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Interview: „Sopron ist von seiner deutschen Kultur nicht zu trennen”

Enikő Enzsöl 2023.06.17.

Wie Ungarn Heute bereits berichtete, wurde das Museumsquartier in Sopron (deutsch Ödenburg), das durch die Verbindung des Storno-Hauses, des Fabricius-Hauses, des Hauses des Generals sowie des Feuerturms entstanden ist, am Dienstag offiziell eingeweiht. Wir haben Dr. habil. Imre Tóth, Historiker, den Direktor des Soproner Museums, über das Konzept des Museumsquartiers, die aktuellen und zukünftigen Ziele sowie über die deutschen Aspekte Soprons befragt.


Das Soproner Museumsquartier öffnete am 6. Juni seine Toren für Besucher und wurde am Dienstag offiziell eingeweiht. Wann wurde die Idee des Museumsquartiers geboren und was war der Zweck der Einrichtung?

Die Bezeichnung Museumsquartier ist umstritten, da es sich nicht um einen ganzen Stadtteil handelt. Das Soproner Museum hatte seit den 1970er Jahren mehr als zehn Ausstellungsorte in der Stadt. Damals gehörten auch die Ausstellungsorte in Brennbergbánya, Nagycenk und eine Zeit lang sogar der Ausstellungsort in Kapuvár zu dem Museum. Mit dem Museumsquartier wurde dieses Ausstellungsmaterial auf drei neue Gebäude konzentriert, einschließlich des Feuerturms sogar in vier.

Das Hauptziel des Projekts war es, eine Museumseinheit so zu gestalten, dass es einen Raum gibt, in dem die Besucher mit dem Museum interagieren können.

Wir sollten uns und unser Angebot nicht durch ein Kassenfenster verkaufen, sondern die Leute sollten von der Straße hereinkommen, unsere Publikationen und Programme kennenlernen. Es gibt die Möglichkeit miteinander zu reden. Das Museumsquartier hat öffentliche Räume, wo man schon etwas sehen kann, was noch keine Ausstellung ist. Wir wollten die Besucherinteraktion auf das Niveau des 21. Jahrhunderts bringen.

Dazu brauchten wir einen zentralen Kern, ein zentrales Gebäude, an das sich die anderen Ausstellungsräume anschließen konnten. Wir kamen auf die Idee, den Hof des Hauses des Generals, der als Wohnhaus und Museumslager genutzt worden war, zu überdachen und mit den Nachbargebäuden zu verbinden und so an die bereits seit den 1970er Jahren bestehenden Ausstellungen anzuknüpfen. Der Feuerturm, das Haus-Storno, das Haus des Generals und das Fabricius-Haus bilden eine Einheit. Wenn man sich die Zahlen ansieht, gibt es 10 Ausstellungen in dem Komplex, man kann also sagen, dass es ein Viertel ist.

Das Museumquartier in Sopron: der Feuerturm, das Strono-Haus, das Haus des Generals und das Fabricius-Haus (rechts-links) (Foto: Soproner Museumsquartier)

Das Konzept war also gegeben, aber es wurden auch Mittel benötigt. Wie wurde das Projekt finanziert?

Das Projekt war Teil des Nationalen Schloss- und Burgprogramm, das teilweise von der Europäischen Union und teilweise aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Das Ministerium für Bau und Verkehr unter der Leitung von János Lázár, die Nationale Gemeinnützige GmbH für den Schutz und die Entwicklung des Kulturerbes (Nemzeti Örökségvédelmi Fejlesztési Nonprofit Kft.) und die Stadtverwaltung der Komitatsstadt Sopron waren die Bewerber und der Investor. Im Rahmen des Programms wurden an vielen anderen Orten im Lande Wunder geschaffen: Burgen, Schlösser und Ausstellungen.

Auch das Soproner Museumsquartier hat sich diesem Programm angeschlossen. 2011 wurde mit dem Umbau des Feuerturms begonnen, was eine sehr große Investition war. Bereits während dieser Renovierung schlug ich vor, dass es einen Besucherraum geben sollte, einen Empfangsbereich, der die oben genannten Funktionen aufnehmen könnte, aber damals wurde diese Erweiterung nicht durchgeführt. Später ermöglichte das Nationale Schloss- und Burgprogramm die Verwirklichung dieser Idee.

