Eines der meist verbreiteten politischen Themen des Jahres 2021 ist zweifellos das Thema der Coronavirus-Impfstoffe in Ungarn. Die Opposition hat die Regierung von Anfang an heftig dafür kritisiert, dass sie Impfstoffe auch aus östlichen Ländern beschafft. Einige gingen so weit, dass sie die Verwendung von Impfstoffen, die nicht von der EU zugelassen sind, als ein „Menschenversuch“ bezeichneten. Inzwischen hat die Regierung eine massive Kommunikationskampagne „gegen die impfgegnerische Linke“ gestartet. Die Debatte hat in den letzten Tagen eine unerwartete Wendung genommen: jetzt werfen die Oppositionsparteien der Regierung vor, Impfgegner zu sein, nachdem das Kabinett eine Tabelle veröffentlicht hat, nach der Sputnik V und Sinopharm wirksamer seien als zum Beispiel Pfizer-BioNTech.
„Die Oppositionsparteien raten anderen davon ab, sich impfen zu lassen, weil sie hoffen, politisch davon zu profitieren“, sagte Viktor Orbán vor einigen Wochen in einem Interview.
Diese Versuche, aus Machtüberlegungen heraus den Menschen die Impfung auszureden, damit dann weniger Menschen sich impfen lassen, sodass auf diese Weise mehr Menschen sterben, die Probleme größer werden, was wiederum die Regierung schwächt, dann kann man [die Linke] wieder an die Macht kommen – denn die Linke denkt auf diese Weise – dieser Ansatz hat das allgemeine Wohlbefinden der Menschen weggefegt, das ist ganz einfach moralisch nicht haltbar, das sehe ich an der Stimmung der Öffentlichkeit
sagte der Premierminister als Antwort auf die Bedenken der Opposition gegenüber den östlichen Impfstoffen.
Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie hat die Orbán-Regierung erklärt, dass die einzige Lösung bei der Bekämpfung der Pandemie die Impfungen seien. Aufgrund der langsamen Impfstoff-Beschaffung der EU entschied sich das Kabinett, Vakzine auch aus östlichen Ländern zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt war Ungarn das einzige Land, das diesen Weg wählte.
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Sputnik V im Rampenlicht
„Sputnik V“ war der erste Impfstoff, der im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen stand, nachdem Außenminister Péter Szijjártó im vergangenen November angekündigt hatte, dass Ungarn als erstes Land russische Impfstoffproben erhalten würde.
Der Sprecher der oppositionellen Demokratischen Koalition, Balázs Barkóczi, forderte die Regierung umgehend auf, keine „Menschenversuche an Ungarn“ durchzuführen und „Ungarn nicht in ein Labor für Putins Russland zu verwandeln“.
Ähnlich zu DK betonte auch der Jobbik-Abgeordnete László György Lukács, dass Ungarn kein Labor für die Russen sein sollte und die Regierung die Ungarn nicht in Gefahr bringen dürfe. Der unabhängige Abgeordnete Ákos Hadházy erklärte ebenfalls, dass er den russischen Impfstoff nicht akzeptieren würde, selbst wenn er von den ungarischen Behörden genehmigt würde.
Trotz der anfänglichen Reaktionen ebbte der Widerstand gegen den russischen Impfstoff jedoch relativ schnell ab, nachdem bekannt wurde, dass sich mehrere EU-Länder für ihn interessiert hatten.
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Nach Sputnik V hat der chinesische Sinopharm-Impfstoff eine noch größere politische Debatte zwischen den Vertretern der Regierung und der Opposition ausgelöst, die bis heute immer noch nicht ganz abgeklungen ist.
Streit um Sinopharm begann im Januar
Premierminister Viktor Orbán sagte in einem Radiointerview noch im Januar, dass es lange vor dem Sommer möglich wäre, „unser altes Leben zurückzubekommen“, wenn auch der chinesische Impfstoff in Ungarn zugelassen würde.
