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Rumänien: Das giftige Erbe des chauvinistischen Bürgermeisters

Ferenc Rieger 2023.03.03.

Ein Taxifahrer aus Klausenburg (Kolozsvár, Cluj-Napoca) hat sich geweigert, eine Frau wegen ihrer ungarischen Volkszugehörigkeit mitzunehmen, und wurde für sein anti-ungarisches Verhalten zu einer Geldstrafe verurteilt. Bürgermeister Emil Boc sagte, dies sei ein Einzelfall.

Die Frau, eine ethnische Ungarin, meldete den Vorfall am Dienstagabend in ihrem sozialen Netzwerk, und ihr Beitrag wurde von einem rumänischen Nachrichtenportal aufgegriffen. Sie schrieb, der Taxifahrer habe sich geweigert, sie mitzunehmen, mit der Begründung, dass er „keine bozgoroaice befördert“. Er benutzte den rumänischen Begriff bozgoroaice,  (weiblich, Mehrzahl von bozgor) der von nationalistischen Rumänen verwendet wird, um ethnische Ungarn in Rumänien zu beleidigen.  In ihrem Posting schlug die Frau ironisch vor, der Taxifahrer möge doch auf seinem Auto die Aufschrift „Ethnische Beförderung“ anbringen.

Nach dem Vorfall beschimpfte er die abgewiesene Kundin mit obszönen Worten.

Das Nachrichtenportal Krónika interviewte auch die Klägerin, die 58-jährige Margit Kerekes, die sagte, sie habe ihre Tochter und ihre Enkelin besucht und wollte mit dem Taxi nach Hause fahren, aber der Taxifahrer habe die von ihr angegebene Adresse und Route nicht verstanden.

„Aufgrund meines Akzents war es offensichtlich, dass ich Ungarin bin, und das machte ihn wahrscheinlich wütend. Er benutzte obszöne Worte und sagte mir, ich solle aussteigen, weil er mich nirgendwohin bringen würde“,

wird die Frau von Krónika zitiert.

Nachdem die Presse über den Vorfall berichtet hatte, verhängte das Bürgermeisteramt gegen den Taxifahrer eine Geldstrafe von 500 Lei (102 Euro) wegen seines ungarnfeindlichen Verhaltens.

Das Klausenburger Taxi-Unternehmen Terra Fan erklärte, es habe die Zusammenarbeit mit dem beschuldigten Fahrer eingestellt. Vasile Inovan, der Geschäftsführer des Unternehmens,  sagte, es handele sich um einen „problematischen“ Taxifahrer, der eine Vorgeschichte von disziplinärem und beruflichem Fehlverhalten habe.

Bürgermeister  Emil Boc betonte in einem Interview, dass solche Fälle nicht toleriert werden dürften, „Toleranz ist ein Prinzip, das alle Einwohner von Klausenburg anstreben sollten“.

Straße in der Innenstadt von Klausenburg. Foto: Emil Boc, Facebook

Er fügte hinzu, dass auch die kleinsten Vergehen bestraft werden sollten, denn „wenn wir zulassen, dass sich kleine Dinge anhäufen“, können sie zu ethnischen Konflikten führen.

In den letzten Jahren kam es in Klausenburg vereinzelt zu Diskriminierungen aufgrund der ungarischen Volkszugehörigkeit. So wurde ein Mädchen aus dem Szeklerland 2016 wegen ihrer mangelnden rumänischen Sprachkenntnisse vom diensthabenden Arzt einer Kinderklinik beleidigt, woraufhin der Arzt und das Krankenhaus eine Geldstrafe erhielten. Vor zwei Jahren beschimpfte ein Buschauffeur seine ungarischsprachigen Fahrgäste und verbot ihnen, im Fahrzeug in ihrer Muttersprache zu sprechen.

Wer die Realität in Rumänien kennt, weiß, dass die Fälle, die angezeigt werden, nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Pikierte Reaktionen auf die Verwendung des Ungarischen sind nach wie vor alltäglich und viele, hauptsächlich ältere Ungarn nehmen aufgrund ihrer Sozialisation in Ceaușescus Rumänien die feindseligen Bemerkungen resigniert hin.

Ungarn gehen davon aus, dass mit bozgor ein „Heimatloser“ gemeint ist. Den Rumänen ist diese Deutung allerdings unbekannt und es gibt dafür keinen philologischen Beleg.

Unbestritten ist die beleidigende Wirkung des Schimpfwortes, das sich Generationen von ethnischen Ungarn in Rumänien anhören mussten.

Dessen Verwendung wird in Zeiten einer angeheizten nationalistischen Stimmungsmache besonders virulent. Das war der Fall vor allem in den 1980er Jahren und während der Amtszeit des chauvinistischen Bürgermeisters Gheorghe Funar (1992-2004), dessen anti-ungarische Kampagnen bis heute im kollektiven Unbewusstsein jener Rumänen nachwirken, die vom kommunistischen Diktator Nicolae Ceaușescu in Klausenburg angesiedelt wurden und die die Plattenbauviertel rund um die einstige, mehrheitlich ungarischsprachige „civitas primaria“ (erste Stadt Siebenbürgens) bewohnen. Funar führte einen regelrechten „Kreuzzug“ gegen die ungarische Vergangenheit und Gegenwart Klausenburgs, verhunzte das Stadtbild mit wertlosen Denkmälern und rot-gelb-blau-gestrichenen Sitzbänken und versuchte mit allen Mitteln den Gebrauch des Ungarischen zu verhindern. Unlängst wurde der nationalistische Politiker vom Vorwurf der ethnischen Diskriminierung freigesprochen, nachdem er in einer TV-Sendung vor acht Jahren den Moderator bat, seinem ungarischen Gesprächspartner die Begrüßung der Zuschauer in der „Sprache der Pferde“ (d.h. auf Ungarisch) zu verbieten.

Foto: Emil Boc, Facebook

Der Krieg im Nachbarland Ukraine und die damit verbundenen Ängste, die von Fernsehsendern wie beispielweise „Realitatea“ manipuliert und verstärkt werden, wirken sich negativ auf das rumänisch-ungarische Zusammenleben in Rumänien aus. Ungarn Heute berichtete wiederholt über chauvinistische Sprechchöre auf Fußballstadien, künstliche Hürden für die ungarischsprachige Bildung in Rumänien, Gerichtsklagen gegen die Verwendung ungarischer Symbole sowie nationalistische Umtriebe rumänischer Vereine auf einem österreichisch-ungarischen Soldatenfriedhof.

Aufhorchen ließ im September 2022 eine Aussage des ansonsten stets diplomatisch auftretenden Bischofs der reformierten Ungarn in Siebenbürgen, Béla Kató. Er appellierte damals an die Umsicht seiner Landsleute, jeder soll – so der Kirchenmann – aufpassen, was er sagt und tut, denn in einer von Krieg und Wirtschaftskrise geprägten Gegenwart seien in erster Linie die ethnischen Minderheiten bedroht.

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Via MTI und Krónika Beitragsbild: Pixabay