Ein linker Kolumnist hält das juristische Vorgehen Ungarns gegen die Verknüpfung von Kriterien der Rechtsstaatlichkeit mit der Auszahlung von EU-Geldern für fragwürdig. Eine regierungsfreundliche Publizistin hingegen argumentiert, die EU sollte sich auf die Verteilung von Impfstoffen konzentrieren, anstatt eine Bestrafung Ungarns und Polens zu versuchen. Presseschau von budapost.de.
Letzte Woche haben die Regierungen in Budapest und Warschau beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die umstrittene Rechtsstaatsklausel im EU-Haushalt eingereicht. Konkret geht es dabei um die mögliche Kürzung von EU-Geldern aufgrund von Verstößen gegen Kriterien der Rechtsstaatlichkeit. Aufgrund der Klage wird sich die Anwendung der neuen Regeln (siehe BudaPost vom 14. Dezember 2020) verzögern. In einem in der Tageszeitung Magyar Nemzet erschienenen Kommentar hatte Justizministerin Judit Varga neben der Verkündung des ungarischen Einspruchs beim EuGH der Linken vorgeworfen, sie missbrauche den Begriff der Rechtsstaatlichkeit als willkürliches politisches Instrument. In ihrem Artikel, der auf der Website von Magyar Nemzet auf Ungarisch, Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht wurde, betonte Varga: „Jeder Staat interpretiert die Rechtsstaatlichkeit anders, im Lichte seiner eigenen politischen, sozialen und rechtlichen Geschichte. Daher würde der Versuch, mittels einer Einheitsdoktrin alle Rechtssysteme in die Zwangsjacke dieser Rechtsnorm zu stecken – obwohl sie eng mit der Rechtskultur eines jeden Landes verbunden sein soll – leicht zur Verletzung nationaler Verfassungstraditionen führen.“
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Die Argumentation von Ministerin Varga sei in sich widersprüchlich, notiert Jenő Fernicz. In einem Beitrag für die Tageszeitung Népszava fragt sich der linke Kommentator, wie der EuGH die Rechtmäßigkeit der Rechtsstaatskonditionalität der Union untersuchen könne, wenn es überhaupt keine allgemeingültigen und klar definierten Normen gäbe. Varga widerspreche sich, wenn sie für den Vorrang nationaler Verfassungstraditionen plädiere, während sie zugleich Gerechtigkeit vor einem übernationalen Gericht suche.
Mariann Őry von Magyar Hírlap hält es für absurd, wenn die Europäische Union Ungarn und Polen inmitten der Coronavirus-Krise mit der Kürzung von Finanzmitteln bestrafen wolle. Die regierungsnahe Kommentatorin erinnert daran, dass laut jüngsten Umfragen der Euroskeptizismus rasant zunehme, weil die EU nicht in der Lage sei, ein effizientes und schnelles System für den Ankauf und die Verteilung von Impfstoffen zu entwickeln.
(Bild: Zoltán Fischer)