlaubt oder verboten wird, kann nicht in Frage gestellt werden

Gulyás betonte erneut, dass, während die Regierung eine Vereinbarung mit der Europäischen Kommission getroffen hatte, diese jedoch gerade nach der Verabschiedung des Kinderschutzgesetzes nicht unterzeichnet wurde, so dass er glaubt, dass die Angriffe aufhören würden, wenn „wir das Gesetz aufheben würden“, antwortete Gulyás auf eine Frage von Origo.

In Bezug auf das öffentliche Auftragswesen räumte Gergely Gulyás ein, dass die Europäische Kommission berechtigte Kritik äußert, nämlich den hohen Anteil der öffentlichen Aufträge, die von einem einzigen Akteur vergeben werden. Aber sie haben sich verpflichtet, diesen Anteil zu verringern. Was hat das Kinderschutzgesetz damit zu tun?“, fragte Telex im Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Diese Folgerung erfolgte auf der Grundlage der „täglichen Erfahrung“, so Gulyás.

Auf die Frage, wie hoch die Prozesskosten sind, die Ungarn aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zahlen muss sagte  Gulyás, es handelt sich um einen vernachlässigbaren Betrag, der volkswirtschaftlich gesehen fast bei Null liegt.

(Titelbild: MTI/Kovács Attila)