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Er drängte die Gesundheitsbehörde, ihre fachspezifische Meinung über den chinesischen Impfstoff so schnell wie möglich zu äußern:
… jetzt sterben täglich hundert-hundertzehn Menschen. Also bitte ich die Behörden, umsichtig, aber auf die schnellstmögliche Weise vorzugehen, und dann a oder b zu sagen, denn es gibt hier mehr als eine Million Dosen des chinesischen Impfstoffs, den wir morgen früh – ich übertreibe ein bisschen –, innerhalb einiger Tage den Menschen zur Verfügung stellen könnten, nur gibt es dazu noch kein behördliches Papier
Nach dem Interview des Premierministers waren die meisten Oppositionsparteien empört.
Schon am nächsten Tag startete die DK eine Online-Petition, um die Verabreichung des Sinopharm-Impfstoffs zu stoppen, bis er von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen würde. (Die DK-Petition ist seitdem verschwunden. Die Webseite der Initiative ist nicht mehr funktionsfähig und niemand aus der Partei hat verraten, wie viele Menschen sie unterschrieben haben).
Die DK hat die Regierung noch im Januar aufgefordert, „nicht auf politische Anweisung“ den chinesischen Corona-Impfstoff genehmigen zu lassen. Laut der Partei habe Orbán „das Gefährlichste getan“, „was man in einer solchen Situation tun kann, indem er jenen chinesischen Impfstoff durch die staatlichen Behörden genehmigen lassen will, für den die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) bislang kein grünes Licht gegeben hat.“
„Die ungarischen Bürger dürfen nicht mit einem umstrittenen, von der EU nicht genehmigten Impfstoff geimpft werden!“
betonte noch Anfang des Jahres die DK und forderte die Regierung auf, den Bürgern die Wahl zu lassen, ob sie überhaupt mit einem chinesischen oder russischen Impfstoff geimpft werden möchten.
Ende Januar beschloss die Orbán-Regierung, grünes Licht für die Verwendung aller Coronavirus-Impfstoffe zu geben, mit denen weltweit mehr als eine Million Menschen geimpft wurden und die anderweitig für den Notfalleinsatz akkreditiert waren. Die Änderung der entsprechenden Vorschriften ermöglichte somit die Verwendung des Impfstoffs von Sinopharm, obwohl das Genehmigungsverfahren zuvor ins Stocken geraten war, da die Unterlagen nicht bei den zuständigen Behörden eingetroffen waren. Darüber hinaus erlaubte die Gesetzgebung dem Außenminister, den Einsatz von Impfstoffen zu genehmigen.
Die Untersuchung der Gesundheitsbehörden ergab jedoch, dass die östlichen Impfstoffe sicher und wirksam sind, so dass die Fachleute zustimmten, auch diese im Kampf gegen die Pandemie einzusetzen
Als Reaktion auf die vereinfachte Zulassung von im Ausland hergestellten Impfstoffen beschuldigte DK die Regierung, „den Ungarn per Dekret den chinesischen Impfstoff aufzwingen zu wollen, der nirgendwo in der EU zugelassen ist“.
Der Sprecher der DK-Fraktion, Zoltán Varga, wies darauf hin, dass die Regierung Massenimpfungen mit „ungetesteten, nicht lizenzierten, nicht kontrollierten“ chinesischen Impfstoffen mit unsicherer Wirksamkeit, mit unbekanntem Inhalt und Funktion durchführen will, was gefährlich und unverantwortlich ist.
Laut der grünen LMP hat Ministerpräsident Orbán politischen Druck auf die Behörden ausgeübt, um russische und chinesische Impfstoffe zuzulassen. Aber damit jeder sicher geimpft werden kann, muss es angemessene Impfstoffe und öffentliches Vertrauen geben.
András Fekete-Győr, Vorsitzender der Momentum Bewegung, sagte, dass das Problem nicht darin besteht, dass ein Impfstoff in China oder Russland hergestellt wird, sondern dass diese Impfstoffe auf eine viel weniger transparente Art und Weise hergestellt werden als im Westen und noch nicht einmal von den zuständigen europäischen Behörden genehmigt wurden. Er merkte auch an, dass Regierungsvertreter, wenn sie dem chinesischen Impfstoff wirklich vertrauen, sich zuerst selbst damit impfen sollten.
