„In der Geschichte Ungarns und damit Budapests, kommt den auf dem Gebiet des Karpatenbeckens lebenden Deutschen eine wichtige Rolle zu. Aufzeichnungen zufolge kamen die ersten deutschsprachigen Siedler zusammen mit Königin Gisela in Ungarn an“ schrieb Kinga Fodor, vom Deutsch-Ungarischen Institut des Mathias Corvinus Collegium in einem historischen, farbigen Übersichtsartikel. Die Autorin fügt hinzu: „Im Laufe der Jahrhunderte festigten sich die Ansiedlungsbewegungen aus den deutschsprachigen Sprachgebieten und führten daher zu einer mal größeren, mal kleineren, aber konstanten Einwanderung ins Land“.
„Sowohl der Tatarenzug und auch der Sieg über die Türken – verliehen der Migration aus den deutschen Ländern einen neuen Schwung, da die wegen der Kriege entvölkerten Gebiete neu bevölkert werden sollten“ erinnert die Autorin gleich am Anfang ihres Artikels.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm infolge der Vertreibung des osmanischen Heeres die erste organisierte Ansiedlungswelle nach Ungarn ihren Anfang. Im Rahmen dieser Welle kamen aus den süddeutschen Gebieten, in erster Linie aus Schwaben, neue Bewohner nach Ungarn. Zu dieser Zeit entstanden viele schwäbische Siedlungen im Umland von Budapest
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Heute vor 75 Jahren begann die Vertreibung der UngarndeutschenAm 19. Januar 1946 fuhr der erste Zug vom Bahnhof Budaörs (Wudersch) bei Budapest ab, welcher die deutsche Volksgruppe aus ihrem Heimatland abtransportierte. Zwischen 1946 und 1948 wurden mehr als 185.000 Menschen deutscher Nationalität ihrer Staatsbürgerschaft, ihrem Vermögen und ihrer Immobilien entzogen, sowie nach Deutschland vertrieben. Auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 haben die […]Weiterlesen
„Im mittelalterlichen Buda (von den Deutschen früher Ofen genannt) und Pest (Pesth) waren die deutschen Bewohner den anderen Nationalitäten gegenüber in der Überzahl“
Fodor erinnert daran, dass in diesen Zeiten die Deutschen eine bedeutende Rolle bei der Stadtentwicklung und später bei der Industrialisierung spielten. Die Wohnhäuser und Kirchen der Deutschen in Pesth wurden entlang der bedeutenden Hauptstraßen gebaut.
Das findet sich auch in den – später magyarisierten – Namen öffentlicher Plätze wieder, wie etwa im Falle des Waitzener Thors, des Serviten Gässls oder der Herrn Gasse
Es ist eine durchaus bemerkenswerte Tatsache, so Fodor, dass sich die Reste der mittelalterlichen Stadtmauer, auf den Straßen von Budapest spazierend, auch heute noch erkennen lassen: Ein Beispiel dafür ist der Spielplatz bei der Kreuzung der Bástya-Straße und der Veres-Pálné-Straße, wo die alte Steinmauer und die in die Wand des Nachbarhauses eingebauten Schießscharten sichtbar sind.
Die deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit von Pesth und Buda bestand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
Die Deutschen spielten in Budapest auch in der Stadtverwaltung eine führende Rolle, wodurch die Aneignung des Deutschen als der führenden Sprache Budapests auch für die ungarischen Bürger eine Pflicht war.
Neben der Hochsprache wurden in Pesth 37 und in Buda 50 unterschiedliche deutsche Dialekte gesprochen. Das veranschaulicht, wie vielfältig die Bevölkerung der ungarischen Städte damals war
Die Autorin macht auch darauf aufmerksam, dass Pesth in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Zentrum des Königreichs Ungarn wurde, teilweise den Aktivitäten der Deutschen zu verdanken ist.
