Die Europäische Union besteht nach Ungarns Sicht aus souveränen Nationen, aber einige Mitgliedstaaten versuchen, möglichst viele Entscheidungskompetenzen nach Brüssel zu übertragen und die EU-Institutionen zu stärken, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Interview, das am Donnerstag in der deutschen Zeitschrift Stern veröffentlicht wurde.
„Wir in Ungarn sagen, dass man nur dann ein guter Europäer sein kann, wenn man ein guter Ungar ist“, sagte Orbán und fügte hinzu, dass die Ungarn aufgrund ihrer historischen Erfahrung einen Vorstoß zum „Zentralismus“ mit Besorgnis betrachten.
„Wir wollen die vor 31 Jahren für Mittel- und Osteuropa erreichte Souveränität und Rechtsstaatlichkeit nicht wieder aufgeben“ betonte der Ministerpräsident. Auf die Frage, warum Ungarn nicht Großbritannien folgt und die EU verlässt, sagte der Premierminister: „Es ist besser für uns in der EU“ und bezeichnete den Brexit als „einen großen Fehler, der hätte verhindert werden müssen“.
Es ist wichtig, dass Ungarn zu einem Bündnis gehört, das Sicherheit bietet, so Orbán weiter.
In Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn sagte Orbán, er betrachte die Vorwürfe, dass in Ungarn keine Rechtsstaatlichkeit sei als „absurd“ und fügte hinzu, dass „nie klare und objektive Kriterien aufgestellt wurden, um diese unbewiesenen Anschuldigungen zu rechtfertigen“.
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Auf die Frage, was er darüber zu sagen hat, dass die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Ungarn inzwischen auf Platz 89 listet, noch hinter Albanien, sagte der Premier:
Die Ungarn wissen nicht, ob das ernst gemeint oder ein Scherz ist. Ein Ungar geht ins Internet und schaut sich die Nachrichtenportale an. Und da gibt es mehrheitlich Quellen, die die Regierung brutal kritisieren. Dann schaltet er den Fernseher an: Der zu Bertelsmann gehörende Fernsehsender RTL hat die höchste Einschaltquote und ist am regierungskritischsten. Objektive Analysen zeigen, dass sehr regierungskritische Medien in Ungarn einen Marktanteil von weit über 50 Prozent ausmachen und der Opposition zuzuordnen sind
Im Zusammenhang mit familienpolitischen Fragen verwies der Ministerpräsident auf das ungarische Grundgesetz, das Familie als ein „Bündnis“ zwischen einem Mann und einer Frau definiert. Laut Orbán soll diese Aussage nicht als „Intoleranz“ gesehen werden.
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Ich habe einen Standpunkt, ein anderer Mensch hat einen abweichenden, mit dem ich nicht einverstanden bin. Und da wir zusammenleben müssen, versuchen wir eine gemeinsame Basis zu finden. Das ist Toleranz.
Auf die Frage, was er über die Muslimen hält, die in Ungarn leben, sagte der Ministerpräsident
…ihre Zahl geht über ein bestimmtes Maß nicht hinaus. Wir wollen nicht, dass sie in so großen Massen nach Ungarn kommen, dass das in unserem Leben eine kulturelle Änderung herbeiführt. Die Muslime, die da sind, haben wir selbst hereingelassen. Sie akzeptieren, dass sie in einem christlich-jüdischen Land leben, und halten sich an unsere Gesetze
„Was wäre, wenn eine Ihrer Töchter plötzlich mit einem muslimischen Freund vor Ihnen stünde?“ stellte dir Frage der Stern-Journalist. Orbán antwortete:
Ich habe meine Kinder so erzogen, dass sie die wichtigen Entscheidungen ihres Lebens selbst treffen. Und ich habe versucht, sie mit Wissen und Erziehung auszustatten, damit sie für sich richtig entscheiden können. Ich würde wahrscheinlich noch fragen: Hast du es dir gut überlegt? Und wenn die Antwort „Ja“ lauten würde, dann wäre meine Aufgabe zu Ende.
Eine andere provokative Frage lautete: „Was wäre, wenn eines Ihrer Kinder zu Ihnen käme und sich als homosexuell outen würde?“ Orbán sagte: es wäre sicherlich eine große Herausforderung, „aber der liebe Gott hat uns bisher mit dieser Frage nicht konfrontiert. Meine Frau und ich würden unsere Kinder selbstverständlich immer völlig unabhängig von ihrer Neigung lieben.“
Im Zusammenhang mit EU-Rechtsdebatten über die Unterbringung von Asylbewerbern in Ungarn sagte Orbán, die Grundpolitik des Landes bestehe darin, illegale Einwanderung abzulehnen. Er sei gegen jede Politik, die den Bedürftigen den Eindruck vermittelt, dass die Einwanderung nach Europa die einzige Lösung sei.
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Ungarn beachtet die in internationalen Verträgen festgelegte Regel, dass Menschen, die aus gutem Grund aus ihren Häusern fliehen müssen, das Recht haben, in ein sicheres Land aufgenommen zu werden, sagte Orbán. „Es gibt aber kein internationales Recht, wonach man sich das Land aussuchen kann“ fügte er hinzu.
Ungarns Position ist, dass Hilfe zu den Bedürftigen gebracht werden muss, anstatt „Probleme zu importieren“, und deshalb wurde die Hilfsorganisation „Hungary Helps“ gegründet, sagte Orbán und fügte hinzu, dass ein „Marshall-Plan“ für Länder in Afrika und im Nahen Osten eingeführt werden sollte, aus denen viele Migranten stammen.
Der Ansatz der EU zur Aufnahme von Asylbewerbern geht weit über die in internationalen Verträgen verankerten Rechte hinaus, sagte Orbán.“ Leider ist dies zum politischen Maßstab geworden, und wer diese Politik wie wir nicht teilt, wird sofort zum schwarzen Schaf. Man wird exkommuniziert.“
Ungarn sei ein „sehr vielfältiges“ Land in Bezug auf Kultur und Religion, in dem Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen in Harmonie leben, sagte er. „Wir mögen Vielfalt in unserer Kultur, aber wir gehen sehr vorsichtig mit allem um, was von außen kommt, weil wir ein kleines Land sind“, fügte er hinzu.
Während der Flüchtlingskrise 2015 sei klar geworden, dass deutsche Politiker an ein postchristliches und postnationales Europa glauben, ein Ansatz, den die Ungarn nicht teilen
In einer solchen Situation „sollten wir tolerant miteinander umgehen und uns einig sein, dass wir auch dann Freunde sein können, wenn wir anders denken“, fügte er hinzu.
Über die deutsch-ungarischen Beziehungen sagte Orbán:
Bis 2015 waren die deutsch-ungarischen Beziehungen eigentlich eine erfrischende Ausnahme, obwohl wir immer schon unseren eigenen Weg gegangen sind. Bei der Flüchtlingskrise 2015 hat sich aber herausgestellt, dass die deutsche Politik an ein postchristliches, postnationales Europa glaubt
Schließlich beschrieb der Premier Bundeskanzlerin Angela Merkel als „eine starke Frau die zwei Kreuze trägt: das der deutschen Politik und das der europäischen Politik. Und sie geht immer aufrecht, Respekt!
(Das vollständige Interview finden Sie unter dem Link. Bild: MTI – Zsolt Szigetváry)