Die Oppositionsparteien protestierten nicht nur gegen die angeblich übertriebene russische Propaganda sondern halten es auch für inakzeptabel, dass Mitglieder ihrer Parteien fast nie in die staatlich finanzierten Medien eingeladen werden.Weiterlesen
Nach den Wahlen haben die aus Steuergeldern betriebenen staatlichen Medien (MTVA) eine interessante Wendung verzeichnet: Nachdem sie weder die Oppositionspolitiker noch den Kandidaten der Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten in ihre Sendungen einluden, wird nun letzterer, Péter Márki-Zay, fast 50 Minuten lang in einer ihrer Sendungen befragt. Gleichzeitig übte einer der bekanntesten regierungsnahen Journalisten scharfe Kritik an den öffentlichen Medien. Wie er schrieb: er freut sich zwar über einen weiteren Zwei-Drittel-Sieg der Fidesz, atmet aber tief durch und sagt, „was jeder auf der Rechten Seite weiß: die politische Voreingenommenheit der ungarischen öffentlichen Medien ist unhaltbar“. MTVA wies Vorwürfe zurück und bezeichnete den regierungsfreundlichen Journalisten praktisch als ehemaligen Kommunisten.
Wie wir bereits vor den ungarischen Parlamentswahlen berichteten, durfte der gemeinsame Ministerpräsidentenkandidat der Opposition Péter Márki-Zay, fünf Minuten lang im staatlichen Fernsehsender M1 sprechen und das Wahlprogramm der Opposition vorstellen. Es war Ende März das erste Mal, dass der Bürgermeister von Hódmezővásárhely, der letztes Jahr auch die Vorwahlen der Opposition gewonnen hatte, das Gebäude des ungarischen Staatsfernsehens betreten durfte.
Ebenfalls während der Wahlkampagne demonstrierten die sechs Oppositionsparteien vor dem Sitz der staatlichen Medien (MTVA) unter anderem gegen die Arbeit der von staatlichen Geldern finanzierten Medien. Sie protestierten nicht nur gegen die angeblich übertriebene russische Propaganda sondern halten es auch für inakzeptabel, dass Mitglieder ihrer Parteien fast nie in die staatlich finanzierten Medien eingeladen werden, was bedeutet, dass sie deutlich weniger Wähler erreichen als die regierenden Fidesz und KDNP.
An diesem Dienstag wurde es dann bekannt, dass Péter Márki-Zay, der ehemalige Kandidat der Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten, am Donnerstag in der Sendung „48 Minuten“ bei dem regierungsnahen politischen Analysten Tamás Lánczi zu Gast sein wird. Es ist interessant, weil Márki-Zay vor den Wahlen nur die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Minuten im MTVA-Studio verbringen durfte, keine einzige Minute mehr.
Was noch ein interessanter Aspekt ist: Kürzlich darauf übte einer der bekanntesten rechten Journalisten, Gábor Bencsik, scharfe Kritik an den öffentlichen Medien aus.
Auf Facebook schrieb er, er freue sich zwar über den Zwei-Drittel-Sieg der Fidesz, atmete aber tief durch und sagte, „was jeder auf der rechten Seite weiß“:
die politische Voreingenommenheit der ungarischen öffentlichen Medien ist unhaltbar
Bencsik listet auf, was er für die größten Probleme beim Betrieb der MTVA hält: „Es ist absurd, dass Oppositionspolitiker praktisch nicht in die Sendungen kommen, dass diejenigen, die die Nachrichten kommentieren ausschließlich von der Seite der Regierungsparteien kommen, dass lange regierungsfreundliche publizistische Beiträge in den Nachrichtensendungen als Nachrichten gelesen werden, während oppositionelle Meinungen meist in regierungsfreundliche Widerlegungen verpackt präsentiert werden“.
Nachdem sich herausstellte, dass Péter Márki-Zay am Donnerstag einen 48-minütigen Auftritt auf M1 (Nachrichtenprogramm der staatlichen Medien) haben wird – sagte Bencsik „das ist schon etwas“, aber es wäre korrekter gewesen, dem Premierministerkandidaten so viel Zeit einzuräumen, als ein solcher „Auftritt“ noch eine Bedeutung gehabt hätte.
Das öffentlich-rechtliche ungarische Fernsehen ist auch das Fernsehen der oppositionellen Hälfte des Landes, es wird auch von ihren Steuern aus betrieben, es ist an der Zeit, sich dementsprechend zu verhalten“, so Bencsik abschließend.
Eine weitere Besonderheit in diesem Fall ist, dass noch am Dienstagabend die öffentlichen Medien eine Reaktion auf die Kritiken von Bencsik abgegeben haben, indem sie unter anderem erklärten, dass sie über die wichtigsten Veranstaltungen der Opposition berichtet und Oppositionspolitiker um eine Stellungnahme gebeten hätten, diese aber nicht geantwortet hätten. Dann bezeichnen sie den regierungsfreundlichen Journalisten als „Soros-Mann“. Wie sie schreiben: „Gábor Bencsik, der früher für eine von Georg Soros finanzierte Stiftung arbeitete, reihte sich in die linke Riege derjenigen ein, die die öffentlich-rechtlichen Medien regelmäßig und unbegründet beschuldigen, als er darauf spekulierte, dass Péter Márki-Zay am Donnerstag in einer gemeinsamen Sendung von M1 und hirado.hu zu Gast sein würde“.
Dann wird die kulturkonservative Zeitung, deren Chefredakteur Bencsik war, ebenfalls angegriffen. „Die von ihm herausgegebene Magyar Krónika erhielt während ihres Bestehens staatliche Subventionen in Höhe von mehreren zehn Millionen Forint pro Jahr für ihre kulturellen Aktivitäten, und der Herausgeber gab an, dass sie zweitausend Abonnenten hatte. Die große Frage ist, wohin das Geld geflossen ist, denn 2019 war die Zeitung von der Schließung bedroht, weshalb Bencsik die Leser schriftlich um Geld bat.
Schließlich warfen sie dem Journalisten vor, ein ehemaliger Kommunist zu sein. „Was die öffentlich-rechtlichen Medien betrifft, so ist ihm, dem die Ausgewogenheit nie bekannt war und der auch ein ehemaliger Generalsekretär des Nationalen Journalistenverbandes (1989-1997) war, der mit einem kommunistischen Partei-Hintergrund funktionierte, nicht einmal aufgefallen, dass M1, Kossuth Radio, hirado.hu und MTI vor und während des Wahlkampfes regelmäßig über wichtige Ereignisse der Opposition berichteten und mehrfach linke Politiker um Kommentare baten.“
Die öffentlichen Medien vermuten, dass Gábor Bencsik für die OSZE-Leute arbeitet und dass diese bereits ihr diskreditierendes Material über die öffentlichen Medien vorbereiten.
(Titelbild: MTI – Zsolt Szigetváry)