Die Leiterin des Instituts für den Rechtsschutz der Minderheiten stellt die Arbeit ihrer Organisation vorWeiterlesen
Der Schal, den Viktor Orbán beim Fußballspiel Ungarn gegen Griechenland letzten Sonntag trug, versetzte die umliegenden Länder in Angst und Schrecken. Es handelt sich um einen Schal, das eine historische Karte des Königreich Ungarns zeigt.
Auf dem Schal war Ungarn in seinen Grenzen vor 1920 abgebildet – also bevor 2/3 des Territoriums sowie auch ein Großteil der Bevölkerung im Zuge des 1. Weltkrieges abgespalten wurden – und deutet somit laut einigen Politikern und Medien klar auf Orbáns revisionistischen Gedanken hin.
Politiker aus Österreich, Rumänien, der Slowakei und der Ukraine – allesamt Länder, die von den territorialen Verlusten Ungarns nach dem Krieg profitierten – drückten rasch ihre Meinung aus.
Der Sprecher des österreichischen Außenministeriums meinte schnippisch,
sie werden ihre „ungarischen Nachbarn bei nächster Gelegenheit über diese Entwicklung informieren”, dass „Transleithanien nur in Karten von vor rund 100 Jahren gefunden wurde“.
In Rumänien reagierte man unterschiedlich heftig: während laut dem Außenministerium „jegliche Form revisionistischer Äußerungen inakzeptabel“ ist, hat Orbán laut einer rumänischen Tageszeitung Transsylvanien sogar gleich annektiert! Revisionismusgedanken sind jedoch eher beim Fall des von rumänischen Nationalisten verwüsteten, ungarischen Militärfriedhofs in Úzvölgye, Rumänien, erkennbar.
Der slowakische Außenminister Rastislav Káčer schrieb auf seiner privaten Facebook-Seite: „Jeder, der mich gut kennt, weiß, dass wir noch nie einen Außenminister hatten und noch lange nicht haben werden, der eine so positive Einstellung zu unserem Uhersko-Erbe (auf Slowakisch ist Uhersko ein eigenes Wort für das historische Ungarn und Maďarsko für das heutige Ungarn) und unserer gemeinsamen Geschichte hat. Womit ich ein Problem habe, und ich zögere nicht, dies zu sagen, ist die Art und Weise, wie sich die Regierung unseres Nachbarlandes verhält“.
Gleichzeitig verurteilte Káčer, ein langjähriger politischer Gegner des ungarischen Premierministers, jedoch Orbáns Schal und stellte klar, dass „Irredentismus und Revisionismus in unseren Beziehungen keinen Platz haben. Wir haben 1939 gesehen und wir sehen heute in der Ukraine unter der russischen Aggression, wohin diese Gefühle und Pläne führen“. Abschließend bezeichnete er die Geste als „geschmacklos und schmutzig“ und stellte fest, dass sie zwar keine diplomatische Sprache sei, aber „doch etwas zählt“.
Im Gegensatz zu einem Schal und zu von Orbán nie auch nur angedeuteten revisionistischen Gedanken spüren die in der Slowakei lebenden Ungarn bis heute durch die Benes-Dekrete, die von der Kollektivschuld der Ungarn ausgehen, wohin „Gefühle und Pläne“ führen können.
Ausgerechnet die Ukraine reagierte am heftigsten. Der ukrainische Außenamtssprecher Oleg Nikolenko erklärte auf Facebook, dass Kiew den ungarischen Botschafter einbestellen werde. „Die Förderung revisionistischen Gedankenguts in Ungarn trägt nicht zur Entwicklung der ukrainisch-ungarischen Beziehungen bei und steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Politik“, schrieb Nikolenko.
Die „Entwicklung der ukrainisch-ungarischen Beziehungen“ schien weniger von Belangen zu sein als man im vorigen Monat in Munkatsch (Munkács, Mukatschewo) die Turul-Statue, ein Symbol der ungarischen Nation, absägte und mit dem ukrainischen Wappen ersetzte.
Kurz nachdem die Empörungsrufe laut wurden, betonte Viktor Orbán auf seiner Facebook-Seite:
„Fußball ist keine Politik. Wir sollten nicht etwas in einer Sache erkennen wollen, das nicht da ist. Die ungarische Nationalmannschaft ist die Mannschaft eines jeden Ungarn, wo auch immer er leben mag!“
Doch leider genau das scheinen viele nicht verstehen zu wollen: uns geht es um die Nation, die Einheit der ungarischen Nation, die größer ist als die Grenzen eines Landes.
Da es heutzutage beim Fußball viel eher um politische Statements geht, als um den reinen Sport, ist es nicht verwunderlich, dass man mit ein bisschen bösem Willen auch in diesem Fall eine politische Botschaft erkennen mag.
Titelbild: Screenshot Viktor Orbán Facebook