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Fachleute für psychische Gesundheit protestieren gegen Kinderschutzgesetz

Ungarn Heute 2022.01.27.
FIZETŐS

Das „Kinderschutzgesetz“ der Fidesz-Regierung bedroht die psychische Gesundheit mehrerer Gruppen junger Menschen, sagen ungarische Fachleute für psychische Gesundheit. In ihrem offenen Brief argumentieren sie, dass Umweltfaktoren zwar wenig mit der Entwicklung der sexuellen Orientierung zu tun haben, dass aber Stigmatisierung und mangelnder Zugang zu Informationen sowohl für Eltern als auch für Kinder sehr schädlich sein können.

Nach einer Reihe von Pädophilie-Skandalen begann die Regierung im Juni mit der Ausarbeitung des entsprechenden Gesetzes. Anfangs als „Anti-Pädophilie-Gesetz“ bezeichnet, wurde das Gesetzespaket plötzlich um Abschnitte ergänzt, die viele als restriktiv für die LGBT+-Gemeinschaft empfinden, was natürlich sowohl international als auch im Inland Kritik hervorgerufen hat.

Jetzt haben die Ungarische Psychiatervereinigung und die Ungarische Psychologenvereinigung einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie das Gesetz anprangern. Sie argumentieren, dass ein härteres strafrechtliches Vorgehen gegen Pädophile im Interesse der Kinder dringend erforderlich ist, dieses Gesetz aber die psychische Gesundheit einiger junger Menschen gefährdet.

Was steht im umstrittenen ungarischen "Kinderschutzgesetz"
Was steht im umstrittenen ungarischen

Vor einigen Wochen hat die ungarische Regierungspartei dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der seitdem europaweit für große Kontroversen sorgt. Den genauen Inhalt kennen wenige, da der Text auf ungarisch verfasst wurde. Hier finden Sie die zentralen Passagen in deutscher Sprache.Weiterlesen

Einige der wichtigsten Punkte ihrer gemeinsamen Erklärung lauten wie folgt:

  • Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass ebenso viele Kinder, die von heterosexuellen Personen oder Paaren aufgezogen werden, homosexuell, lesbisch, schwul, bisexuell, transgender (LGBTQ) werden wie Kinder, die von homosexuellen Personen oder Paaren aufgezogen werden.
  • In einigen Fällen ist das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht biologisch nicht so eindeutig, wie es zunächst erscheinen mag. Bei der Geburt wird das Geschlecht hauptsächlich anhand der körperlichen Merkmale des Neugeborenen, der äußeren Geschlechtsmerkmale, bestimmt und auf dieser Grundlage registriert. Das Geschlecht des Neugeborenen wird jedoch durch andere biologische Faktoren als die genetische Bestimmung beeinflusst (z. B. Störungen im Hormonsystem), so dass seine körperlichen Merkmale nicht immer vollständig durch visuelle Inspektion beurteilt werden können. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität ist daher auch aus rein biologischer Sicht ein komplexer und sensibler Prozess, der sich im Laufe des Lebens verändern kann.
  • Daraus folgt, dass sexuelle Minderheiten ihr Schicksal, ihre Geschlechtsidentität oder ihre sexuelle Orientierung nicht selbst wählen, sondern dass diese weitgehend durch komplexe biologische Prozesse bestimmt wird, die sich ihrer Kontrolle entziehen.
  • In Anbetracht all dessen argumentieren Experten nachdrücklich, dass die Entwicklung der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung nicht durch Umwelteinflüsse (z. B. Erziehung, „Propaganda“) beeinflusst werden kann.
  • Die Stigmatisierung von Eltern und ihren Kindern ist definitiv schädlich.
  • Wenn betroffenen Jugendlichen und Kindern der Zugang zu Informationen verwehrt wird (so wie es das betreffende Gesetz vorschreibt), werden sie mit ihren Fragen und Unsicherheiten allein gelassen.

„Infolgedessen steigt das Risiko der Entwicklung von Angststörungen, selbstzerstörerischem Verhalten, Substanzmissbrauch, Depressionen und Suizidalität bei den betroffenen, besonders gefährdeten und verletzlichen Kindern und Jugendlichen (…) erheblich.“

(Via: Hungary Today, Titelbild: Márton Mónus/MTI)