Laut Zoltán Kiszelly könnte der neue Kanzler die linksextremen Strömungen innerhalb der SPD ähnlich wie Schröder unter Kontrolle halten. Weiterlesen
Nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses der deutschen Bundestagswahl gehen die Meinungen auseinander, wie sich das auf die deutsch-ungarischen Beziehungen auswirken wird. Eins ist aber sicher: Die Wirtschaft der beiden Länder ist sehr miteinander verflochten, was vor allem von den deutschen Automobilkonzernen und immer mehr von der Rüstungsindustrie dominiert wird.
Seit dem Sieg der deutschen Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am Sonntag stellen viele in Ungarn die Frage, wie sich jetzt die deutsch-ungarische Beziehungen weiterentwickeln werden. Während die ungarische Opposition der Meinung ist, dass eine eventuelle Ampel-Koalition ein harter Kritiker der Orbán-Regierung wegen der Einhaltung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit wird, betonen Analysten und Regierungspolitiker die gegenseitige Abhängigkeit der Wirtschaft beider Länder voneinander, was aber eher die Fortsetzung einer pragmatischen Politik wünsche.
Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine erhebliche Expansion deutscher Unternehmen in Ungarn stattgefunden hat.
Aus den Daten des ungarischen Statistischen Amtes geht hervor, dass drei Viertel der „Wertschöpfung“ deutscher Unternehmen in Ungarn (76 % im Jahr 2018) aus vier Sektoren stammen: Maschinen und Anlagen, informationstechnische Dienstleistungen, Elektronik und Kunststoffe.
Automobilkonzerne
Man kann mittlerweile in fast allen Regionen Ungarns auf ein deutsches Automobilwerk stoßen: Im Westen (Audi in Győr) und im Süden (Mercedes in Kecskemét) wurde die Wirtschaft kompletter Städte von diesen Unternehmen abhängig, während sich das neue BMW-Werk im ostungarischen Debrecen (Debrezin) im Bau befindet. Darüber hinaus haben deutsche Unternehmen in Ungarn vor allem in den Bereichen Informationstechnologien, elektronische Industrie sowie in der Kunststoffindustrie investiert, sodass sie insgesamt mittlerweile fast 300.000 Menschen hierzulande beschäftigen.
Aus diesem Grund ist es für Ungarn wichtig, was die nächste deutsche Bundesregierung mit der deutschen Autoindustrie vorhat: Nach einer Analyse von Reuters würden die Grünen die größte Veränderung vornehmen, in dem sie eher auf Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel setzen und den Verkauf von Benzin- und Dieselautos ab 2030 stoppen wollen. Die SPD wolle hingegen dieser Maßnahme keine Frist setzen und eher den Verkauf von E-Autos staatlich unterstützen.
Deutsche Rüstungsindustrie zieht nach Ungarn um?
Wie auch wir darüber berichteten, haben Ungarn und die Vereinigten Staaten in letzter Zeit am meisten für deutsche Waffenkäufe ausgegeben, so die kürzlich vom deutschen Wirtschaftsministerium veröffentlichten Daten. In dieser Regierungsperiode, also seit Oktober 2017, hat die deutsche Rüstungsindustrie 22,5 Milliarden Euro verdient. Ungarn überließ den deutschen Rüstungsbetrieben 2,66 Milliarden Euro, womit selbst die Vereinigten Staaten mit ihren Ausgaben von 2,36 Milliarden Euro hinterherhinken.
„Deutsche und österreichische Rüstungsunternehmen sind in Bewegung, weil sie sich in ihren Betrieben nicht sicher fühlen. Der Ausgang der Wahlen in Deutschland könnte in dieser Hinsicht entscheidend sein“ sagte der Minister für Innovation und Technologie László Palkovics noch vor den Bundestagswahlen gegenüber dem ungarischen Portal Világgazdaság.
Laut dem Minister verzögert sich schon jetzt die Erteilung von Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter, wegen der deutschen Behörden, was sich unter einer anderen (linken – Red.) Regierung sicher nicht ändern wird. Palkovics ist der Meinung, dass dies auch dazu beitragen wird, dass sich die beiden Länder unserem Land gegenüber mehr öffnen.
Was sagen die Experten?
Laut dem ungarischen Volkswirt Péter Ákos Bod hätten die anderen deutschen Parteien keine so guten Kontakte zu diesen Autokonzernen wie das bei der CDU der Fall ist und noch dazu werden sie viel kritischer bezüglich der Nachhaltigkeit, des grünen Gedankens und der europäischen Werte mit den Ländern umgehen, welche sich zuvor relativ gut mit der Merkel-Regierung verständigt haben. Das widerspricht jedoch der Tatsache, dass Deutschland mit den 4 Visegrad-Staaten zusammen mehr Handel treibt als mit dem westlichen Nachbar Frankreich.
Laut András Hettyei, dem Dozenten der Budapester Universität für Öffentliche Verwaltung, wird im Fall einer SPD-geführten deutschen Bundesregierung zwar die Intensität der wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Ländern nicht nachlassen, jedoch könne sich der kritische Ton bezüglich Ungarn verstärken. Eine wirkliche Gefahr könne nur eine eventuelle Regierungsbeteiligung der Grünen mit sich bringen, wenn als Folge die deutsche Autoindustrie radikal umgestaltet wird.
Angesichts des Mercedes-Werks in Ungarn und der Investition von BMW in Debrecen ist ein weiterer Ausbau dieser Werke jetzt fraglich. Nach Ansicht des Professors werden diese Werke in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht geschlossen, aber es ist noch offen, wo die großen Elektroauto-Stützpunkte gebaut werden. Sicherlich nicht in Deutschland, schon allein wegen des Arbeitskräftemangels“, so der Professor.
Quelle: hvg.hu atv.hu portfolio.hu vg.hu reuters.com Bild: Zsolt Szigetváry/MTI