„Länder müssen schnell so viele Coronavirus-Impfstoffe wie möglich kaufen, unabhängig davon, ob sie aus dem Osten oder dem Westen stammen“, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán am Montag in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenportal Focus Online. Im Interview verteidigt Ungarns Ministerpräsident die ungarische Impfpolitik, weil „die EU zu langsam handelt“. Auch der europäischen Einwanderungspolitik erteilt er eine klare Absage.
Auf die Entscheidung Ungarns, den russischen Impfstoff Sputnik V zu kaufen, sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, dass „es bei einer Pandemie die Aufgabe eines Politikers ist, Verantwortung zu übernehmen und die Gesundheit und das Leben der Bürger seines Landes zu schützen“. Aus diesem Grund seien die Länder verpflichtet, so schnell wie möglich so viele Impfstoffe wie möglich zu beschaffen, so Orbán.
Wer Zeit gewinnt, gewinnt Leben, gewinnt Freiheit
Orbán bestand darauf, dass es keinen östlichen und keinen westlichen Impfstoff gebe, „es gibt nur guten und schlechten“. Wenn die ungarischen Behörden zu dem Schluss kommen, dass ein Impfstoff sicher und wirksam ist, genehmigen sie ihn, betonte er.
Für mich ist er von diesem Moment an ein ungarischer Impfstoff, mit dem ich das Leben meiner Landsleute retten kann
so Orbán weiter. Der Premierminister sagte, es sei möglich, die Beschaffung von Impfstoffen und die angespannten Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland als separate Themen zu behandeln.
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Er unterstrich, dass das menschliche Leben und der Schutz der Gesundheit Vorrang vor politischen, einschließlich geopolitischen Aspekten haben. Der Premierminister sagte, es sei „unverantwortlich“, die Beschaffung von Impfstoffen zu politisieren, „Menschen sterben zu lassen und ihre Freiheit einzuschränken, nur weil man Einwände gegen das Land hat, in dem sie hergestellt wurden“.
Ganz objektiv betrachtet gab es im Osten eine Impfkultur, Polio konnte dadurch viel früher besiegt werden als im Westen, während des kalten Krieges damals wurde der russische Impfstoff von den westlichen Staaten aus ideologischen Gründen nicht übernommen
Auf die Frage nach dem zentralisierten Impfstoffbeschaffungsprogramm der Europäischen Union sagte Orbán, es sei klar geworden, dass „dies die falsche Entscheidung war“. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Israel und sogar Serbien „sind uns EU-Mitgliedstaaten weit voraus“, sagte er und fügte hinzu, dass es jetzt „zu spät“ sei, den Kurs zu ändern, und “ jammern bringt nichts“.
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Die Kommission soll tun, was sie tun muss. Wir behindern sie hierin natürlich nicht, und wo wir können, unterstützen wir sie. Doch setzen wir aus Verantwortung gegenüber den Menschen unsere nationalen Kompetenzen ein
Auf die Frage, warum er Ungarn nicht als an die EU-Entscheidung über die Beschaffung von Impfstoffen gebunden ansah, sagte Orban: „Brüssel folgt seiner eigenen Logik. Es nimmt die Bedeutung des Zeit-Faktors nicht entsprechend wahr. Es erteilt die Zulassungen zu langsam und befindet sich offensichtlich nicht in einer Position der Stärke gegenüber den Lieferanten.“
Wir wissen nicht genau, was in Brüssel und den Köpfen der Brüsseler Bürokraten geschieht. Doch ich weiß, dass jeder Verstorbene der Vater, die Mutter, die Schwester, der Bruder, eventuell das Kind von jemandem war. Das ist eine höhere Dimension als die Dimension der europäischen Politik. Gesundheit und Freiheit unserer Bürger haben absolute Priorität
Die EU-Vorschriften hindern die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, selbstständig zu handeln, und die ungarische Regierung habe dies ausgenutzt, sagte er.
Auf die Frage, was Orbán darüber denkt, dass die EU nur mit vereinter Kraft den Wettbewerb gegen die Vereinigten Staaten, China, Russland bestehen könnte, sagte der Premier:
Wieso gegen? Ich habe 26 Jahre im Zeitalter des Kalten Krieges gelebt. Glauben Sie mir, es war nicht gut. Wir Ungarn haben dabei nur verloren. Ich unterstütze jene nicht, die die Politik des Kalten Krieges wieder zurückbringen wollen. Russland und China sind eher eine große Möglichkeit für Europa. Wir müssen Formen der Kooperation suchen, die unseren Interessen dienen
In Bezug auf die Wirtschaftslage Europas sagte Orbán, dass in Mitteleuropa „die Dinge gut laufen“. „Alle unsere Wirtschaftsdaten sind exzellent, unser Staatshaushalt ist bestens in Ordnung. Unsere arbeitsorientierte Politik hat uns nahezu Vollbeschäftigung beschert und wir kommen mit der Digitalisierung gut voran.“ Im Gegensatz dazu gebe es im Westen „ein Zuviel an den Sozialismus erinnernder Wirtschaftspolitik“, an Steuererhöhungen, an komplizierten Regelungen für Investitionen und an unternehmerfeindlichen Maßnahmen.
Laut Orbán sollte die EU viel mehr tun, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, aber leider sinkt ihr Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung, und das macht uns Sorgen“, so der Ministerpräsident.
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In Bezug auf das Thema Migration sagte er, die Politik der EU beruhe auf einer „fehlerhaften Mentalität“, „die falsche europäische Pull-Faktor-Politik hat aus dem Mittelmeer einen Friedhof gemacht“.
Ungarn versucht jedoch, seine demografischen Probleme mit Hilfe „starker familienpolitischer Maßnahmen“ zu überwinden, anstatt „Einwanderer hereinzurufen“. „Die Deutschen wollen uns ihre Willkommenspolitik aufzwingen“, sagte er. „Ich muss nein dazu sagen.“ Die Ungarn respektieren den deutschen Ansatz „wie sie sich ihr Land nach ihrer eigenen Vorstellung, auch bezogen auf christliche Werte oder ihrer eigenen Definition der Nation, vorstellen“, so Orbán.
Wir bitten sie nur, unsere Entscheidung, wie wir uns selbst als Ungarn definieren wollen, ebenfalls zu respektieren. Europa war immer schon vielfarbig, so muss es auch bleiben. Vielfalt in der Einheit!
so Orbán und fügte hinzu, dass die Tatsache, dass Angela Merkel die deutsche und die europäische Bühne bald verlassen werde, ein Risiko für Europa bedeutet. „Ich hätte mich gefreut, wenn sie bleiben würde, das wäre für alle besser gewesen, aber wissen Sie, hier zählt die Meinung der Ungarn nicht, das ist eine deutsche Entscheidung.“
Orbán betonte aber zugleich, dass Ungarn mit ihrem Nachfolger den besten gemeinsamen Weg finden wolle.
(Das vollständige Interview finden Sie hier. Bild: Facebook-Seite des Premiers)