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„Sie gründeten nämlich zahlreiche bedeutsame Hotels, Restaurants, Theater und Druckereien. Von dieser Epoche zeugen mehrere Unternehmen, die auch heute noch in Budapest besucht werden können, wie das Restaurant Gundel, die Schokoladenfabrik Stühmer oder die Bierbrauerei Dreher“
Solange die Monarchie bestand, galt neben dem Gastgewerbe auch die Architektur als typisch deutsche Profession
Fodor betont in ihrem Schreiben, dass das Stadtbild von Budapest von Meistern, Handwerkern und Architekten deutscher Nationalität und Abstammung elementar geprägt wurde. Als Beispiel nennt sie den Architekten Johann Hild aus dem Sudetenland.
Das Werk von Johann Hild wurde von seinem bereits in Ungarn geborenen Sohn József weiterentwickelt. Ihm sind u.a. das Palais Gerbeaud auf dem Vörösmarty-Platz, das Haus Károlyi-Trattner auf der Petőfi-Sándor-Straße oder das Gross-Haus am József-Nádor-Platz zu verdanken.
Gerbeaud-Palace auf dem Vörösmarty Platz, Foto: mtu.gov.hu
Darüber hinaus begannen auch die Bauarbeiten an der St-Stephans-Basilika auf der Grundlage seiner Entwürfe, so die Autorin.
Zahlreiche weitere ikonische Gebäude der Stadt lassen sich mit dem Namen von Michael Pollack in Verbindung bringen, der aus Wien nach Ungarn übersiedelte. Hierzu zählen etwa die evangelische Kirche auf dem Deák-Platz, das Palais Sándor in der Burg, das Ludoviceum, das Schloss Festetics sowie das Ungarische Nationalmuseum.
Foto: MTI/Mohai Balázs
Die Autorin erinnert sich an die enormen Stadtentwicklungen ab dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
Nach 1786 wurde nördlich der alten Stadtmauer ein neuer Stadtteil aufgebaut, der anlässlich der Krönung von Leopold II. den Namen Leopoldstadt bekam
„Auf dem Stadtplan können wir zahlreiche, heute nicht mehr stehende, Gebäude sehen, die vom ehemaligen kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Deutschen zeugen“, so Fodor. Beispiele sind dafür unter anderem das Deutsche Theater Pest (Pesti Német Színház), das Neugebäude (Újépület).
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In den 1890-er Jahren bekannten sich bloß nunmehr 13% der Bevölkerung des bereits aus seinen beiden Stadtteilen Ofen und Pesth vereinigten Budapests als Deutsche.
Als Grund dafür bezeichnet Fodor die natürliche Assimilation, sowie die sich verstärkende Magyarisierungspolitik.
Eine weitere negative Wende brachte der Zweite Weltkrieg.
Zwischen 1946 und 1947 wurde zum einen ein Teil der ungarndeutschen Bevölkerung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, zum anderen wurden viele Donauschwaben nach Deutschland vertrieben
„Der Vertreibung der Ungarndeutschen gedenkt das in Soroksár im Jahre 2016 aufgestellte Denkmal des Bildhauers Sándor Kligl, das den Namen „Elűzetés“ (Vertreibung) trägt. Das Denkmal stellt ein Kind mit seiner Mutter dar – des Vaters beraubt –, wie sie von ihrer geliebten Heimat in den letzten Momenten vor ihrer Aussiedlung Abschied nehmen.“
Die Autorin macht aber zugleich auch darauf aufmerksam, dass „trotz der Vertreibungen zahlreiche ungarische Familien bis heute die Traditionen ihrer deutschen Vorfahren bewahren“. Die Zahl der Ungarndeutschen wird landesweit auf rund 180.000 geschätzt.
„Die Weitergabe und die Bewahrung der deutschen Sprache wie auch der Traditionen werden durch ein breites institutionelles System ermöglicht“ so die Verfasserin des Schreibens und listet die bedeutendsten Einrichtungen auf: das Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum, das landesweite Netzwerk der Nationalitätenkindergärten, -schulen, -theater und -bibliotheken. Fodor empfiehlt am Ende des Artikels, auch das Ungarndeutsche Museum in Tata zu besuchen.
(geschrieben von Kinga Fodor, Deutsch-Ungarisches Institut – Mathias Corvinus Collegium)