Klausenburger Fußballverein wegen anti-ungarischer Fan-Kundgebungen mit Geldstrafe belegtWeiterlesen
Es muss für die kommunistischen Machthaber wie ein Treppenwitz der Geschichte gewesen sein, dass die von ihnen bevorzugten Massenkundgebungen, wie beispielsweise die Aufmärsche in den Jahren 1956 und 1989, das vorläufige bzw. endgültige Ende ihrer Schreckensherrschaft einleiteten.
Der von Studentenverbänden organisierte, disziplinierte Aufmarsch, der den Budapester Bem-Platz anstrebte, hatte bei allem naiven Glauben in die Lebensfähigkeit des Sozialismus eine nationale Forderung: „Wir wollen das Kossuth-Wappen!“. Dies war die Geburtsstunde des späteren Symbols der Revolution, der Nationalflagge, die vom verhassten kommunistischen Wappen befreit wurde und an seiner Stelle ein Loch aufwies.
Ähnlich wie drei Jahrzehnte später im westrumänischen Temeswar. Die anfangs kleine Gruppe von stillen Demonstranten auf dem Marienplatz, die sich mit dem ungarischen Pfarrer Tőkés solidarisierten, wuchs schnell zu einer Massenkundgebung, wo die ersten rumänischen Trikoloren mit einem Loch in der Mitte auftauchten. Vor der orthodoxen Kathedrale gab es die ersten Opfer des Aufstandes, ermordet durch die Schüsse der Ordnungskräfte und des Militärs.
Mehrere Historiker sind der Meinung, dass die Bewegungen und revolutionären Initiativen in Siebenbürgen im Herbst 1956 daran scheiterten, dass die damaligen kommunistischen Behörden die ethnische Karte ausspielten und es unmöglich machten, sie zu organisieren.
Am 24. und 25. Oktober schürte die rumänische Stasi in Klausenburg (Kolozsvár, Cluj) Spannungen zwischen ungarischen und rumänischen Studenten, während es ihr gleichzeitig gelang, „ethnische Spannungen in der rumänischen Bevölkerung zu schüren und die Budapester Revolution als nationalistisch/revanchistisch zu stigmatisieren“, so der Historiker Stefano Bottoni.
Temeswar war 1956 der einzige Ort, an dem sich die Demonstrationen in eine Revolution hätten verwandeln können, aber dies wurde durch die Razzien der Staatssicherheit und die vorübergehende Internierung der 2.000 Studenten, die an den Demonstrationen teilnahmen, in einer leeren sowjetischen Kaserne, verhindert.
Die ethnische Karte spielt auch heute noch eine Rolle in Klausenburg, wo der traditionelle Fackelmarsch zu Ehren der siebenbürgisch-ungarischen Opfer von 1956 abgesagt werden musste, da am 23. Oktober ein Fußballspiel stattfindet, das ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellt.
Das Spiel wird in der Klausenburg-Arena ausgetragen, so dass die Ultras der Universitätsmannschaft, die für anti-ungarische Äußerungen bekannt sind, möglicherweise auf Ungarn treffen können, die an der Gedenkfeier in der Nähe teilnehmen.
In der Banater Hauptstadt organisieren seit 2005 die Anhänger der dortigen Universitätsmannschaft Politehnica Temeswar den Gedenkmarsch zu Ehren der Revolution von 1989, die mit dem Auftritt eines ungarischen Geistlichen in einer mehrheitlich von Rumänen bewohnten Stadt begann.
Dominic Fritz, der in Deutschland geborene Bürgermeister, der als Erwachsener nach Temeswar zog und Rumänisch lernte, will die revolutionäre Identität von Temeswar sichtbarer machen: Die Emotionen, die Sprechchöre, der Lärm der demonstrierenden Massen sollen in die Straßen der europäischen Kulturhauptstadt 2023 zurückkehren und auf einer „Route der Revolution“ greifbar werden.
Fußball muss nicht zwangsläufig die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln sein, das ist die Lektion der „Druckeria“, des Temeswarer Vereins der Fußballanhänger, welche die Ultras aus Klausenburg beherzigen müssten.
Das damalige „ungarische Manchester“, die heutige rumänische Metropole Temeswar (Temesvár, Timișoara) vereint das Erbe der Revolutionen von 1956 und 1989 und verweist auf eine Zukunft, in der die ethnische Karte dort bleibt, wo sie hingehört, in der Gesäßtasche. Salopp gesagt, soll keine Volksgruppe mehr die „Arschkarte“ gezeigt bekommen.
Beitragsbild: Dominic Fritz Facebook