Die Opposition hat in den letzten Monaten mehrere parlamentarische Anträge eingelegt, die einen Untersuchungsausschuss zur Beschaffung und Wirksamkeit der östlichen Impfstoffe fordern. Die Regierung hat wiederholt verlangt, dass diese Anträge von der Opposition zurückgezogen werden, da sie nur verhindern würden, dass die Menschen so schnell wie möglich geimpft werden.
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Oppositionsparteien weisen zurück, Impfgegner zu sein
Die Opposition hat von Anfang an die Vorwürfe der Regierung, Impfgegner zu sein, zurückgewiesen und betonen, dass sie nur die unzuverlässigen und undurchsichtigen Ost-Impfstoffe kritisieren.
Im Februar bestritt Ferenc Gyurcsány im Parlament, dass die Opposition Impfgegner sei. Er sagte, dass die Empfehlung, nur mit einem von der Europäischen Arzneimittelagentur zugelassenen Impfstoff zu impfen, „als eine Vorsichtsmaßnahme betrachtet werden sollte. Es lohnt sich nicht, daraus ein politisches Thema zu machen“, sagte er und fügte hinzu, dass es unfair sei, wenn die Regierung der Opposition vorwerfe, sie sei wegen einer solchen Vorsichtsmaßnahme gegen Impfung.
Tatsächlich hat die Opposition in den letzten Wochen viel mehr über die Wichtigkeit von Impfungen gesprochen als über die Unsicherheiten im Zusammenhang mit den östlichen Impfstoffen.
Fidesz hat trotzdem eine riesige Kampagne gegen die Oppositionsparteien gestartet, in der sie diese beschuldigen, die Öffentlichkeit von der Impfung abhalten zu wollen.
Als Reaktion darauf veröffentlichten die Oppositionsparteien einige Tage später sogar ein gemeinsames Video zur Förderung der Impfung, in dem sie feststellten, dass sie im Gegensatz zur Kommunikationskampagne der Regierung alle für die Impfung sind. Sie baten auch alle, sich impfen zu lassen, ohne sich an Unterschieden zwischen der Wirksamkeit oder Zuverlässigkeit von Impfstoffen festzuhalten.
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Doch die Regierungsparteien setzten ihre Kampagne fort und beschuldigten die Oppositionsparteien, für den Tod von Menschen verantwortlich zu sein, die laut Fidesz mit einer Impfung hätten gerettet werden können.
Regierungskampagne zur Förderung von östlichen Impfstoffen durch die Veröffentlichung einer Tabelle über die angebliche Wirksamkeit der Vakzine
Inzwischen unterstellt die Regierung, dass die östlichen Impfstoffe besser sind als die westlichen. Um diese Behauptung zu beweisen, veröffentlichte sie eine umstrittene und unvollständige Tabelle, die die Anzahl der Infektionen und Todesfälle nach Zweitimpfungen mit den derzeit in Ungarn verwendeten Impfstoffen aufschlüsselt. Laut der Regierungstabelle „erkranken mehr Menschen nach einer Impfung mit dem Impfstoff von Pfizer-BioNtech, und es sterben doppelt so viele Menschen als bei der Impfung mit Sinopharm.“
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Dies löste eine heftige Kritik der Opposition aus, die, während sie ihr Pro-Impf-Image stärkte, beschloss, ebenfalls einen Gegenangriff zu starten und zu versuchen, ihre eigene Kommunikationswaffe gegen die Regierungsparteien einzusetzen.
Als Reaktion darauf warfen die Oppositionsparteien der Regierung vor, das Vertrauen in westliche Impfstoffe untergraben zu wollen, und behaupteten schließlich, dass sie dadurch die Menschen davon abhalten, sich impfen zu lassen. Ihre Schlussfolgerung lautet: Die Regierung ist eigentlich diejenige, die gegen die Impfstoffe ist.
Da die Parlamentswahlen 2022 immer näher rücken, scheint es unwahrscheinlich, dass sich der Kampf zwischen den politischen Kräften beruhigen wird.
(geschrieben von Hungary Today, übersetzt von Ungarn Heute, Titelbil: MTI – Zsolt Szigetváry)