Dr. Imre Tóth (rechts) begrüßt de Gäste bei der Eröffnung des Museumquartiers in Sopron (Foto: Facebook/Soproni Múzeum)

Geschichtlich gesehen ist Sopron nicht nur eine ungarische, sondern auch eine deutsche Stadt mit einem starken deutschen Kulturerbe. Was bietet das Museumsquartier den deutschsprachigen Besuchern und wie kann es sie ansprechen?

Sopron ist von seiner deutschen Kultur nicht zu trennen. Wenn man ein wenig in der Zeit zurückgeht, wird man sofort damit konfrontiert. Zum einen kann man die bereits bestehende Ausstellung zur Geschichte Soprons, von der Urzeit bis zum Paneuropäischen Picknick, immer noch besuchen. Die Ausstellung umfasst natürlich auch Gegenstände, vor allem aus dem Alltagsleben und der Kultur, die die Stadt mit ihren deutschen Wurzeln verbinden. Die Exponate umfassen die Kultur der deutschen Stadt in Form von Werkzeugen, Gegenständen und Zeitungen. Auch die Vertreibung und die politische Verbindung mit dem modernen Deutschland durch das Paneuropäische Picknick sind Thema.

Darüber hinaus gibt es einige neue Ausstellungen, in denen die deutschen Wurzeln der Stadt ebenfalls zu finden sind. Die historische Ausstellung „Sopron und die Krone“ zum Beispiel beschäftigt sich zwar nicht im Wesentlichen mit dem Deutschtum, aber mit den ungarisch-habsburgischen Beziehungen, der Geschichte von Sopron und den habsburgischen Herrschern, mit einem deutschen Aspekt durch die ungarische Krone. Die Geschichte, die hier präsentiert wird, beginnt irgendwann um die Zeit von Matthias Hunyadi (Corvinus) – aber sie schließt auch die Habsburger durch Friedrich ein – und geht bis zum Habsburgerkönig Karl IV. hin.

Die Ausstellung „Sopron und die Krone“ (Foto: Soproner Museumsquartier)

Betrachtet man die seit 1987 laufende Storno-Ausstellung, so kann man sagen, dass Ferenc Storno auch eine Figur von multikultureller Bedeutung war. Obwohl die Familie Storno aus einem Ort namens Solduno in der Provinz Tessin (italienische Schweiz) stammte und dann nach Landshut in Bayern auswanderte, konnte sich Ferenc Storno organisch in das bürgerliche Leben von Sopron integrieren.

Es liegt auf der Hand, dass die Wohnkultur auch den Lebensstil der lokalen Mittelschicht oder des westlichen Bürgertums im Laufe ihrer Geschichte widerspiegelt. Auch hier gibt es eine Vielzahl von deutschen Bezügen.

Mit Ausnahme der archäologischen Ausstellung kann man vielleicht sagen, dass alle Ausstellungen und Ausstellungsräume einen deutschen Bezug haben, wenn auch nicht überall explizit.

Wurden die Ausstellungen mit Blick auf die Bedürfnisse ausländischer Besucher konzipiert, sind die Schilder in den Ausstellungsräumen in mehreren Sprachen vorhanden?

Im Museumsquartier ist die Beschilderung auf Ungarisch und Englisch. Das Konzept ist im Wesentlichen aus der Erfahrung entstanden, dass Menschen aus dem deutschsprachigen Raum auch Englisch sprechen können. Aber

alle Hilfsmittel, die die Ausstellungen begleiten – auch der Visual Guide, der Audioguide – sind in deutscher Sprache verfügbar.

Die Exponate sind also im Grunde dreisprachig, aber die Wandschilder sind nur auf Ungarisch und Englisch, weil drei Sprachen optisch sehr verwirrend gewesen wären, sowohl was die Größe als auch den Umfang betrifft.

Es war eine äußerst schwierige Entscheidung, da die deutschen kulturellen Wurzeln der Stadt die deutsche Beschilderung erfordern würden, aber die Praktikabilität diktiert, dass Englisch die zweite Sprache sein sollte. Das Museum hat eine breite Palette von Besuchern, interessanterweise mit relativ wenigen aus Österreich, aber Sopron zieht Besucher aus der ganzen Welt an.

