Bei der Fußball-EM werden nur einige Mannschaften der teilnehmenden Länder vor den Spielen "niederknien".Weiterlesen
Befürworter der Regierung begrüßen die Entscheidung der ungarischen Nationalmannschaft, vor ihren Spielen bei der Fußballeuropameisterschaft nicht auf die Knie zu gehen. Ein linker und ein Kolumnist der politischen Mitte räumen ein, dass diese Geste höchst umstritten sei. Allerdings kritisieren sie ungarische Fans, die während des Kniefalls der irischen Mannschaft bei einem Vorbereitungsspiel in Budapest die Gäste ausgebuht hatten.
In ihrem abschließenden Vorbereitungsspiel vor der um ein Jahr verschobenen UEFA EURO 20 gegen Irland ging die ungarische Mannschaft vor dem Anpfiff nicht auf die Knie, sondern zeigte stattdessen auf das Anti-Rassismus-Logo der UEFA auf ihren Trikots. Einige der ungarischen Fans im Stadion buhten, als die irische Mannschaft auf die Knie ging. Irlands Fußballmanager Stephen Kenny bezeichnete dieses Verhalten als „unverständlich“. Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte dazu, dass der Kniefall außer bei Heiratsanträgen, in der Kirche oder bei nationalen Jubiläen der ungarischen Kultur fremd sei. Und er ergänzte: Ungarn habe niemals Kolonien besessen. Die Erwartung, sich niederzuknien, stelle aus hiesiger kultureller Perspektive eine „Provokation“ dar.
László Néző von Magyar Nemzet bezeichnet das Niederknien bei den Spielen der UEFA-Europameisterschaft als absurde Aktion und vermutet, dass die symbolische Geste des Niederkniens ein Schuldgefühl erzeugen solle. Die wirkliche Wiedergutmachung für die Sklaverei, so der regierungsfreundliche Kommentator, wäre die Rückgabe des durch die Sklaverei erwirtschafteten Vermögens an die Nachkommen der ehemaligen Sklaven. Ungarn habe nichts mit der Sklaverei zu tun gehabt, betont Néző und hält es demnach für gerechtfertigt, dass die ungarische Mannschaft nicht auf die Knie gehe, sondern auf den Anti-Rassismus-Slogan der UEFA auf ihren Trikots verweise.
Pál Dippold kritisiert den Bürgermeister des VII. Budapester Stadtbezirks, Péter Niedermüller, mit scharfen Worten. (Der Kommunalpolitiker der Demokratischen Koalition bezeichnete in einem Facebook-Post das Verhalten derjenigen Fans als beschämend, die die Entscheidung der Nationalmannschaft, nicht auf die Knie zu gehen, bejubelt sowie die irische Mannschaft ausgebuht hatten, als sie die Geste vollzog – Anm. d. Red.) Der regierungsfreundliche Kolumnist der Tageszeitung Magyar Hírlap beschuldigt Liberale, auf den Zug der „idiotischen BLM“ aufzuspringen, die er für eine rassistische, gegen Weiße gerichtete militante Hassorganisation hält. In einer Nebenbemerkung schreibt Dippold, dass im heutigen Afrika neun Millionen Menschen als Sklaven gehalten würden – und zwar von Schwarzen.
In Népszava verurteilt Péter Németh die den Kniefall der irischen Mannschaft ausbuhenden Fans. Doch erinnert er auch daran, dass laut UEFA-Regularien ihre Veranstaltungen nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden sollten. Dennoch, so fährt Németh fort, habe die Organisation den Kniefall genehmigt, obwohl diese Geste von der politischen Bewegung Black Lives Matter populär gemacht worden sei. Németh kritisiert weiter, dass der ungarische Fußballverband die Statuten der UEFA zu ernst nehme und den Kniefall für die ungarische Nationalmannschaft verbiete. Der Ungarische Fußballverband unterstütze zwar die Anti-Rassismus-Initiativen der UEFA, doch könnte er den Rassismus wirksamer bekämpfen, wenn er ungarischen Spielern das Niederknien gestatten würde, argumentiert Németh.
Gábor Balogh hält es für gerechtfertigt, dass die ungarische Nationalmannschaft den höchst umstrittenen Kniefall nicht vollzogen habe. Die Reaktion der Fans jedoch empfindet er als beleidigend und vulgär – auch wenn das Niederknien „eine leere Geste der politischen Korrektheit“ seitens der irischen Mannschaft gewesen sei. Auf Azonnali verweist der Autor nicht zuletzt auf die Tatsache, dass Irland keine Kolonien besessen habe und selbst eine Quasi-Kolonie Englands gewesen sei. Auch Balogh kritisiert Niedermüller, weil dieser suggeriere, die Ablehnung des Niederkniens komme einer Bejahung des Rassismus gleich. Die Ungarn, einschließlich der meisten Anhänger der Linken, könnten sich nicht mit dem Kniefall – oder mit Identitätspolitik im Allgemeinen – identifizieren, konstatiert Balogh.