Foto: Soproner Museumsquartier

Blicken die aus Sopron vertriebenen Deutschen, ihre Nachkommen und ihre Organisationen auf die Stadt zurück und tragen finanziell oder in Form von Artefakten zu den Ausstellungen bei?

Die Antwort auf diese Frage lautet nein, und zwar aus ganz offensichtlichen Gründen. Das Hauptkulturzentrum der Vertriebenen aus Sopron ist Bad Wimpfen, wo es eine sehr schöne Sammlung von Materialien gibt, die sich zum einen auf das ehemalige Ödenburg beziehen, das die Deutschen aus Sopron als Andenken an ihre Vertreibung mitgenommen und dort aufbewahrt und gesammelt haben, und zum anderen auf die Integration der Deutschen aus Sopron dort, die ihre rückblickende Erinnerung ist. Hier befindet sich das Ödenburger Heimatmuseum, das zurzeit leider etwas in Vergessenheit geraten ist, und es ist nicht bekannt, von wem es in der Zukunft betreut wird, da die vertriebene Generation nicht mehr lebt und die nächsten Generationen sich zerstreut haben und immer weniger Interesse an der Sammlung haben.

Langfristiges Ziel des Museumsquartiers ist es, dieses Material, das zurzeit in Bad Wimpfen ist und dort wahrscheinlich verwaist wird, in einer Dauerausstellung in Sopron zu präsentieren.

Es liegt auf der Hand, dass es sich hierbei um eine Angelegenheit handelt, an der mehrere Interessengruppen beteiligt sind: die Deutsche Selbstverwaltung Ödenburg, die Gemeinden Sopron und Bad Wimpfen sowie die Nachkommen der Einwohner von Sopron, aber auch das Museumsquartier. In Bad Wimpfen gibt es also Material speziell über die deutsche Gemeinschaft in Sopron, das wir bewahren, erhalten und präsentieren möchten. Im vergangenen Jahr habe ich die Sammlung persönlich besichtigt, bewertet und für ausstellungswürdig befunden.

Worauf sind Sie besonders stolz und was würden Sie am Museumsquartier besonders hervorheben?

Ich würde keine der Ausstellungen hervorheben, sie sind alle sehr schön. Worauf ich am meisten stolz bin, ist, dass es uns wirklich gelungen ist, ein Gespräch mit den Besuchern auf dem Niveau des 21. Jahrhunderts zu führen. Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn Technologie und Techniken veralten jeden Tag mehr und mehr, und was wir heute für modern halten, könnte in zwei Jahren schon lächerlich sein. Das Museumsviertel hat aber viele subtile Lösungen, die es modern machen.

Das Soproner Museum verfügt über zwei brandneue Museumseinheiten. Die eine heißt Lenck-Villa am Deák-Platz, hier gibt es eine große Ausstellung in einem renovierten Villengebäude. Dort haben wir den Schwerpunkt auf Eleganz gelegt, es ist eine sehr schöne, stilvolle Ausstellung. Die andere ist das Museumsquartier, wo wir den Schwerpunkt auf Modernität gelegt haben.

Wir wollten die Ausstellung für junge Menschen und für Menschen, die sich sonst nicht so sehr für Museen interessieren, zugänglich und unterhaltsam machen. Wir wollten die Sprache derer sprechen, die sonst nicht ins Museum kommen.

Im Museumsquartier findet jeder viele Räume, die man kostenlos betreten und besuchen kann. Ich denke, dass wir früher oder später die Menschen, die ins Museumsquartier kommen – wenn auch nur auf die Toiletten oder in die Cafés – so ansprechen werden, dass sie spontan merken, dass das Museumsquartier gut ist, auch wenn sie nie gedacht hätten, dass es so sein würde. Kreative Ideen, Lösungen und Ästhetik sind das, was in diesem Raum auffällt, wo eine sehr schöne architektonische Lösung umgesetzt wurde, vor allem mit der Überdachung des Hofes.

Foto: Facebook/Soproni Múzeum

Ich persönlich – obwohl ich Historiker bin und mich daher hauptsächlich für Geschichte, einschließlich der Geschichte der Diplomatie und der politischen Geschichte, interessiere – mag die Wohnkultur sehr, und ich finde, dass es im Museumsquartier einige sehr schöne Innenräume aus dem 19 Jahrhundert gibt. Das Einzigartige hier in Sopron ist, dass wir die Veränderungen in der bürgerlichen Lebensweise vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert durch mehrere Interieurs mit vielen interaktiven Elementen zeigen können. Die meisten Menschen interessieren sich für die Lebensweise, für die Veränderungen im Lebensstil im Laufe der Geschichte. Wenn man ins Museumsquartier kommt, kann man erfahren, wie es war, hier, in dieser Stadt zu leben, welche Rolle diese Stadt in der ungarischen oder sogar europäischen Geschichte von der frühen Neuzeit bis zum 20. Jahrhundert spielte, im Zusammenhang mit Krönungen und Staatsversammlungen, denn auch diese Zusammenhänge sind in den Ausstellungen enthalten. Ich denke, es gibt viele verschiedene Interessen, die durch das Museumsquartier befriedigt werden können.

Was bietet das Museumsquartier für die jüngste Generation? Sind Kinder, Kindergartengruppen, Schulkinder und Familien willkommen?

Vor der Eröffnung wurden Broschüren, Aktivitätshefte und interaktive Spiele bereitgestellt, die zwar keinen Bildschirm erfordern, aber die Fantasie der Kinder anregen. Es wurde aber auch dafür gesorgt, dass die Bildschirme für Kinder zugänglich sind. Wir haben auch eine Ausstellung über König Matthias, in der es um die Beziehung zwischen dem König Matthias der Märchen und Legenden und dem König Matthias der Wirklichkeit geht. Diese Ausstellung dürfte auch für Erwachsene, aber vor allem für Kinder von Interesse sein. Für diesen Komplex und für jede seiner Ausstellungen wurde ein detailliertes museumspädagogisches Programm entwickelt. Das Soproner Museum verfügt außerdem auch über ein Kindermuseum, das sich speziell an diese Altersgruppe richtet.

Foto: Soproner Museumsquartier

Kann man also sagen, dass das Museumsquartier für alle Generationen etwas zu bieten hat?

Ja, im Museumsquartier kann jeder finden, was er sucht. Wir nennen uns das Soproner Museum, meiner Meinung nach ist es auch ein Museum für die Einwohner von Sopron, aber wir wollen uns natürlich auch den Besuchern zeigen, die nach Sopron kommen. Wir wollen, dass die Leute hierher kommen. Nicht, dass sie durch eine Tür hineingehen, sich die Ausstellung ansehen und dann durch eine andere Tür nach Hause gehen.

Foto: Soproner Museumsquartier

In der Lenck-Villa und im Museumsviertel wollten wir, dass die Besucher Zeit mit uns verbringen. Sich hinsetzen, über die Schauplätze spazieren, auf die Burgwallpromenade gehen, sich dort umsehen, es gibt dort zum Beispiel einen Spielplatz für Kinder.

Das Ziel ist, dass die Menschen das Museumsquartier als einen Gemeinschaftsraum wahrnehmen, auch wenn es kein aktuelles Programm gibt.

Es soll ein Gemeinschaftsraum sein, so dass jeder das Gefühl hat, dass er das Recht hat, hierher zu kommen, und nicht nur das Recht, sondern die Berechtigung, hierher zu kommen. So haben wir zum Beispiel im Hof der Lenck-Villa Liegestühle und Picknickdecken aufgestellt, um Menschen aus der Nachbarschaft anzulocken, um regelmäßig dorthin zu kommen. Auch im Museumsquartier wollen wir, dass so viele Menschen wie möglich kommen.

Wie Dezső Kellér sagte: „Es ist darum gut, in einem Café zu sein, denn man ist nicht zu Hause und nicht an der frischen Luft“. Meiner Meinung nach ist es im Museum genauso: Man ist nicht zu Hause, aber man fühlt sich trotzdem wohl.

Das Museumsquartier in Sopron öffnet seine Tore
Das Museumsquartier in Sopron öffnet seine Tore

Im Herzen von Sopron ist ein neues und modernes Museumsquartier entstanden, welches das Fabricius-Haus, das Haus des Generals und das Storno-Haus vereint.Weiterlesen

Beitragsbild: freundlicherweise von Dr. Imre Tóth zur Verfügung gestellt